Wie Schweizer Schulen ihre abendländischen Wurzeln verleugnen
Ich war vor mehreren Jahrzehnten beim Krippenspiel in der Grundschule das Schaf und bin heute noch schwer beleidigt. Hatte mein Lehrer mein schauspielerisches Potenzial wirklich nicht erkannt? Aber darüber hinaus ist mir die Vorführung sehr positiv in Erinnerung. Ich konnte das nahende Weihnachten förmlich riechen, während ich gelegentlich vor mich hin blökte in Ermangelung echter Textzeilen. Danach gab es Kekse.
Geht es nach dem „Lehrplan 21“ für Schweizer Schulen, dürfte es das heute nicht mehr geben. Der „Lehrplan 21“ ist der Bildungsplan, der in den meisten Schweizer Kantonen umgesetzt wird und die Inhalte des Schulunterrichts festlegt.
Je nach Motivation der Lehrkraft finden da und dort zwar nach wie vor Krippenspiele statt, vorgesehen sind sie aber nicht. Denn in der Schule hat die Religion nichts verloren. Außer bei der Vermittlung fremder Religionen, da legt man sich ins Zeug. Zehnjährige Schulkinder aus der Schweiz wissen alles über Ramadan und haben gleichzeitig noch nie vom Stern von Bethlehem gehört.
Die Schweiz und mit ihr große Teile des Abendlands fürchtet sich vor ihren eigenen Wurzeln, vor ihren Werten und Traditionen. Oder vielleicht eher: Sie fürchtet sich davor, die Wurzeln und Werte und Traditionen anderer zu „beleidigen“. Dafür muss sich noch nicht einmal ein Beleidigter zu Wort melden. Prävention ist das Zauberwort. Wer soll sich denn schon beschweren, wenn Weihnachten einfach nicht mehr stattfindet? Und selbst wenn: Wer würde sich schon für eine solche Beschwerde interessieren?
Das ist die neue Realität, und dafür gibt es zahlreiche Belege.
Weihnachten ist ein Missverständnis
2019 untersagte die Leitung einer Schule in der Ostschweiz das Singen dreier Weihnachtslieder, deren Text zu explizit auf die Tatsache einging, dass das Jesuskind zur Welt gekommen ist. „Go tell it on the mountain“ aus Kindermund könnte schließlich Andersgläubige zutiefst verstören. Stall? Maria? Jesus? Das muss was von den Gebrüdern Grimm sein!
Die Zentralsekretärin des Lehrer-Dachverbands in der Schweiz teilte der staunenden Öffentlichkeit zwei Jahre später mit, Weihnachten habe zwar durchaus eine Funktion, aber eine ganz andere als einst gedacht. Weihnachten solle ein Anlass sein, „um einen Blick in die Welt zu werfen, und ein Anstoß für Gespräche über Traditionen und andere Religionen“. Das ist ein bisschen so, als würde man über verschiedene Automodelle diskutieren, um mehr über Fahrräder herauszufinden.
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So habe ich das vorher noch gar nie betrachtet. Weihnachten dient nur dazu, sich anderen Religionen anzunähern? Der Ansatz ist kreativ. Vielleicht könnte man ja dann umgekehrt die Ramadan-Unterweisungen in Schweizer Grundschulen dazu nützen, mehr über das Christentum zu erfahren? Nein, Verzeihung, so war das natürlich nun doch auch wieder nicht gemeint. Religion ist eine Einbahnstraße, und wie auch immer man das Thema angeht, am Ende der Straße darf alles Mögliche stehen – nur nicht das Christentum.
Weniger Christbaum, mehr Ramadan
Bereits 2006 stieß der erwähnte Lehrerverband eine kritische Debatte darüber an, ob es noch zeitgemäß sei, in Schulhäusern einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Was, wenn sich ein muslimisches Kind bei diesem Anblick ein Trauma einfängt? Seither braucht eine Schulleitung Mut, um sich eine Tanne zu beschaffen. Wobei natürlich der Christbaum unabhängig von seinem Namen eher heidnischen und nicht christlichen Ursprungs ist. Aber in aller Regel denkt man an „Stille Nacht“, wenn die Kerzen entzündet werden. Dieses Risiko sollte man nicht eingehen.
Umgekehrt werden Schweizer Kinder nicht traumatisiert, wenn der Lehrer ausführlich von Ramadan erzählt. Sie würden es vielleicht, wenn er parallel dazu alle Schattenseiten der entsprechenden Religion aufzählen würde. Aber der „Lehrplan 21“ sieht es beispielsweise nicht vor, über Steinigungen vergewaltigter Frauen in arabischen Ländern wegen „Ehebruchs“ zu informieren. Man belässt es lieber bei der harmlosen Fastenzeit.
Der Plan ist klar: Wir machen zunächst das Christentum in der Schule unsichtbar und führen die Kinder dann in die wundervolle Exotik fremder Religionen ein. So klappt es mit der Entwurzelung, mit der Entfremdung vom eigenen kulturellen Hintergrund. Es geht gar nicht darum, die Schule gänzlich frei von Religion zu halten. Weichen muss nur die eigene.
Muslime ja, Veggis nein
Wobei Weihnachten nur die Spitze des Eisbergs ist. Die Anpassung an fremde Bräuche zieht sich durchs ganze Jahr. Meine beiden Töchter sind Vegetarierinnen, warum auch immer. Ich habe ihnen früh eingeimpft, dass die Schule für sie – Pardon für das schiefe Sprachbild – keine Extrawürste braten wird. Meine Botschaft lautete: Das ist eure Entscheidung, selbst schuld. Deshalb lebten sie immer gut damit, dass es am traditionellen Skitag der Schule einfach nur Hotdogs gibt und sie sich eben selbst etwas mitnehmen müssen.
Ich war dann allerdings etwas erstaunt, als das traditionelle Angebot ganz herkömmlicher „Wiener Würste“ plötzlich um eine zweite Option erweitert wurde. Und zwar in Form von Geflügelwürsten für muslimische Kinder, die kein Schweinefleisch essen. Das ist sehr rücksichtsvoll. Aber es gibt in der Schweiz etwa gleich viele Vegetarier wie Muslime. Ist es ein Zufall, dass man auf die einen eingeht, auf die anderen nicht?
Wir befinden uns in einer seltsamen Spirale. Um bloß niemandem auf die Füße zu treten, ziehen wir unsere eigenen zurück, bis sie nicht mehr zu sehen sind. Im Sport nennt man das „Forfait“: Man nimmt sich selbst aus der Partie und überlässt das Feld dem Gegner. Wobei: Es ist ja nicht einmal ein Gegner. Es herrscht kein Krieg. Ein friedliches Miteinander der Religionen wäre möglich.
Aber freiwillige Selbstaufgabe einer Seite hat noch nie zu einem Miteinander geführt.
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Noch hat es ein Krippenspiel, aber das war mehr ein Theaterstück, eine Geschichte, die man glauben kann oder nicht. Die Wortwahl so gewählt, dass es immer wieder zu lachen gab... weit weg von der Besinnung!
Ich finde Ihren Kommentar sehr treffend! Gratuliere. In Österreich ist es noch nicht ganz so schlimm. Ich selbst bin Journalistin und habe auch eine spirituelle Betrachtung in Report 24 geschrieben. Link unten. Wir leben in einer Zeit des Glaubensabfalls und müssen sicher noch ein Stück weit hinein. Liebe Grüße und DANKE für die Worte! AS
https://report24.news/eine-spirituelle-betrachtung-was-feiern-wir-zu-we…
Ich dachte lange Zeit, dass die Schweiz das letzte Refugium in Mitteleuropa sei, in welchem Tradition noch Hochkonjunktur hat.
Da fahren wir mit unseren deutschen Land-Grundschulen zuweilen doch noch ganz gut.
@Peter H. In deutschen Landschulen heißt Weihnachten inzw. auch schon "Lichterfest".
Deshalb sehe ich die Abschaffung von Staatsleistungen an die Kirchen von jährlich hunderten Millionen Euro als Ausgleich für frühere Enteignungen als überfällig an. Neben manchem entbehrlichen Pomp verantworten die Kirchen sonst ihren eigenen Bedeutungsverlust, oder?
Wenn sie nicht mit gutem Beispiel vorangehen, und Kirchensteuer-Verzicht leisten, kann nämlich der Islam auf Gleichstellung pochen, Moscheen bauen, RU in Kooperation mit suspekten Verbänden geben, und Erdogan kann frohlocken: „Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“
Einheitlicher Ethikunterricht für alle wäre die Lösung.
Ich dachte lange Zeit, dass die Schweiz das letzte Refugium in Mitteleuropa sei, in welchem Tradition noch Hochkonjunktur hat.
Da fahren wir mit unseren deutschen Land-Grundschulen zuweilen doch noch ganz gut.
@Peter H. In deutschen Landschulen heißt Weihnachten inzw. auch schon "Lichterfest".
Deshalb sehe ich die Abschaffung von Staatsleistungen an die Kirchen von jährlich hunderten Millionen Euro als Ausgleich für frühere Enteignungen als überfällig an. Neben manchem entbehrlichen Pomp verantworten die Kirchen sonst ihren eigenen Bedeutungsverlust, oder?
Wenn sie nicht mit gutem Beispiel vorangehen, und Kirchensteuer-Verzicht leisten, kann nämlich der Islam auf Gleichstellung pochen, Moscheen bauen, RU in Kooperation mit suspekten Verbänden geben, und Erdogan kann frohlocken: „Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“
Einheitlicher Ethikunterricht für alle wäre die Lösung.
Noch hat es ein Krippenspiel, aber das war mehr ein Theaterstück, eine Geschichte, die man glauben kann oder nicht. Die Wortwahl so gewählt, dass es immer wieder zu lachen gab... weit weg von der Besinnung!
Ich finde Ihren Kommentar sehr treffend! Gratuliere. In Österreich ist es noch nicht ganz so schlimm. Ich selbst bin Journalistin und habe auch eine spirituelle Betrachtung in Report 24 geschrieben. Link unten. Wir leben in einer Zeit des Glaubensabfalls und müssen sicher noch ein Stück weit hinein. Liebe Grüße und DANKE für die Worte! AS
https://report24.news/eine-spirituelle-betrachtung-was-feiern-wir-zu-we…