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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Trump tötet Frauen. Ist das so?

Ich gebe zu, ich bin ein schlichtes Gemüt. Wenn ich einen vielversprechenden Titel dieser Größenordnung in einem Onlinemedium lese, klicke ich auf den Beitrag:

„Wegen dieser Wahl werden Frauen sterben. Wegen Trump sterben heute schon Frauen.“

Denn ich will ganz dringend wissen: Warum bitte sterben Frauen, sobald Donald Trump wieder Präsident der USA ist – und weshalb haben sie das offenbar bereits vor dem Wahltag getan, ebenfalls aufgrund von Trump? Das klingt nach einem wahrhaften Skandal.

Aber ich hätte es natürlich besser wissen müssen. Einen Klick weiter erhalte ich keine Antworten auf diese Fragen. Stattdessen lese ich das hier: 

„Wegen dieser Wahl werden Frauen sterben. Wegen Trump sterben heute schon Frauen. Er hat das Recht auf Abtreibung gekippt. Er hat im Vorfeld zu diesen Wahlen offen zugegeben, darüber nachzudenken, Frauen den Zugang zu Verhütungsmitteln wie der Pille zu verbieten. Er hat den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan angeordnet.“

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Die Absenderin dieses Rundumschlags heißt Tamara Funiciello. Sie sitzt für die Sozialdemokratische Partei im Nationalrat, der großen Kammer des Schweizer Parlaments, und der breiten Öffentlichkeit ist sie vor allem bekannt, weil sie einmal vor laufender Kamera ihren Büstenhalter verbrannt hat, wobei sich mir bis heute nicht recht erschließt, welche politische Botschaft dahinter verborgen war. Persönlich halte ich Büstenhalter für eine recht praktische Erfindung, wenn man Brüste hat. Aber ich bin vielleicht die falsche Person für dieses Urteil.

Ich kämpfe mich durch das Interview und weiß am Ende dennoch nichts

Dennoch bleibe ich verwirrt. Abtreibung, Verhütungsmittel, Afghanistan: Meine Synapsen schlagen Purzelbäume. Das ist alles ein bisschen viel auf einen Schlag. Zudem weiß ich nicht, ob das Gesagte einer näheren Prüfung standhält. Dass die Bundesstaaten über Abtreibungsregelungen befinden: War das nicht eine Entscheidung des Supreme Court, also des höchsten Gerichts der USA? Die Sache mit Afghanistan: War es nicht Noch-Präsident Joe Biden, der den bewussten Abzug der US-Truppen in denkbar missglückter Form vollzogen hat? 

 

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Und sollte Donald Trump ernsthaft vorhaben, die Verhütungspille zu verbieten, was mir recht neu ist, glaubt jemand ernsthaft, er würde damit durchdringen? Und selbst wenn: Daran sterben Frauen? Wie genau und weshalb?

Ich kämpfe mich pflichtschuldig durch das Interview und weiß dennoch immer noch nicht, warum die Präsidentschaft von Donald Trump nun das Todesurteil für Frauen bedeuten soll. Habe ich etwas verpasst oder wurde ich gerade Opfer eines ziemlich dreisten Falls von Klickbaiting? Trump tötet Frauen in Afghanistan, weil sein Nachfolger Joe Biden seine Truppen über Nacht dort abgezogen hat? Trump tötet Frauen, weil er angeblich die Pille verbieten lassen will? Trump tötet Frauen, weil er die Abtreibungsfrage den Bundesstaaten überlassen will? Mir scheint die Beweislage recht dünn, aber ich bin ja auch kein Experte. Vielleicht sollten wir auf Nummer sicher gehen. Weiß die Polizei schon Bescheid?

Donald Trump rettet Leben

Was mir bekannt ist: Irgendwo da draußen lauert offenbar die „Idealvorstellung“, wonach man in den USA in Zukunft bis zur 24. Schwangerschaftswoche abtreiben können soll. Trump findet die Idee nicht prickelnd beziehungsweise möchte das nicht als Praxis in den ganzen Vereinigten Staaten einführen. Man kann dazu stehen, wie man will. Allerdings wurde Donald Trump gerade überdeutlich zum US-Präsidenten gewählt. Seine Haltung scheint ihm also nicht direkt im Wege gestanden sein. Und ich halte sie für nicht ganz unvernünftig.

Aber vielleicht sollte ich das nicht laut aussprechen, weil man damit ja offenbar Frauen tötet. Warum auch immer: Ich weiß es nach wie vor nicht. Woran sterben diese Frauen? Keiner erklärt es mir. Man wirft mir eine Schlagzeile zum Fraß vor und lässt mich danach allein mit ihr. 

Ich weiß, dass unter der unterlegenen Kamala Harris die Abtreibung bis zum allerletzten möglichen – oder eigentlich auch eher unmöglichen – Moment zu einer Art Volkssport geworden wäre. Aber wie Trump konkret Frauen aus dem Leben befördert, wenn er sich gegen diese Praxis stellt, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Sterben denn Frauen für gewöhnlich in der 25. Schwangerschaftswoche, wenn sie nicht durch eine Abtreibung gerettet werden? Warum kommen dann überhaupt nach wie vor Kinder zur Welt?

Bei Ansicht der reinen Faktenlage komme ich zum Schluss, dass US-Präsident Donald Trump in den kommenden Jahren sehr viele Menschenleben retten und keines zerstören wird. Denn er scheint ungeborenes Leben hochzuschätzen und dafür zu sorgen, dass es zur Welt kommen darf. 

Und er hat für diese Politik soeben die Absolution des amerikanischen Volks erhalten. Weil dort, direkt vor Ort, offenbar niemand auf die Idee kommt, dass er Frauen tötet. Das tut nur eine Politikerin in der fernen Schweiz.

 

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