Die Radikalen sind in der Regierung
Mit großem Tamtam eingerichtet, ist es um die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ der Bundesregierung still geworden. Nichts dringt nach draußen, seit die 18 Mitglieder aus Medizin, Medizinethik und Jura Ende März die Arbeit aufgenommen haben.
Den Schwangerschaftsabbruch zu „entkriminalisieren“ und zu einer normalen ärztlichen Dienstleistung wie etwa die Entfernung eines Leberflecks zu machen wird derzeit überlagert von der Debatte über das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz, für das unter anderem die Top-Influencer vom linken Deutschen Juristinnenbund (DJB) trommeln, demselben Bund, dem überproportional viele Mitglieder der Kommission angehören.
Während die für unser Gemeinwesen so nachteilige Asyl- und Flüchtlingsgesetzgebung keinesfalls reformiert werden könne, und wer das beabsichtige, der verschiebe „Grenzen, die nicht verschoben werden“ dürften, so die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD), soll es nicht als Grenzverschiebung gelten, wenn pubertierende Jugendliche Hormone schlucken, sich verstümmeln und ihr Geschlecht umoperieren lassen, selbstverständlich auch ohne Zustimmung der Eltern, denn auf Familie und Normalität zielt ja das Projekt.
Das richtige Bewusstsein ist im Volk noch immer vorhanden
Jetzt freilich platzen die Ergebnisse einer Meinungsumfrage in das beginnende Nachrichten-Sommerloch, die aufhorchen lassen: Mehr als die Hälfte der Deutschen lehnt einer repräsentativen Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen zufolge eine völlige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ab. Bei der vom ZDF-Magazin „Frontal“ beauftragten Umfrage von Ende Mai haben sich 54 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, den Paragraphen 218 Strafgesetzbuch beizubehalten.
Nur ein gutes Drittel (36 Prozent) will ihn beseitigt sehen. Das Bewusstsein, dass die Tötung der Leibesfrucht eine Straftat gegen das Leben ist, hat sich also trotz jahrzehntelanger linksprogressiver Agitation noch immer im Volk gehalten. Drei Prozent plädieren gar dafür, Abtreibung ausnahmslos zu verbieten.
Schlüsselt man die Ergebnisse nach Parteienpräferenz auf, überrascht zunächst nicht, dass Unionswähler auf der Zinne sind: Zu über zwei Dritteln (67 Prozent) wollen sie den 218er erhalten, gefolgt von Anhängern der AfD mit 57 Prozent. Aber besonders interessant: Sogar Wähler der Kanzlerpartei SPD wollen mehrheitlich (52 Prozent) den Paragraphen 218 erhalten sehen, FPD-Wähler sogar zu 55 Prozent.
Das legt den Schluss nahe, dass in der Ampel-Abtreibungskommission eine radikalisierte Speerspitze mit extremen Vorstellungen am Werke ist, die nicht die Zustimmung der eigenen Wählerschaft hat. Der DJB fordert bekanntlich, den Paragraphen 218 ersatzlos zu streichen und Abtreibungen bis zur 25. Schwangerschaftswoche auf bloßes Verlangen hin zuzulassen sowie sämtliche – bezifferbaren – Kosten der Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten aufzubürden. Das seelische Leiden betroffener Frauen und die oft erst nach Jahrzehnten zugelassene Reue über einen schweren Fehler lassen sich nur schwerlich in Geld angeben.
Nach Streichung von 218 – wird Abtreibung als Mord angeklagt?
Nur bei Wählern von Bündnis 90/Die Grünen (46 Prozent) und der Partei Die Linke (31 Prozent) sind, kaum überraschend, jeweils weniger als die Hälfte der Befragten für eine Beibehaltung des Paragraphen. Unterdessen würden laut Sonntagsfrage zur Bundestagswahl vom 6. Juni (GMS) nurmehr 15 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei den Grünen machen, aber 19 Prozent bei der AfD, einen Prozentpunkt mehr als bei der regierenden SPD. Und die Linke wäre mit vier Prozent abgemeldet.
Wenn sich die Regierung mit ihrem Legalisierungsprojekt mal nicht vertut. Zum einen ist da die Systematik des Gesetzbuches: Der Paragraph 218 steht im 16. Abschnitt des Strafgesetzbuchs, der mit den Paragraphen 211 bis 222 Straftaten gegen das Leben sanktioniert.
Da geht es neben dem Schwangerschaftsabbruch um Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Völkermord, fahrlässige Tötung. Der Paragraph 218 und insbesondere der die Fristenregelung enthaltende 218a schreibt schon eine Minderbestrafung des Schwangerschaftsabbruchs gegenüber der Tötung eines Menschen fest. Dass es sich bei der Leibesfrucht um individuelles menschliches Leben handelt, das der Schutzpflicht von Artikel 2, Absatz 2, Satz 1 Grundgesetz unterliegt, ist durch ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kodifiziert.
Würden die Paragraphen 218f. ersatzlos gestrichen, kämen die Juristen in der Abtreibungskommission in heillose Argumentationsschwierigkeiten – denn dann fiele für die Tötung der Leibesfrucht die Privilegierung weg, so dass Strafvorschriften mit ungleich schärferer Strafandrohung auf Schwangere und Arzt angewendet würden.
Heimtücke, Grausamkeit und niedere Beweggründe sind regelmäßig Merkmale, die einen Mord charakterisieren. Will die Regierung Frauen, die abgetrieben haben, nach der Reform als Mörderinnen anklagen lassen? Eine nur rhetorische Frage, klar. Aber darauf liefe es bei der ersatzlosen Streichung von 218 hinaus.
Immer weniger Ärzte wollen Schwangerschaften abbrechen
Zum anderen steht die tatsächliche „ärztliche Versorgungslage“ einer Ausweitung der Abtreibungszahlen entgegen. Erfreulicherweise führen immer weniger Gynäkologen und Kliniken Schwangerschaftsabbrüche durch: Zwischen 2003 und 2021 hat sich deren Zahl beinahe halbiert. Die Liste der Bundesärztekammer verzeichnet deutschlandweit auch nur noch 365 einschlägige Adressen (Stand 5. Juni 2023).
Eine Ausgabe des ZDF-„Länderspiegels“ vom März hielt fest: Junge Ärzte meiden den Eingriff. Und: Abtreibungen waren schon immer ein Tabuthema und werden es immer mehr. Für Schwangerenkonfliktberatungsstellen, die mit Herz und Hand alles daransetzen, werdenden Müttern ein Ja zu einem Leben mit Kind möglich zu machen (so wie es auch das Schwangerschaftskonfliktgesetz vorsieht), ist das eine schöne Bestätigung ihrer hingebungsvollen Arbeit.
So ist festzuhalten: Wie der glücklosen Bundesregierung der Wind auf vielen Politikfeldern ins Gesicht bläst, so schwimmt sie mit ihrer umstrittenen Kommission nicht auf einer Welle der Sympathie. In der Bevölkerung gibt es mehr Einsicht und Mitgefühl, als Technokraten es sich vorstellen können. Das heranwachsende Kind unterm Herzen totzumachen war nie ein Weg, Probleme zu lösen, und das empfinden auch immer mehr Bürger so.
Davon legen auch die vielen Märsche für das Leben ein unübersehbares Zeugnis ab, die mittlerweile auf vielen Kontinenten für Würde und Schönheit des menschlichen Lebens eintreten: in all seinen Phasen zwischen Zeugung, Alter, Krankheit und im Sterben.
Wer weiß, vielleicht wird die Ampel-Regierung mit ihrer Kommission noch Bert Brecht hervorholen: „Ja, mach nur einen Plan und sei ein großes Licht! Dann mach noch einen zweiten Plan: Gehen tun sie beide nicht.“
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