Direkt zum Inhalt
Kolumne „Kaffeehaus“

Geschlechtsstereotype? Ja bitte!

Als Mama eines Jungen und eines Mädchens beschäftige ich mich regelmäßig mit dem Thema Geschlechtsstereotype. Ich bin überzeugt: Die Geschlechtsstereotype haben ihre Ursache in der biologischen Verschiedenheit der Geschlechter. Eine Erziehung, die diese Verschiedenheit berücksichtigt, verstärkt gleichzeitig die Stereotype, was aber gut und wichtig ist. 

Doch heute trendet ein anderer Ansatz: Kinder sollen ausschließlich in ihren individuellen Identitäten wahrgenommen werden, um sich frei von Rollenklischees entfalten zu können. Schließlich seien die Stereotype daran schuld, dass wir in unseren Rollen als Frauen oder Männer leben. Ein Blick auf den Schulhof und in die Spielgruppen der Schule meiner Kinder macht mir klar, dass derlei weltfremde Wünsche zum Glück nicht funktionieren können.

Der Schulhof offenbart die Unterschiede

Nach den beginnenden harmonischen Wochen des neuen Schuljahres kam es nun zu den ersten „Reibereien“ und Konflikten zwischen den Kindern. Meine Tochter und ihre Freundinnen tauschten fleißig kleine Puppen und Accessoires untereinander aus. Es gab immer wieder Situationen, in denen die Mädchen eifersüchtig aufeinander waren. Die beste Freundin meiner Tochter war verärgert, weil diese in der Pause mit einem anderen Mädchen spielen wollte.

Eine andere Freundin wiederum wollte den kleinen Herz-Schlüsselanhänger, den sie ihr geschenkt hatte, zurückhaben, weil sie nicht mehr beste Freundinnen seien. Es bedurfte einiger diplomatischer Schritte meinerseits, um die Situation zwischen den kleinen Mädchen zu beruhigen. 

Jungs wollen sich behaupten

Bei meinem Sohn hingegen gibt es keine solcher Konflikte, alles läuft reibungslos. Er spielt einfach in Ruhe mit seinen Freunden Tischtennis und Fußball. Zumindest dachte ich das. Bis eine Lehrerin zu mir kam und sagte, dass sie mir etwas Lustiges zu erzählen habe. Mein Sohn würde sich beinahe jeden Tag mit einem spanischen Jungen prügeln und in Konflikte geraten. Das ging sogar so weit, dass die beiden beim Fußball gegeneinander kämpften, obwohl sie im selben Team waren, erzählte sie kopfschüttelnd. 

 

> Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge.

 

Ich war überrascht, denn ich dachte, dieser Junge sei sein guter Freund. Die Lehrerin meinte aber, dass ich mir keine Sorgen machen müsse, schließlich sind die Jungs immer noch Freunde. Sie hat zum Glück verstanden, dass es bei den beiden bloß darum geht, wer sich in der Gruppe als stärker und besser behauptet. Keiner kommt dabei zu Schaden. Vor ein paar Jahren hätte ich meinem Sohn vielleicht gesagt, er solle sich nicht prügeln und immer nett sein. Heute sage ich ihm einfach: Sei fair und greife Schwächere nicht an. Mir wurde klar, dass er für sich selbst eintreten muss, um respektiert zu werden.

Der Mensch ist keine „Tabula rasa“

Diese unterschiedlichen Situationen bei den Kindern brachten mich dazu, über die Geschlechtsstereotype nachzudenken. Mädchen organisieren sich in Gruppen durchaus anders, als es Jungs tun. Es ist nichts, was anerzogen wäre, die Kinder agieren in solchen Situationen intuitiv. Und nicht nur das Verhalten in einer Gruppe, sondern auch Präferenzen bei Hobbys, Videos, die man sich gern anschaut, und Geschenken, die man sich wünscht, entsprechen in der Regel dem jeweiligen Geschlecht. 

Doch eine „geschlechtsneutrale” oder „genderbewusste” Erziehung will das nicht wahrhaben. Ihr Ansatz besteht darin, die traditionellen Geschlechterrollen und Stereotype zu überwinden, damit sich ein Kind unabhängig von dem biologischen Geschlecht und ohne Rollenklischees entfalten kann. Als wäre der Mensch eine „Tabula Rasa”, die nichts mit der eigenen geschlechtlichen und körperlichen Beschaffenheit zu tun habe. 

Ich halte dagegen: Kinder entfalten sich wirklich frei und zufrieden nur in Übereinstimmung mit dem, wer sie sind – Jungs oder Mädchen. Sicher, manche Jungs mögen sensibel und introvertiert und manche Mädchen robust und kämpferisch sein. Doch auch mit diesen Eigenschaften bleiben sie ein Junge oder ein Mädchen. Das biologische Geschlecht ist kein Korsett, das uns erdrückt, sondern ein Rahmen, in dem wir erst unsere Persönlichkeit entwickeln können.

 

› Kennen Sie schon unseren Corrigenda-Telegram- und WhatsApp-Kanal?

63
22

5
Kommentare

Kommentare