Alles Nichts, oder?
Achtung! Mit dieser Kolumne betreten Sie den philosophischen Sektor! Deswegen bitte ich alle, sich durch die nun folgende Vorrede zu quälen, um dann anschließend zu erfahren, was meine Absicht ist, diesen Kolumnenplatz mit möglicherweise als anstrengend empfundenen denkerischen Ausflügen zu besetzen.
Lange habe ich es vor mir hergeschoben, sie den Lesern zuzumuten. Aber das Jahr 2024 mit seinem Kant-Jubiläum hat mich dazu verleitet, auch einmal anstrengend zu werden. Und zwar, weil bei dem, was in diesem Jahr an Würdigungen zum dreihundertsten Geburtstag des berühmten Philosophen gesagt und geschrieben wurde und wird, eine Art Evolutionssprung gefeiert wird, den Kant in der Untersuchung des menschlichen Verstandes bewirkt hat.
Diese revolutionäre Umwendung des Denkens und seine nachhaltige Bedeutung für die Neuzeit wird in der Regel unwidersprochen als unumkehrbar von allen bejaht. Um diesen Eindruck ein wenig zu relativieren, möchte ich künftig in kleinen Dosen der Corrigenda-Gemeinde einen verborgenen Schatz präsentieren, der älteren Lesern vielleicht noch im Keller der Erinnerung liegt, jüngeren Rezipienten aber sicherlich mehrheitlich noch verborgen ist.
Die Bewahrung einer objektiven Erkenntnistheorie
Wobei ich in jüngster Zeit wieder und wieder entdecke, dass denkerisch bewegliche „Gen Z-ler“ oft per Zufall auf das stoßen, was ich hier ans Licht heben will, und dann, wenn sie auf es gestoßen sind, daran haften bleiben. Der Schatz, den ich meine, ist das Werk des Philosophen Josef Pieper (1904 – 1997), das man – und das mag für viele Altgediente erstaunlich sein – in vielen Punkten als eine Art antikantische Opposition bezeichnen könnte.
Erstaunlich, weil Pieper für diejenigen, die ihn in ihren Jugendjahren als katholischen Philosophen vermarktet bekamen, nur im Hinblick auf die Beschäftigung mit den Tugenden in Erinnerung geblieben ist, was zweifelsohne einen umfangreichen Teil seines Werkes ausmacht.
Aber das trifft nicht den Kern seines Denkens, das sich zuallererst mit der Bewahrung einer objektiven Erkenntnistheorie beschäftigt und in der klassischen Metaphysik verwurzelt ist. Darin liegt ein Sprengstoff der Neuzeitkritik, besonders was die Urgründe der Revolution des Denkens betrifft, die Immanuel Kant entfesselt hat und deren Folgen alle Bereiche des Lebens erfasst und verändert haben.
Wenn der Gegner erkannt ist, ist es einfacher, mit ihm zurechtzukommen
Die Corrigenda-Redaktion, die Pieper unter dem Geröll zeitgeistlicher Abraumhalden entdeckt hat, hat sich nun entschieden, den katholischen Denker einem breiten Publikum zu präsentieren. Und zwar, um über den Kreis der speziell philosophisch Interessierten hinaus einen Anstoß zu geben, sich mit demjenigen näher zu beschäftigen, was der Grund für Zeitphänomene ist, die nichts Gutes für die Zukunft erahnen lassen und die viele intuitiv als gefährlich empfinden.
Wenn der Gegner erkannt ist, ist es einfacher, mit ihm zurechtzukommen. Dieser militärische Grundsatz gilt auch für die Auseinandersetzungen im Denken. Aber über dieses apologetische Bedürfnis hinaus, das klassisch-abendländische Denken zu retten bzw. neu in Stellung zu bringen, ist es Josef Pieper wert, ihn in einer Zeit als Lehrer anzuempfehlen, in der das Bild vom Menschen, die Maßstäbe seines Handelns, seine Zukunft und seine Religion gehörig aus den Fugen geraten sind.
Und viele sich deswegen danach sehnen, dasjenige denkerisch bestätigt zu bekommen, was sich als ein unsterbliches Gerücht hält: dass es eine Wahrheit gibt, die nicht vom Menschen kommt und die ihn – gerade deswegen – befreien kann. Dazu soll es ab und zu kleine Blicke in die Schreibstube Josef Piepers geben, die unter der Überschrift „Pieper klärt auf!“ das Denken des katholischen Philosophen als Aufklärung über die Aufklärung nutzbar machen können.
Dies geschieht bewusst zu einem Zeitpunkt, an dem die Aufmerksamkeit für den Urvater der Aufklärung, Immanuel Kant, anlässlich seines Geburtsjubiläums gesteigert ist. So nahm sich zum Beispiel im vergangenen Winter bis in das Frühjahr 2024 die Ausstellung der Bonner Bundeskunsthalle, „Immanuel Kant und die offenen Fragen“, des Königsberger Philosophen an. „Kants bahnbrechende Beiträge zur Aufklärung, seine Überlegungen zur Ethik, Emanzipation, Erkenntnistheorie und zum Völkerrecht gelten bis heute als Referenzpunkte“, vermeldete der Veranstalter auf seiner Homepage und bekundete das uns allen aus dem Geschichts- und Philosophieunterricht bekannte Image des Denkers.
Nach Kant gehen die Uhren anders
So kennen wir ihn. Seine Aufklärungsdefinition wird lehrplanmäßig eingebläut: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ So weit, so gut, so abgehakt. Für die meisten. Muss man sich als Schüler, der irrtümlich das „Laberfach“ Philosophie gewählt hat, an die Quellentexte begeben, womöglich an die „Kritik der reinen Vernunft“, verliert man mehrheitlich schnell den Spaß an dem Star der Aufklärung. Und es bleibt das Kant-Image weitgehend ohne persönliche gedankliche Durchdringung.
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Ausstellungen wie die der Bonner Bundeskunsthalle haben deswegen auch keinen spürbaren Erkenntnisgewinn für breite Massen produziert. Abgesehen von der heute unumgänglichen Suche nach Spuren von Rassismus, Sexismus und Antisemitismus, die man auch im Werk Kants pflichtgemäß aufspürte, wurde man mit dem alten Aufguss dessen konfrontiert, was wir als philosophisches Mantra zu wiederholen angehalten werden: Nach Kant gehen die Uhren anders, das Denken hat die Macht ergriffen, den Dingen zu sagen, was sie sind, statt es sich von ihnen sagen zu lassen.
Die Ermächtigung des Denkens als der Ausgang dessen, was bis dahin als Wirklichkeit und Wahrheit subjektunabhängig gedacht wurde, beschreibt die Kopernikanische Wende, nach der die Neuzeit kein Zurück zur Metaphysik und zur objektiven Wahrheit mehr zulasse.
Kants Umkehr des Denkens dominiert heute das gesellschaftliche Leben
Ich bin dennoch der Bonner Ausstellung und den zahllosen Gedenkveranstaltungen dankbar, weil sie ein Thema in die öffentliche Aufmerksamkeit gespült haben, das im augenblicklichen Ringen um ein lebenswertes Leben, um Frieden, Freiheit und Sicherheit und – was die christlichen Glaubensgemeinschaften angeht – um religiöse Erneuerung keinesfalls außer Acht gelassen werden darf.
Es gibt keine objektive Wirklichkeit mehr
Kant hatte bei der Suche nach der Erfassung der Wirklichkeit seinen Weg mit der schon von Descartes übernommenen Skepsis begonnen, ob das, was wir zu erkennen glauben, tatsächlich eine Realität ist. Und wenn ja, wie man sie verstehen kann. Die klassische Sicht der Antike, dass sich das Erkennen nach den Gegenständen richtet, wurde für Kant im Sinne dieser neuzeitlichen Unsicherheit bezüglich der Realität der Welt fragwürdig.
Hier beginnt die große Wende im Denken, an deren Ende die Feststellung steht: Die Gegenstände, die unser Erkennen erfasst, müssen sich nach unserem Denken richten, sie werden produziert durch die „Dinge an sich“, die dem Verstand innewohnen, sie sind vor aller Erfahrung – „a priori“.
Damit ist die Sinneswahrnehmung als Kontakt zur Außenwelt nicht mehr der Ausgangspunkt der Erkenntnis, sondern der Verstand – eine weitreichende Annahme, die der Ausgang dafür ist, sich nicht mehr von dem, was ist, prägen zu lassen, sondern sich selbst zur Prägung für das zu machen, was ist.
Natürlich – so sagt Kant – muss sich auch die a priori besessene Begriffswelt auf Anschauungen beziehen, denn Begriffe ohne Anschauungen sind leer. Aber die Priorität liegt auf dem Denken und seinen Inhalten und nicht auf der Welt der Dinge, die dem Erkennenden gegenüber liegen, also objektiv sind. Die Wirklichkeit ist das Ergebnis und nicht der Ausgangspunkt des Denkens, womit Kant das Denken vollständig umkehrt und mit ihm zugleich die Vorstellung von der Welterfassung.
Es gibt keine objektive Wirklichkeit mehr, die – subjektunabhängig – das Gegenüber zum Menschen als einem mit einem Verstand als Rezeptionsfähigkeit ausgestatteten erkennenden Wesen wäre. Sondern der Verstand des Menschen hat die Welt in sich und zwar so, dass das, was er als Erkenntnis zu haben glaubt, letztlich die Erkenntnis seiner selbst ist.
Die Auflösung der Unwandelbarkeit der Wahrheit
Der Blick in die Welt wird ein Blick des Subjekts auf sich selbst. Selbstwerdung des Menschen geschieht daher nicht mehr durch die Erfassung der Welt als objektiver, sondern in der Gestaltung der Welt als aus dem Menschen entlassene Wirklichkeit.
Dieser „transzendentalphilosophisch“ genannte Denkansatz Kants wohnt fortan der geistesgeschichtlichen Entwicklung inne. Aus heutiger Sicht gehört es darum zum guten Ton unter Intellektuellen, unter Philosophen, Theologen und Ethikern, den Begriff der Wahrheit als wandelbar zu begreifen. Denn er ist abhängig von der menschlichen Vernunft – und zwar nicht als Wiedergebende, sondern als Gebärende.
Es ist nur wenigen bewusst, dass sich die Zeitläufte seit der Entbindung der Wahrheit von der außerhalb des Menschen verorteten Wirklichkeit und ihrer Erfassbarkeit konsequent der Auflösung jeder Form von Unwandelbarkeit entgegenentwickeln: der Auflösung der Unwandelbarkeit der Wahrheit, der Aufhebung einer objektiv begründeten und deswegen unwandelbaren Moral und schließlich auch der Unwandelbarkeit Gottes als des Grundes von allem, was ist, das aber ja eben nicht mehr „ist“, sondern in mir „wird“.
Dass dies keine übertriebene oder gar unbegründete kulturpessimistische Deutung ist, zeigt sich augenblicklich ganz konkret in den Auseinandersetzungen im deutschen Katholizismus, wo wir Zeuge werden, wie die nihilistische Kompensation des Mangels an objektiver Wahrheit und ihrer Erkenntnismöglichkeit eine geradezu psychedelische Auflösung aller Grenzen zeitigt. Selbst die Vertreter der christlichen Religion, die eigentlich Bewahrer des ihnen anvertrauten kostbaren Gutes (vgl. 2 Tim 1,14) sein sollen, haben stattdessen die beständige Selbsterfindung als Ersatz entdeckt und mit ihr die moralische Selbstinszenierung auf der Basis eines subjektivistischen Fließsandes.
Die heutige Situation ist grotesk
Sie beschäftigen sich nicht zufällig in ihren Synodalen Räten und Ausschüssen in erster Linie mit Fragen der Macht. Denn wenn es kein Diktat der Wahrheit mehr gibt, muss Macht an etwas anderes gebunden werden. Und dies ist stattdessen die sogenannte Lebenswirklichkeit, die aus der Berechtigung entsteht, die Wahrheit(en) zu konstruieren.
Man wird zuweilen den Eindruck nicht los, man gefiele sich nach dem Zusammenbruch der Gewissheiten darin, als mutige Streiter für die einzig verbliebene objektive Wahrheit einzustehen, dass es keine geben könne. Die Situation ist in der Tat grotesk, dass sogar Bischöfe als Nachfolger der Apostel Jesu Christi – ohne es offensichtlich zu merken – hart Kurs auf den Endpunkt der Aufklärung halten: den Nihilismus.
Denn die Abkehr von dem Gedanken, dass etwas schlechthin nicht nicht sein kann, gebiert den Tod Gottes. Er schwebt unmerklich über den synodalen Konferenztischen, an denen über die Nach-Gott-Zeit verhandelt wird, so wie es auch schon das 19. Jahrhundert getan hat, als es sich befleißigte, die alten Autoritäten zu ersetzen durch Vaterland, Evolution, Sozialismus, Macht. „Das Leben muss ja irgendwie weitergehen!“
Piepers Denken ist eine Fackel der Orientierung
Diese posttraumatische Formel von Hape Kerkeling mag im derzeitigen Wettlauf, die „Lebenswirklichkeit“ als normativen Ersatz an die Stelle eines transzendenten Schöpfers zu setzen, zugleich die pragmatische Rückzugsformel der reformwütigen Religionsbeamten sein. Eine absolute Wahrheit ist eben mit der neuen, auf dem Denken der Aufklärung aufruhenden Strategie zu einer Neuerfindung der Kirche nicht zu haben. Und also kann es nur die Machtfrage sein, die weiterhilft.
Josef Pieper, der große deutsche Philosoph, der wie kaum ein anderer mit gelassener Unaufgeregtheit die Einheit von Denken und (christlichem) Glauben dargelegt hat und damit bereits in den dunkelsten Zeitabschnitten des 20. Jahrhunderts Licht in die verworrenen Zeitläufte gebracht hat, mag an dieser Stelle auch in den gegenwärtigen alltäglichen Unsicherheiten eine Fackel der Orientierung bieten.
Liebe Leser! Wer von Ihnen bis hierhin gelesen hat, ist eingeladen, sich von Piepers Denken demnächst an dieser Stelle in kleinen Dosen beindrucken, trösten und verwandeln zu lassen.
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Kommentare
Klasse! Ich freue mich darauf. Dieser Artikel aus der Reihe ist schon mal tröstlich und lässt hoffen.
Herzlichen Dank für den Beitrag. Ich freue mich auf die "kleinen Blicke in die Schreibstube Josef Piepers". Ich habe einst drei Bände von ihm gelesen, die mich tief beeindruckt haben. Das ist katholische metaphysische Philosophie in Reinform. Josef Pieper ist ein Philosoph, mit dem auch interessierte Laien gut zurechtkommen und das eigene Denken prägen lassen können. Er ist das Heilmittel, der von Kant hinterlassenen Traumatisierten. Das Problem ist, der heutige Mensch ist aufmüpfig geworden gegenüber den Herrschenden, letztlich dem Mediator Dei selbst. Kant hat quasi den Protestantismus Martin Luthers in eine philosophische Form gegossen. Für meine Begriffe ist das keine Philosophie mehr, sondern eine Anmaßung, eine billige Nachäffung. Der Mensch ist und bleibt ein Geschöpf, der nur ist, weil er zuvor gedacht worden ist und ins Dasein gerufen wurde. Als Geschöpfe sind und bleiben wir Empfangende und wir arbeiten damit, was wir vorfinden und uns zum Gebrauch gegeben ist. Wir dürfen unsere Wirklichkeit erkennen. Das ist großartig. Wir dürfen erkennen, dass es einen Schöpfer gibt, dem wir all das zu verdanken haben. Weshalb wir nur die Schatten unseres Schöpfers erkennen dürfen und wir als Geschöpfe von Ihm getrennt sind, das geht dann weiter in die Theologie. Fakt ist: Wir dürfen erkennen. Josef Pieper hat erkannt, was erkannt werden darf und wie wir erkennen können.
Herzlichen Dank für diesen klar gedachten, klugen Text zu Kant, der neugierig mach auf mehr. In der Tat muss man sich fragen, wie es sein kann, dass ausgerechnet einer wie Kant, der nie geliebt hat und ein höchst vertrocknetes Leben führte, zu solchem Einfluss gelangen konnte. Eine echte Auseinandersetzung mit seinem Denken findet unter den Belesenen kaum statt, pflichtbewusst beruft man sich auf Kant, ohne ihn je kritisch gelesen zu haben. Dabei ist doch gerade unsere heutige Zeit mit dem unüberblickbaren Chaos eine Einladung, einmal genauer hinzuschauen, was denn bei all den Ideologien, die sich in den letzten Jahrhunderten verwurzeln konnten, nicht stimmen mag... Bitte mehr, Herr Dr. Rodheudt
Eine großartige Sache, die Reihe über Josef Pieper. Donnie ich Kant verstehe, setzt er einen Unterschied zwischen der objektiven Wirklichkeit (““Ding an sich“), die er für unerkennbar hält und dem, was wir erkennen, die „Erscheinung“, welche durch die Kategorien und Sinneseindrücke zustande kommt. Somit ist alles erkennen, das Resultat der menschlichen Subjektivität. Weil Gott jenseits der Sinneseindrücke ist, ister nach Kant nicht erkennbar, man kann über ihn nichts sagen und ihn höchstens als Instanz brauchen für die Moral. Gottesdienste sind für Kant „Afterdienste“. Er formt eine neue rationalistische Dogmatik, in der es keine Offenbarung und keinen persönlichen Gott gibt. Christus ist nicht mehr als ein gutes Beispiel für ein anständiges Leben. Die Erbsünde gibt es nicht mehr, keine gefallene Natur, sondern nur noch das Diktat der Pficht, gut zu handeln, wer das nicht tut, hat keine Barmherzigkeit zu erwarten, sondern eine grausame Strafe, so gibt es für Kant auch kein Gnadenakt bei der Todesstrafe. Der Schuldige muss nach Kant sterben. Auf die Idee, Kant als Fortschritt oder menschlich anzusehen, kann man nur kommen, wenn das das Christentum verachtet.
Ich freu mich drauf! Danke Pater.
Ich kann es kaum erwarten, geschätzter Herr Dr. Pfr. Rodheudt!
Zurück und vorwärts zu Platon und Thomas von Aquin. Und zum authentischen Christentum - Kant aufhebend:
Die Wahrheit an sich ist ewig und stirbt nie - wohl aber gegenwärtig der Begriff der Wahrheit als etwas schlechthin Unhintergehbaren -
"Schlechte Philosophie", wie sie heute vorherrschend ist, betreibt "WahrheitsSPIELE" - als da sind: Konstruktivismus, Poststrukturalismus, Nietzsche-Epigonen, Positivismus, Utilitarismus, Marxismus&Kritische Theorie und alles postmoderne "Anything goes" ...
Alle "gute" Philosophie hat das als Gemeinsamkeit und Voraussetzung: die Garantie der unrelativierbaren Vernünftigkeit der Vernunft, das Axiom, daß das Wesen der Welt Logos ist - " ... die Lehre von einem objektiven Wert, der Glaube, daß gewisse Haltungen, bezogen auf das Wesen des Alls und auf das, was wir selber sind, wirklich WAHR sind und andere wirklich falsch." (C.S. Lewis: 'Die Abschaffung des Menschen') -
Alles andere führt in die Aporie, letztlich zum Nihilismus und zur Zerstörung des Menschen.
Einen Beleg für diese Verirrung hin zum Nihilismus und Relativismus (und damit zur geschwätzigen Belanglosigkeit) gibt Douglas Murray. Murray schildert exemplarisch seine Eindrücke von einer Konferenz an der Universität Heidelberg über die Geschichte der europäischen Beziehungen zum Nahen Osten. Auf dieser Konferenz sei ihm deutlich geworden, „dass man hier nichts würde lernen können, weil nichts gesagt werden durfte“:
"Eine Reihe von Philosophen und Historiker verbrachte ihre Zeit mit dem fleißigen Versuch, so erfolgreich wie möglich nichts zu sagen. Je weniger gesagt wurde, umso größer war die Erleichterung und der Beifall. […] Es konnte nichts verallgemeinert, nichts Spezifisches herauskristallisiert werden. Nicht nur Geschichte und Politik standen unter Verdacht. Philosophie, Ideen und Sprache wurden hinter Absperrungen gestellt, wie ein Tatort von der Polizei. […] Die Aufgabe der Wissenschaftler war, die Absperrungen zu bewachen und für einige Ablenkungen zu sorgen, um die Wanderer um jeden Preis davon abzuhalten, sich zurück in den Bereich der Ideen zu verirren. Alle relevanten Wörter wurden sofort markiert und angefochten. Das Wort ‚Nation‘ war offenkundig ein Problem. ‚Geschichte‘ war ein anderes Wort, das nach sofortiger Unterbrechung verlangte. Wenn jemand so unvorsichtig war, das Wort ‚Kultur‘ zu benutzen, verursachte er einen Stillstand. […] Es war nicht zulässig, dass es irgendetwas bedeutete. Das Ziel dieses Spiels war – denn es handelte sich um ein Spiel -, den Schein akademischer Forschung zu erwecken, während man eine fruchtbare Diskussion unterband. […] Wenn eine übergeordnete Idee übrig geblieben ist, dann die, dass Ideen ein Problem sind. Wenn ein Werturteil übrig geblieben und allgemein anerkannt ist, dann das, dass Werturteile falsch sind. […] Und wenn das alles noch keine Philosophie bildet, so summiert es sich sicherlich zu einer Haltung: flach, unfähig, jeden dauerhaften Ansturm zu überleben, aber einfach anzunehmen."
Philosophieren ist dagegen das Bemühen, den Logos der Welt, der diese Welt notwendigerweise transzendiert, in harter Denkarbeit zu begreifen. Und dabei oft zu scheitern und sich zu verirren - doch nur, wer den Weg verliert (im Wissen, daß es ihn gibt) lernt ihn kennen; Irrwege und Umwege zeigen den richtigen Weg.
Ich muss zugeben, ein wenig enttäuscht bin ich schon. Habe mich gefreut , zu Beginn des Artikels den Namen
Josef Pieper zu lesen. Ich finde diesen katholischen Philosophen einfach grossartig. Habe im Oktober 1981 das Glück
gehabt, einen Vortrag von ihm zu erleben. Immer wieder greife ich zu seinem Büchlein " Das Viergespann", in dem
er Kluges über die Tugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß formuliert. Nicht vergessen habe ich seine
grossartige Aussage in seinem Vortrag : " Lob der Tapferkeit hängt von der Gerechtigkeit ab. Ich kann nicht tapfer sein auf der Seite des Bösen". Mit diese Einstellung/ Erwartung begann ich den Artikel zu lesen. Und nun : zu viel Kant, der mich ziemlich kalt lässt, aber zu wenig Pieper. Ich hoffe sehr und erwarte, dass die angekündigte Reihe in "kleinen Dosen" den Schatz von Josef Pieper birgt für alle, die in der heutigen unruhigen Zeit nach Orientierung suchen.
Auf diese Serie freue ich mich – habe zwar vor Jahren mal ein, zwei Schriften von Pieper gelesen, mich darüber hinaus aber nie tiefgreifender mit ihm befasst. Diese Einleitung habe ich aber schon mit Gewinn gelesen und freue mich auf mehr.