Religion ist Tazsache
Dass die linke Tageszeitung taz mit der Religion auf Kriegsfuß steht, ist nichts Neues. Dass sie sich allerdings Sorgen darum macht, dass die Bewegung der selbstklebenden Klimaaktivisten zu religiös wird, ist tatsächlich erstaunlich. Am Karfreitag titelte das Blatt „Die Letzte Generation ist zu religiös“!
Was ist der Grund? Beten die jungen Leute gar den Rosenkranz oder sind sie beharrliche Evangelikale, die die Schöpfung retten wollen, weil sie sich sonst von Gott verdammt sehen?
Die Sache liegt ein wenig anders: „Gerade an Ostern fällt mir auf, wie religiös die ‘Letzte Generation’ eigentlich ist“, schreibt der taz-Redakteur Kersten Augustin. Und weiter:
„Es ist nicht nur der Name, der verrät, dass ihre Mitglieder im Konfirmationsunterricht besonders fleißig waren. Es ist die Selbstinszenierung als Märtyrer, die aus der Ablehnung durch die Mehrheit ihre Bestätigung zieht. ... Jesus nimmt an Ostern die Schuld der Menschheit auf sich, um sie zu erlösen. Und in dieser Geste steckt auch das Problem der Letzten Generation und ihrer Anhänger. Statt die Menschen in ihren Autos zum gemeinsamen Kampf zu bewegen, übernehmen sie als Märtyrer die Last.“
Man ist links, aber ohne Eifer
Mit anderen Worten: Egal ob real christlich oder parareligiös, die taz ist grundsätzlich gegen so etwas wie eine individuelle Entscheidung für eine Minderheitenangelegenheit, die jemand derart zu Ende führt, dass er selbst dadurch Schaden erleidet, womöglich sogar stirbt. Martyrium ist etwas, das die Coolness dieser Sorte von Linksintellektualismus nicht verträgt.
Man ist links, aber ohne Eifer. Denn Eifer ist pubertär. Und pubertär ist das Einfallstor für Religion. Und Religion ist der schlimmste Feind aller Sesselpupser.
Es liegt mir fern, hier eine Lanze für die „Letzte Generation“ zu brechen. Was nur auffällt, ist das Unverständnis, ja geradezu die Abneigung der Vertreter der für unsere Gesellschaft typischen linksliberalen Lebenseinstellung für die notwendige Verbindung zwischen Erlösung und persönlichem Opfer.
Man macht sich Sorgen um die jungen Leute, nicht weil man ihre Ziele für falsch hält, sondern weil man mit ihrem ganzheitlichen Engagement nichts anfangen kann, das ganz offenbar Anleihen am christlichen Märtyrertum nimmt, wenn es bis zum Äußersten persönlicher Einschränkungen und gesundheitlicher Repressalien zu gehen bereit ist.
Am Ende spöttelt der Artikelschreiber: „Für die Märtyrer der Letzten Generation habe ich einen Vorschlag: Packt den Sekundenkleber ein, der hält eh nicht so gut wie Nägel. Ruht euch über die Feiertage aus, vielleicht fällt euch eine sinnvollere Aktion ein.“
Christen können mit dem Staat in Konflikt geraten
Dieses kleine, aber interessante Schlaglicht beleuchtet das Denken großer Bevölkerungsanteile in unserem Land. Im Umkehrschluss bekommen die Christen das nicht weniger zu spüren, wenn es um das Verständnis für das geht, was sie an Ostern feiern.
Die einen tippen sich an die Stirn, wenn es um das Bekenntnis eines menschgewordenen Gottes geht, der am Kreuz zur Erlösung der Menschen stirbt und dadurch deren Tod besiegt, indem er ihm die Vernichtung nimmt und ein Ewiges Leben an seine Stelle setzt.
Andere sind geradezu erbost über die Christen, die den aufgeklärten Menschen des 21. Jahrhunderts solche Ammenmärchen aufbinden, die sie in gefährlicher Weise wahrheitssüchtig und inkompatibel mit einer Gesellschaft machen, die ja gerade frei von allem sein will außer vom Diktat, bindungslos sein zu müssen.
Christen werden gefährlich für das Staatswesen, wenn sie sich nicht nur auf ihren Glauben als Privatsache beschränken, sondern ihn missionarisch bewerben, gar bis zur Aufgabe ihres eigenen Lebens. So sahen es schon die römischen Kaiser der Verfolgungszeit zwischen dem ersten und dem Anfang des vierten Jahrhunderts.
Die Botschaft von der Auferstehung Christi – das war dem in die Jahre gekommenen Imperium Romanum ein Dorn im Auge – verhindert ungebremsten Lustgewinn und autonome Moral, denn wer an Christus, den Auferstandenen glaubt, richtet sich nach dessen Ansprüchen schon allein deswegen, weil er mit Christus in den Himmel kommen will.
Die Märtyrer der ersten drei christlichen Jahrhunderte sind nicht für ihre Nächstenliebe hingerichtet worden, sondern für ihre Weigerung, nach den gottlosen Regeln ihrer Zeit zu spielen und damit Christus zu verraten und sein Kreuzesopfer zu diskreditieren.
So verweigern sie das Weihrauchkorn vor dem Standbild des Kaisers, ihre Teilnahme an Orgien, jede Form von Relativierung ihres Glaubens und jede Anpassung an das von Hedonismus geprägte Lebensgefühl ihrer Zeit.
Auch die Christen der Gegenwart können nicht unsichtbar bleiben
Und nun mag man zwei und zwei zusammenzählen bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie es heute um die Christen bestellt ist und künftig sicherlich auch sein wird, wenn sie – wie kürzlich geschehen – tatsächlich das Bekenntnis des auferstandenen Herrn Jesus Christus feiern und nicht nur ein traditionelles Kulturgebimmel am Osterhasen-Frühlingsfest.
Denn dann ist die Antwort unausweichlich, dass sich die Christen der Gegenwart, die umgeben sind von mehrheitlich agnostisch und glaubenslos geprägten, zumindest aber ahnungslosen Zeitgenossen, mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass das Zeugnis für den Glauben an die Erlösung durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi sie nicht unsichtbar lassen kann.
Sie ist mehr und mehr eine Herausforderung für die Welt, in der sie leben. Und dass das christliche Bekenntnis spaltet, so wie es immer sortiert hat in Menschengruppen, die sich das Bekenntnis zu Jesus Christus und zu seiner diese Welt relativierenden Botschaft zu Herzen gehen lassen und solche, die es ablehnen oder gar für gesellschaftsschädlich halten.
Die Polarisierung ist biblisch angekündigt
Nicht zuletzt ist diese Polarisierung – also der Gottseibeiuns aller aufgeklärten Einheitsfetischisten – sogar biblisch angekündigt, wenn Jesus Christus allen, die an ihn glauben und ihn bekennen, verheißt, dass sie sich damit automatisch zwischen die Stühle begeben: „Brüder werden einander dem Tod ausliefern und Väter ihre Kinder, und die Kinder werden sich gegen ihre Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet werden.“ (Mk 13,12 f)
In diesem Punkt sind die Christen mit der „Letzten Generation“ durchaus in einem Boot, jedenfalls, was die Sorgen der taz betrifft. Denn sie kommen nicht umhin, sich die Erlösungstat Jesu Christi nicht nur zustimmend, aber distanziert anzuschauen, sondern sich mit ihr so zu verbinden, dass sie ihnen in Fleisch und Blut übergeht. Erst dann werden sie Zeugen der Auferstehung sein.
Ja, die Welt braucht Märtyrer, Zeugen! Nicht zwangsweise Blutzeugen, aber Herzblutzeugen, die – wie Jesus Christus selbst – zur Hingabe bereit sind. Wo das fehlt – da haben wir speziell in der deutschen Kirche derzeit den besten Beleg –, wird die Wahrheit Christi unsichtbar. Sie stört nicht mehr, aber sie erlöst auch niemanden mehr.
Das zeigt uns in der Tat die Klimabewegung und erinnert an das, was sie von den Christen, oder im Fall der Christen in unseren Breiten: von deren Vorfahren gelernt hat.
Kommentare