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Pro-Abtreibungsparole in ÖRR-Format

„Thank God for abortion“ ist dem WDR nicht extrem genug

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland (ÖRR) hat eine herausgehobene Position. Er ist mit einem Budget – das größtenteils zwangsweise durch nahezu jeden Haushalt und jedes Unternehmen erbracht wird – von neun Milliarden Euro riesig und er muss sich nicht den Gesetzen des Marktes unterwerfen. Dafür gelten für ihn besondere Regeln.

In den Medienstaatsverträgen der Bundesländer heißt es zum Auftrag des ÖRR:

„Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration, den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den gesamtgesellschaftlichen Diskurs in Bund und Ländern fördern.“

Hierfür betreibt der ÖRR auch mehr als 650 Social-Media-Kanäle, 2023 waren es noch 800. Einer von ihnen ist der Instagram-Kanal „cosmo“, der von Westdeutschem Rundfunk (WDR) und Radio Bremen betrieben wird. Zusammen mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) betreiben die Anstalten den gleichnamigen Radiosender.

In der Selbstbeschreibung heißt es: „Wir sind das weltoffene, internationale Radioprogramm in Deutschland.“ Und: „Manche mögen’s deutsch, andere wollen mehr verstehen.“ Die Redaktion („ein buntes Team“) kenne sich aus „im neuen Deutschland, und wir haben die besten Geschichten aus dem globalen Dorf“. Ziel sei es, die „weltoffenen Menschen“ zu vernetzen, die „über alle Grenzen hinwegwollen“.

ÖRR-Kanal wittert „rechte Vereinnahmung“

Die lange Einleitung ist nötig, um zu verstehen, dass das, worüber nachfolgend berichtet wird, kein Fehler oder Zufall gewesen ist. Vor einer Woche veröffentlichte „cosmo“ auf Instagram einen Beitrag mit dem Titel „Romantisierung und rechte Ideologien“. Es geht um das Social-Media-Phänomen „CottageCore“, wobei Nutzer meist idealisierte und romantisierte Beiträge, Bilder und Videos vom Leben auf dem Land präsentieren.

„Cosmo“ wittert nun eine „rechte Vereinnahmung“ dieses Phänomens. „Durch die naturverbundene und feminine Ästhetik fällt Hassrede viel weniger auf. Die Videos wirken oft harmlos und sind dann mit rechtradikaler (sic!) Musik unterlegt.“ So weit, so erwartbar.

Obwohl man den von Zwangsgebühren lebenden Mitarbeitern des „cosmo“-Kanals sicher kein Unrecht tut, wenn man sie als links bezeichnet (entsprechende Themenwahl und -kuratierung, bezeichnende Wortwahl, penetrantes Gendern usw.), versuchen sie trotz allem, ihrer Arbeit einen sachlichen Anstrich zu geben.

Journalisten haben einen Trick dafür, wenn sie ihre Meinung in einen Beitrag verpacken wollen, aber selbst neutrale Beobachter bleiben wollen: Man befragt einen Experten, der das sagt, was man eigentlich selbst sagen möchte, aber nicht sagen darf. Im Fall „cosmo“ und „CottageCore“ nimmt diese Rolle Sarah Held ein. Held wird auf dem Portal „Speakerinnen“ als „Kulturwissenschaftlerin und Kunstschaffende“ vorgestellt, die als „PostDoc an der Akademie der bildenden Künste sowie als Lektorin für Fashion und Gender Studies an der Kunstuniversität Linz“ arbeitet.

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Im „cosmo“-Beitragt sagt sie, die „CottageCore“-Szene sei ein „supertoller Nährboden“, um sie mit „rechtsextremen Gedanken“ aufzuladen und sich „normzuwaschen“. Es folgt die obligatorische Einordnung: „Was nicht mehr als Glatze oder Alt-Fascho daherkommt, ist aber immer noch derselbe xenophobe, misogyne, queerfeindliche und faschistische Bullshit.“

„Danke Gott für die Abtreibung“

Was dem geneigten Betrachter dieser Einordung auffällt, ist neben Helds betont infantiler Sprache, ihrer rosa Schildmütze und ihren mit Tattoos übersäten Armen das schwarze T-Shirt, das sie prominent einem Publikum von 76.100 Followern präsentieren darf.

Darauf steht in großen Lettern: „Thank God for abortion“ – „Danke Gott für die Abtreibung“. Versehen ist der Ausspruch mit einer gekreuzigten Gebärmutter. Blasphemisch? Provokativ? Geschmacklos? Ja, ja und ja. Trägt das zur im Medienstaatsvertrag festgelegten Förderung des „gesellschaftlichen Zusammenhalts“ und des „gesamtgesellschaftlichen Diskurses“ bei? Nein, nein und nein.

 

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Corrigenda hat beim für „cosmo“ hauptverantwortlichen WDR nachgefragt. Was sagt die Rundfunkanstalt dazu, wenn eine ihrer Redaktionen derartig radikal-atheistische Slogans verbreitet? Gibt es Kriterien für Experten hinsichtlich ihrer Kleidung und deren politischer oder religiöser Botschaften, die über sie transportiert werden? Schließlich hätte es die Möglichkeit gegeben, nur Helds Kopf abzubilden oder ihr zu sagen, es tue uns ja leid, aber mit diesem Outfit können Sie im ÖRR nicht auftreten.

Antwort vom WDR: „Grundsätzlich ist die Kleidung von Protagonist:innen Privatsache, den Redaktionen steht es aber frei, in Extremfällen  wie verfassungswidrige Symbole – einzugreifen.“ Auf die anderen Fragen ging der WDR-Sprecher nicht ein, jedoch beweist die Stellungnahme: Helds T-Shirt war „cosmo“ und dem WDR nicht extrem genug. Dabei gibt es kaum etwas Schlimmeres als den Tod eines kleinen, unschuldigen Menschen – und nichts anderes ist Abtreibung bei aller Schwere und Komplexität der Entscheidung.

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Expertin Held engagiert sich in Wiener Abtreibungsverein

Dass der WDR von Helds extremistischem Kleidungsstück überrascht wurde, kann ausgeschlossen werden. Denn gibt man ihren Namen in Suchmaschinen ein, stößt man sehr schnell auf den Verein „Changes for Women“ mit Sitz in Wien, dessen „Spendenmanagerin“ Held ist. Was macht der Verein? Er berät über die Möglichkeiten von Abtreibungen und unterstützt „ungewollt Schwangere in Notlagen bei der Finanzierung eines gewünschten Schwangerschaftsabbruchs“.

Wenn man schon mal in einem WDR-Kanal auftritt, kann man ja auch gleich noch für sein Anliegen werben, auch wenn es mit dem Thema des Beitrags nichts zu tun hat.

 

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