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Nur Elend, nur Jammer?

Das Licht ist viel stärker

Anfang Januar: winterliche Tristesse und Dunkelheit. Der Frühling ist noch weit. Auch sonst scheint der Blick wenig Tröstliches zu erhaschen. Die Politik? Ein Hauen und Stechen, zumal jetzt im Wahlkampf. In der Gesellschaft? Mehr Vereinzelung, mehr Ungeduld, mehr Gewalt. Die Wirtschaft? Auf dem falschen Weg. Eine unbestimmte Gereiztheit liegt über dem Land, es ist wahrlich ein Winter des Missvergnügens. Oft fällt der Satz, gern von einem Seufzer begleitet: „Früher war alles besser“.

Höchste Zeit für einen Muntermacher! Denn stimmt das überhaupt, dass wir in Zeiten des Niedergangs leben, die Herrlichkeiten einst größer, schöner, heller waren? Vielleicht lohnt es sich doch, ein wenig genauer hinzuschauen. Der zweite Blick kann Erstaunliches offenbaren. So wird schon seit alters her gern über den Zustand der Jugend geklagt. Es gibt wenige gesellschaftliche Konstanten, die sich derart bruchlos bis in fernste Vergangenheiten verfolgen lassen.

Schon vor 5.000 Jahren ritzte ein empörter sumerischer Schreiber seinen Unmut in eine Tontafel. „Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“, steht da bis heute zu lesen. Eine chaldäische Klage vor 3.000 Jahren klingt ebenfalls nur allzu vertraut: „Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten.“

Auch der griechische Philosoph Sokrates wusste wenig Ruhmreiches über den Nachwuchs seiner Zeit zu berichten, wenn er urteilte: „Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer“. So ziehen sich die negativen Kommentare bis in die Gegenwart, wo ähnliches zu hören ist.

Die Jugend ist optimistisch

Sozial verwahrlost sei die Jugend, nur noch am Daddeln auf dem Handy interessiert, ganz schlimm sei es seit der Corona-Pandemie geworden, heißt es. Und dann schlägt vor ein paar Wochen die 19. Shell-Jugendstudie wie ein Blitz ein und wirft diese scheinbar sicheren Erkenntnisse über den Haufen. Was die Studie herausgefunden hat: Die Jugendlichen sind wach, informiert und blicken keineswegs negativ in die Zukunft. Zwar ist die Sorge vor Krieg in Europa deutlich gewachsen, gleichzeitig sind junge Menschen viel neugieriger auf politische Themen. Der Anteil der politisch Interessierten wuchs seit 2002 von 30 auf heute 50 Prozent der Befragten. Mehr als zwei Drittel wissen um die Notwendigkeit einer starken Nato, auch, um die von 75 Prozent geschätzte Demokratie zu sichern.

Für über 80 Prozent sind neben Fleiß auch Recht und Ordnung wichtig. Obwohl beinahe sämtliche Medien seit langem für „bunte“ und „vielfältige“ Lebensentwürfe trommeln, zu denen Abtreibung als vermeintliches Menschenrecht dazugehöre, ist mit 68 Prozent der Kinderwunsch bei den 12- bis 25-Jährigen seit über 20 Jahren erstaunlich stabil. Eine vertrauensvolle Partnerschaft und ein gutes Familienleben stehen bei den jungen Deutschen ganz oben. Dabei befürwortet sogar fast die Hälfte das traditionelle Familienmodell mit dem „Mann als Allein- oder Hauptversorger“.

So düster die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung auch sein mag: Noch nie waren so viele Jugendliche optimistisch, ihre beruflichen Ziele zu erreichen. Glaubten 2006 nur 61 Prozent, nach der Ausbildung einen Arbeitsplatz zu finden, sind es heute 92 Prozent. Und während 2006 nur 66 Prozent der Befragten davon ausgingen, ihre Berufswünsche verwirklichen zu können, sind es heute 84 Prozent. Insgesamt blicken so viele Jugendliche optimistisch in die Zukunft der Gesellschaft wie seit 25 Jahren nicht mehr. Das klingt fast unwirklich. Jugendlicher Optimismus trotz Corona, trotz russischem Krieg gegen die Ukraine, trotz Migrationskrise.

Wir leben besser und länger

Dieser grundsätzlich positive Blick auf die Welt hat tatsächlich gute Gründe, man muss sie nur sehen wollen. Zahlreiche Entwicklungen zeichnen das Bild der Verbesserung der Lebensumstände, unter denen viele Menschen leben. Das zeigen schon einige zufällig ausgewählte Beispiele. So war die Kindersterblichkeit noch vor hundertfünfzig Jahren auch in Deutschland eine tödliche Geißel. Im Jahr 1870 starb noch jedes vierte Kind unter fünf Jahren, während heute nur noch etwa drei von 1.000 Lebendgeborenen sterben.

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Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessert, andererseits auch die Ernährung, die Hygiene, die Säuglingspflege und die medizinischen Möglichkeiten.

 

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Ein anderes, ganz aktuelles Beispiel liefert der Klimawandel. Die zunehmende Erwärmung der Temperaturen führe zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Die Medien sind voll von Warnungen, flache Inseln vor allem im Pazifik wie etwa Fidschi, Samoa, Tonga oder Tuvalu seien vom Untergang bedroht, flache Küstenregionen des Festlandes stünden vor der Überflutung. So warnten die Vereinten Nationen schon vor 35 Jahren, das im flachen Ganges-Delta gelegene Bangladesch stehe innerhalb der kommenden zehn Jahre vor einer Katastrophe. Und, herrscht dort wie vorhergesagt tatsächlich Land unter? Keineswegs. Das Land ist sogar größer geworden, seit 1990 ist es um 2.677 Quadratkilometer gewachsen.

Diese Landvermehrung ist vor allem der Aufforstung der Küste durch Mangroven zu verdanken. Zudem wurde ein ganzes System von Deichen und Poldern geschaffen. Die Folge: es sterben viel weniger Menschen. So tötete der Zyklon „Bhola“ 1970 durch Überschwemmungen fast eine halbe Million Menschen. 50 Jahre später traf der noch stärkere Zyklon „Amphan“ an gleicher Stelle auf das Land, doch es starben nur noch 128 Menschen.

Ingenieurskunst statt Weltuntergangsbeschwörung

Auch die Geschichte von den ertrinkenden Inseln stellt sich bei näherer Betrachtung nicht mehr ganz so finster dar. Obwohl der Meeresspiegel seit 30 Jahren pro Jahr um ca. drei Millimeter ansteigt, sind viele Inseln im Südpazifik nicht wie befürchtet untergegangen. Sie sind gewachsen. So hat sich das Inselreich Tuvalu ebenfalls vergrößert.

Pazifikinseln sind dynamische Systeme, die Sedimentierung an den Küsten und das Wachstum der Korallen gleichen den Meeresspiegelanstieg aus. Andere Inselstaaten wie die Malediven schaffen künstlich neues Land, zum Beispiel für Siedlungen und Flughäfen. Auch die Niederlande, zu drei Vierteln unter dem Meeresspiegel gelegen, zeigen, dass Ingenieurskunst ein besserer Überlebensgarant ist als Schwarzseherei.

Auch sonst gibt es viele positive Zeichen. Noch in den 80er Jahren fürchteten wir uns vor dem Ozonloch, seit dem Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) 1989 scheint diese Gefahr erfolgreich überwunden. Die Ozonschicht ist laut Messungen dabei, sich zu erholen. Und während wir in Deutschland das Waldsterben beklagen, nimmt gleichzeitig die Waldfläche im Land wie in ganz Europa kontinuierlich zu.

Kultur des Lebens

Am Ende bedeuten all diese Entwicklungen vor allem eines: den Sieg der Kultur des Lebens. Diese Erfolge können Trost und Zuversicht geben. Und das ist auch nötig, denn mitten in all dem Guten, das menschliche Umsicht und Tatkraft zu schaffen vermögen, ist die Mühe um seine Bewahrung nicht zu Ende.

Unter dem Vorwand von Menschlichkeit und Menschenrechten ist die Abtreibungslobby umtriebiger denn je, auch wenn die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in den vergangenen 25 Jahren deutlich zurückgegangen ist. Daneben finden Vorschriften zur Sterbehilfe, also Euthanasie, in einer steigenden Zahl von Ländern Eingang ins gesetzliche Regelwerk. In Belgien etwa ist, anders als in Deutschland, die aktive Sterbehilfe legal. Von 2003 bis 2023 stieg dort die Zahl der Fälle von 259 auf 3.423.

Es bleibt also noch viel zu tun.

 

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