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Weltanschauliche Differenzen der Generation Z

Männer sind vom Planeten Rechts, Frauen vom Planeten Links

Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus – das sagt zumindest der gleichnamige Bestseller. Ein Artikel der Financial Times (FT) scheint die These zu bestätigen: Junge Männer der Generation Z haben eine zunehmend rechte Weltanschauung, junge Frauen eine zunehmend linke. Der Artikel aus der britischen Tageszeitung sorgte auch in deutschen Medien für Aufmerksamkeit, da die Journalisten nicht nur eine Grafik für Großbritannien, sondern auch eine für die USA, Südkorea und Deutschland erstellten. In all diesen Industrieländern scheint sich dasselbe Szenario abzubilden: Zwischen den 18- bis 29-jährigen Männern und Frauen klafft eine größer werdende weltanschauliche Lücke, oder wie es die FT nannte: ein Ideology-Gap.

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Die Grafik für die USA stützt sich unter anderem auf Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass es seit den 1990er Jahren eine prinzipielle Verschiebung nach links in der Weltanschauung der US-Amerikaner allgemein gibt, diese aber bei jungen Frauen viel stärker ausgeprägt sei. Von 1999 bis 2013 bezeichneten sich etwa drei von zehn Frauen im Alter von 18 bis 29 Jahren als linksliberal, danach stieg die Zahl bis 2020 auf 44 Prozent. Der Anteil ging 2022 und 2023 leicht zurück auf 41 Prozent beziehungsweise 40 Prozent. Demnach sind junge Frauen zwischen 18 bis 29 Jahren die linksliberalste Gruppe. 37 Prozent aus dieser Gruppe bezeichnen sich als moderat.

Männer jeden Alters hingegen bezeichnen sich als weniger linksliberal als Frauen. Mit 15 Prozentpunkten ist der Unterschied bei der Generation Z jedoch am größten. 44 Prozent der Männer dieser Gruppe bezeichnen sich als weltanschaulich moderat, 29 Prozent als konservativ und 25 Prozent als linksliberal.

Zusammengefasst lässt sich für die USA sagen, dass allen voran Gen-Z-Frauen linksliberaler wurden, Gen-Z-Männer seit 1999 eher stabil blieben in ihrer Weltanschauung.

#MeToo verantwortlich für Linksruck unter Frauen

Als einen Grund für diesen Linksruck unter jungen Frauen nennt Daniel Cox, Direktor des Meinungsforschungsinstituts Survey Center on American Life, die 2017 aufkommende #MeToo-Bewegung. Ausgelöst wurde sie dadurch, dass Frauen dem Hollywood-Filmproduzenten Harvey Weinstein öffentlich sexuellen Missbrauch vorwarfen. Das führte dazu, dass sich tausende Frauen auf „X“ (vormals Twitter) trauten, offen über sexuelle Übergriffe zu sprechen. Die Bewegung führte zu einer US-weiten Solidarisierungswelle unter jungen Frauen, schrieb Cox in einem Artikel.

Diese neue Solidarisierung macht der Direktor auch dafür verantwortlich, dass laut Umfragen seit 2017 zum ersten Mal eine Mehrheit der Frauen angibt, einen weiblichen Chef zu bevorzugen.

Generell habe der Feminismus für eine wachsende Anzahl von Männern weniger mit der Gleichberechtigung der Geschlechter zu tun als vielmehr mit einem generellen Angriff auf das männliche Geschlecht, schreibt Cox. Er nennt eine Umfrage aus dem Jahr 2022, laut der 46 Prozent der Männer unter 50 Jahren, die die Demokraten wählen, der Meinung sind, dass der Feminismus mehr Schaden als Nutzen angerichtet habe.

TikTok, Instagram & Co. vergrößern das Gap

Frauen suchten in linken Narrativen nach Antworten auf ihre Probleme, Männer in rechten, meint Cox. Beide Geschlechter haben gemein, dass sie sich zunehmend unsicher fühlten – was dazu führt, dass sie sich immer weiter voneinander entfernten. Junge Männer suchten sich vermehrt Vorbilder wie den Influencer Andrew Tate, der im Dezember 2022 in Rumänien festgenommen wurde wegen Verdachts auf Menschenhandel und Vergewaltigung. Er befand sich bis August letzten Jahres unter Hausarrest. Das Gerichtsverfahren hat noch nicht begonnen.

„Kulturelle Entrepreneurs“ wie Andrew Tate würden das Narrativ verbreiten, dass es Männern schlecht gehe, weil Frauen Rechte und Vorteile erhalten, meint Alice Evans gegenüber der britischen Tageszeitung The Guardian. Evans ist Dozentin am King’s College London, und ihr Buch „The Great Gender Divergence“ erscheint in diesem Jahr. Die Wissenschaftlerin bezeichnet die Erzählung, wonach es Männern schlechter gehe, wenn es Frauen besser gehe, als „Nullsummen-Mentalität“.

Als weiteren Grund für das zunehmende weltanschauliche Gap zwischen den Geschlechtern nennt Evans die sozialen Medien. Durch die Algorithmen auf Plattformen wie Instagram oder TikTok könnten junge Menschen durch ein schier endloses Angebot an Videos zu beispielsweise progressiven Themen wie Feminismus oder zu rechtsextremen Inhalten immer weiter politisiert werden.

Wahlstatistik der Bundestagswahl bestätigt den Trend

Auf welchen Daten die Grafik für Deutschland aus der Financial Times basiert, ist nicht ersichtlich. Als Quelle ist lediglich angegeben, dass sie aus „allgemeinen sozialen Umfragen“ hervorgehen. Der Autor des Artikels antwortete bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes nicht auf die Corrigenda-Anfrage. Doch wirft man einen Blick auf repräsentative Wahlstatistiken der vergangenen Bundestagswahlen, geht daraus hervor, dass junge Frauen eher linke Parteien, junge Männer tendenziell rechte wählen. Deutlich wurde das auch beim Urnengang 2021.

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Die Geschlechterdifferenz der 18- bis 24-Jährigen bei der deutschen Bundestagswahl 2021 zeigt: Am größten war die Differenz bei FDP und Grünen. Über 20 Prozent der jungen Männer gaben ihre Stimme den Freien Demokraten, bei den jungen Frauen waren es unter 15 Prozent. Bei den Grünen ist es umgekehrt. Mehr als 27 Prozent der jungen Frauen wählten die linksliberale und ökosoziale Partei, doch weniger als 20 Prozent der jungen Männer entschieden sich für sie. Bei der AfD liegt die Geschlechterdifferenz bei 2,6 Prozentpunkten. Zu bedenken ist aber, dass die absolute Zahl der AfD-Wähler dieser Alterskohorte um ein Vielfaches geringer ist als die der Grünen. Weniger als fünf von hundert jungen Frauen wählte die Alternative für Deutschland. Bei CSU, CDU und SPD ist die Differenz marginal.

Definitionen von Mannsein fehlen

Für Rüdiger Maas, den Inhaber des Instituts für Generationenforschung, ist es kein neues Phänomen, dass Männer tendenziell konservativer und Frauen liberaler sind. Dieser Trend werde schon länger beobachtet. „Jedoch konnten wir auch in unserer Generation-Thinking-Studie belegen, dass es in einigen Bereichen wie Familiengründung, ‘Mehr-Zeit-für-meine-Familie’ sowie ‘Familie und Beruf vereinbaren’ einen Gegentrend gibt. Hier gleichen sich sogar die Geschlechter an“, sagt der Psychologe und Jugendforscher gegenüber Corrigenda.

Wie die britische Forscherin Evans nimmt auch Maas wahr, dass die Stärkung der Frauenrolle „bei einigen männlichen Vertretern anscheinend zu Unsicherheiten führt“. „Manche haben das Gefühl, ihre Rolle sei dadurch schwerer zu definieren. Sprich: Frauen sollen in die Vorstandsebene, wo soll ich als junger Mann hinstreben?“, erklärt Maas. Etwa jeder fünfzehnte Mann der Gen-Z empfindet das als Benachteiligung seiner Rolle.

Vorbilder wie Andrew Tate gäben in dieser komplexer werdenden Situation unterkomplexe Antworten. Influencer wie er würden genau von dieser Gruppe unsicherer junger Männern viel Zuspruch bekommen, weil sie die fehlende Definition eines Mannes neu beleben und die Rolle des Mannes klar vorgeben.

Unsichere Männer, die sich zu Andrew Tate flüchten, sind in der Minderheit

Maas erklärt gegenüber Corrigenda weiter: „Man darf nicht vergessen, dass die Generation Z nie wirklich für Frauenrechte kämpfen musste. Das waren die Vorgängergenerationen. Für die Männer der Gen-Z war es einfach schon normal, dass Frauen die gleichen Rechte haben. Wieso hier noch das Forcieren von ‘noch’ mehr Rechten? Die Frauen sehen dies anders, da viele Vertreterinnen der Gen-Z immer noch eine Ungleichbehandlung empfinden.“

Junge Männer, die aufgrund der eigenen Unsicherheit Antworten bei Social-Media-Stars wie Tate suchen, der sage, Frauen seien das Eigentum eines Mannes, sollten zu Hause bleiben und nicht Auto fahren, seien aber eine Minderheit.

Heinzlmaier: Polarisierung zwischen reich und arm größer

Von einem „drastischen Unterschied“ zwischen den 18- bis 29-jährigen Männern und Frauen würde der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier nicht sprechen. Die Studien des sich in Deutschland und Österreich befindenden Jugendforschungsinstituts T-Factory, dessen Geschäftsführer Heinzlmaier ist, zeigen eine viel deutlichere Polarisierung zwischen oberen und unteren Gesellschaftsschichten als zwischen Geschlechtern. „Das obere Gesellschaftsdrittel wählt stark linksliberal, desto weiter man nach unten kommt, wählen die Leute konservativ oder rechts – auch innerhalb der Generation Z“, sagt Heinzlmaier gegenüber diesem Onlinemagazin.

Frauen der unteren Schichten jeden Alters würden genauso häufig wie Männer Parteien des rechten Randes wie AfD oder FPÖ in Österreich wählen. Jenseits von akademischen Schichten würden sich Menschen eher nicht für Debatten wie #MeToo interessieren und weniger mit Geschlechterrollen hadern.

Welche Auswirkungen haben die Differenzen auf Beziehungen?

Nun stellt sich die Frage, ob die politischen Differenzen, die sich in der Generation Z teilweise beobachten lassen, Auswirkungen auf Beziehungen haben könnten. Kann Politik zum Hindernis für Liebesbeziehungen werden?

Dominik Batthyány, der das Institut für Verhaltenssüchte an der Sigmund-Freud-Universität in Wien leitet, kann aus seinem Alltag als Paartherapeut erzählen: Eine junge Frau unter 30 suchte ein Erstgespräch auf. Sie ist seit mehreren Jahren in einer stabilen Beziehung, doch diese droht nun auseinanderzubrechen. Seit einiger Zeit, erzählt Batthyány, sehe sich ihr Freund nämlich YouTube-Videos von Andrew Tate an und fange an, Meinungen des Männer-Influencers zu übernehmen. Mit denen könne sie allerdings nichts anfangen und mache sich nun Sorgen über die Zukunft der Beziehung.

„Was sagt das über die Bedürfnisse von Männern und Frauen aus, wenn sie in bestimmte politische Ecken driften?“, fragt sich Batthyány. Er sieht darin auch eine Suche nach der eigenen Geschlechteridentität und das Gefühl, diese in einer bestimmten Weltanschauung womöglich bestätigt zu finden.

Dem Psychotherapeuten ist aufgefallen, dass es vermehrt erfolgreiche Influencer wie beispielsweise Dan Bacon gibt, die über männliche beziehungsweise weibliche Bedürfnisse reden und darüber, was Frauen von Männern wollen und umgekehrt.

Wenn Beziehungen Tiefe erreichen, tritt Politik in den Hintergrund

Wenn das Pärchen, bei dem sich durch die Ansichten des Influencers Andrew Tate Beziehungsprobleme eingeschlichen haben, in eine Paartherapie käme, gehe es in erster Linie darum zu schauen, welche Bedürfnisse, Gefühle und auch Ängste hinter dieser Begeisterung für eine bestimmte Meinung stecken. „Warum begeistert mich das, warum ist das ein Vorbild für mich, und warum ist mir das auf persönlicher Ebene so wichtig geworden?“ Dann bewege sich das Gespräch von diesem Influencer hin zu der Person mit ihren ganz eigenen Wünschen und Gedanken.

Die politische Differenz kann allerdings hinderlich sein beim Entstehen von Beziehungen, warnt Batthyány. „Weil sich Mann und Frau oftmals zunächst auf einer oberflächlichen Ebene begegnen – genauso, wie man sich als erstes womöglich sexuell oder erotisch attraktiv oder anziehend findet“, erklärt er. Doch im Idealfall bleibe die Beziehung nicht an seichten Merkmalen wie körperliche Attraktivität, Intelligenz oder Charme stehen. Das Ziel sei, dass die Beziehung immer mehr in die Tiefe gehe, sodass der Partner unverwechselbar wird für den anderen. „Hier treten dann auch politische Ansichten in den Hintergrund, weil das Du sichtbarer und wichtiger wird.

In dem Kontext zitiert Batthyány den Philosophen Robert Spaemann: „Wer auf die Frage, warum er diesen Menschen liebt, eine Antwort geben kann, der liebt noch nicht wirklich. Man liebt eben einen Menschen, kein Bündel von Eigenschaften.“

 

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Kommentare

Kommentar
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JP Görtz
Vor 9 Monate

Das Ganze erscheint mir deutlich komplexer. Es geht nicht nur um Rechte. Es geht auch nicht nur um Rollen. Es geht um Reaktion auf wahrgenommene Realität. Je mehr die Krise sich zusammenbraut, sind die Reaktionen anders. Wenn Männer nicht gebraucht und gerufen werden, kommen sie alleine mit Krisen deutlich besser zurecht (und sei es durch Coping wie Games etc. - oder aber auch als Einzelkämpfer). Ihnen fehlt deutlich weniger, um zu überleben. Frauen hingegen suchen bei Krisen die Gemeinschaft deutlich dringender. Nun sind sie durch den Feminismus verleitet worden zu glauben, sie könnten schon alleine zurechtkommen. Na ja, wenn man nachts nicht mehr ausgehen kann, dann ist das schon ein Problem. Wer soll da helfen, wenn man nicht einen Mann fragen will (wie altmodisch und unemanzipiert). Dann halt "den Staat" und die, die Abhilfe durch Gesetz und Polizei versprechen. Männer mögen das nicht so, weil ihnen eben Freiheit wichtiger ist, sie sich bessere Ergebnisse vom Alleine-Sein versprechen. Das Gleiche gilt für tausende materieller Bedürfnisse. Die sind nicht einfach zu vergessen. Wer soll die Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser denn bauen - wenn nicht Männer? Man hat einfach vergessen, wie man Männer motiviert. Und das geht durch: Bitte, Dank und Respekt. Nicht durch Geschrei. Auf emotionalisierter Appell-Ebene kommt man nicht an sie heran. Das ist natürlich tragisch für beide Geschlechter. Aber erst wenn die Frau zum Mann sagt: Ich brauche dich! bewegt der sich und findet dann heraus, dass er auch die Frau braucht. Seelisch. Zur Fortpflanzung. Für das Schöne (und Gute und Wahre). Aber das sind in Krisenzeiten eben keine Werte an und für sich.

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JP Görtz
Vor 9 Monate

Das Ganze erscheint mir deutlich komplexer. Es geht nicht nur um Rechte. Es geht auch nicht nur um Rollen. Es geht um Reaktion auf wahrgenommene Realität. Je mehr die Krise sich zusammenbraut, sind die Reaktionen anders. Wenn Männer nicht gebraucht und gerufen werden, kommen sie alleine mit Krisen deutlich besser zurecht (und sei es durch Coping wie Games etc. - oder aber auch als Einzelkämpfer). Ihnen fehlt deutlich weniger, um zu überleben. Frauen hingegen suchen bei Krisen die Gemeinschaft deutlich dringender. Nun sind sie durch den Feminismus verleitet worden zu glauben, sie könnten schon alleine zurechtkommen. Na ja, wenn man nachts nicht mehr ausgehen kann, dann ist das schon ein Problem. Wer soll da helfen, wenn man nicht einen Mann fragen will (wie altmodisch und unemanzipiert). Dann halt "den Staat" und die, die Abhilfe durch Gesetz und Polizei versprechen. Männer mögen das nicht so, weil ihnen eben Freiheit wichtiger ist, sie sich bessere Ergebnisse vom Alleine-Sein versprechen. Das Gleiche gilt für tausende materieller Bedürfnisse. Die sind nicht einfach zu vergessen. Wer soll die Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser denn bauen - wenn nicht Männer? Man hat einfach vergessen, wie man Männer motiviert. Und das geht durch: Bitte, Dank und Respekt. Nicht durch Geschrei. Auf emotionalisierter Appell-Ebene kommt man nicht an sie heran. Das ist natürlich tragisch für beide Geschlechter. Aber erst wenn die Frau zum Mann sagt: Ich brauche dich! bewegt der sich und findet dann heraus, dass er auch die Frau braucht. Seelisch. Zur Fortpflanzung. Für das Schöne (und Gute und Wahre). Aber das sind in Krisenzeiten eben keine Werte an und für sich.