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Männer-Bashing

Der Erbsünder

Die deutsche Stadt Mainz hat so einiges zu bieten, hier wurde beispielsweise der moderne Buchdruck erfunden, hier unterhält das ZDF sein fulminantes Hauptquartier, und hier sitzt auch das rheinland-pfälzische Landessozialgericht. Letzteres waltete im Schatten des Mainzer Domes Ende des Jahres 2021 seines Amtes und gab einer Klägerin Recht, deren Krankenkasse die Kostenübernahme einer bestimmen Operation verweigert hatte.

Zank- und eben auch Adamsapfel war der Kehlkopf der Transfrau, der auch nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen immer wieder für Irritationen sorgte; daher sollte er weichen. Nach der etwas skurril anmutenden Inaugenscheinnahme des Halses durch den Senat – die Klägerin trug eingangs einen Schal – wurde schließlich befunden, dass die Krankenkasse die Gelder locker machen müsse. So weit, so rechtens.

Tatsächlich ist der Adamsapfel etwas, das explizit mit dem männlichen Geschlecht verbunden ist, und wer sich fragt, warum jener eigentlich so genannt wird, landet schnell bei der Bibel. Bis heute erinnert er uns an die verhängnisvollen Umstände, die zur Vertreibung aus dem Paradies geführt haben sollen, und biologische Männer erinnert er an das eigene, manche sozusagen an das frühere Geschlecht.

Klimawandel, Kriminalität, Verkehrsrowdys: Immer sind’s die Männer!

Was uns allen aus dem Paradies bleibt, ist neben dem männlichen Hals dann noch die Erbsünde. Und wie es sich mit einer solchen lebt, erfahren dieser Tage eben vor allem die jüngeren Männer der westlichen Zivilisation.

Denn wer Anfang des 21. Jahrhunderts als Mann lebt, dem ist allerhand Schuld aufgeladen – zumindest, wenn man dem Verständnis linker und linksliberaler Welterklärer anhängt. Wird man als Mann im Westen geboren, so gehört man nicht nur zur angeblich privilegiertesten Gruppe der Welt, sondern muss auch mit einer großen Verantwortung leben.

In Zahlen ausgedrückt sind das zum Beispiel 63 Milliarden Euro pro Jahr, die „Männer und ihr Verhalten den Staat jährlich kosten“, so titelte an diesem Mittwoch die deutsche Zeitung Welt. Durch Verkehrsunfälle, Kriminalität und Befeuerung des Klimawandels würden „Männer“, so berichtet es der Wirtschaftsforscher Boris von Heesen im Interview klagend, der Gesellschaft umfangreiche Kosten aufbürden. Sie verursachten mehr Verkehrsunfälle, äßen mehr Fleisch und belegten 94 Prozent der Plätze in Gefängnissen.

Ein Umgang mit Männern, wie er mit keiner anderen Gruppe toleriert würde

Auch außerhalb von Welt-Interviews ist die Stimmung gegenüber Männern spürbar angespannt. Patriarchat, Marktwirtschaft, neuerdings auch die Ehe: Alles Institutionen, die Männer geschaffen haben, um andere zu unterdrücken. Wenn da mal keine Scham aufkommt!

Schon die Idee, Statistiken auf eine solche Art zu lesen und zu instrumentalisieren, könnte ebenso amüsant wie absurd klingen. Immerhin ist ein derartiges Schubladendenken nicht nur an sich bereits völlig irritierend, es lässt sich zudem jede Statistik polit-polemisch interpretieren. So sind Frauen 17 Prozent häufiger krankgeschrieben als Männer, belegen 66 Prozent der Pflegeheime, und unsere Kinder tragen kaum zum Bruttoinlandprodukt bei.

Die Realität ist aber weniger witzig. Denn in der zeitgenössischen gesellschaftlichen Diskussion, in der Individuen vor allem über ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe und deren Beitrag zum Gemeinwesen (und ihren Status als Opfer) definiert werden, erleben junge Männer zusehends das Gefühl des Abgehängtseins. Die Gesellschaft begegnet ihnen immer häufiger mit Vorbehalten, für deren Entstehung sie absolut keine Verantwortung tragen – und doch müssen sie sich scheinbar rund um die Uhr dafür rechtfertigen. Es ist in Mode gekommen, auch jenseits von Späßen mit den Angehörigen des männlichen Geschlechts umzugehen, wie wir es mit keiner anderen Gruppe tolerieren würden.

Aufgewachsen mit dem Verdikt „toxischer Männlichkeit“

Wer sich vernünftig mit Statistiken und anderen Untersuchungen beschäftigen will, dem zeichnet sich jedoch ein besorgniserregendes Bild. Gerade junge Männer bleiben in westlichen Gesellschaften zunehmend auf der Strecke. In klassischen Studienfächern wie Medizin oder Jura sind sie seit Jahrzehnten in der Minderheit, in der Schule schneiden sie sowieso schlechter ab. Offizielle und unausgesprochene Frauenquoten sind an der Tagesordnung, von der Machtstellung einiger weniger „alter, weißer Männer“ habe die jüngeren gar nichts – insbesondere, wenn sie aus dem Prekariat stammen.

Vor allem dort bestimmt die Realität der Scheidungskinder oder der Vaterlosigkeit den Lebensweg. Bei allen Männern, insbesondere bei denen unter 40, werden psychische Belastungen und Erkrankungen zudem häufig gar nicht oder fehldiagnostiziert. Das verwundert nicht, wenn man sich vorstellt, dass jene in einem Umfeld aufgewachsen sind, in denen konsequent „toxische Männlichkeit“ unterstellt wird, also nicht das individuelle Verhalten, sondern das Männlichsein als solches problematisch sein soll.

Vielleicht konzentriert sich unsere Gesellschaft so sehr darauf, mit den Erbsündern unserer Zeit abzurechnen, dass sie aus dem Blickfeld verliert, wie sehr eine ganze Generation mit diesen Vorhaltungen zu kämpfen hat. Womöglich braucht es nicht weniger Männlichkeit, sondern einfach nur weniger falsche und mehr richtige Vorbilder, die bei jungen Menschen einen reifen Umgang mit der eigenen Natur inspirieren.

Jugendlichen nicht abstrakte Sünden einreden, sondern sie positiv begleiten

Es hat nichts Positives, Heranwachsenden, die nach ihrem Weg suchen, eine vermeintliche Erbschuld aufgrund ihres Geschlechts vorzurechnen – männlich zu sein ist weder ein Vergehen noch ein Privileg. Unterstützen wir Jugendliche mit und ohne Adamsapfel dabei, ihren Weg zu gehen, ohne sie mit den Sünden der Väter belasten zu wollen. Es braucht dabei keine Sündenböcke, um bestehende Ungerechtigkeiten für Frauen zu beseitigen. Dieses gesellschaftliche Klima führt am Ende ohnehin nur zu den bereits feststellbaren Gegenreaktionen, die die künstlichen Fronten zwischen den Geschlechtern nur verhärten, aber nicht auflösen werden.

Zurück nach Mainz. Wer sich hier über Männer aufregen will, dem sei der lokale Fußballverein, das ZDF oder die rheinland-pfälzische Politik nahegelegt. Neben der Rechtsgeschichte werden hier aber auch Meilensteine in der Männerarbeit bezeugt, zum Beispiel im Väter-Coaching der Mainzer Männerinitiative (MMI). Es ist schön zu sehen, wie erwachsene Typen sich zum Wohle aller zusammenschließen und sich über ein positives Selbstbild definieren. Es reicht, mit der einen Erbsünde zu leben, eine weitere brauchen wir nicht. Stehen wir hier als Gesellschaft unseren Mann.

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Kommentare

Kommentar
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JP Görtz
Vor 9 Monate

Danke. Sehr richtig. Und sehr wichtig. Ich empfehle dringen das Buch "No Apologies - Why the survival of Civilization depends on men". 65 Milliarden kosten wir den Staat also pro Jahr... Nun ja, bei mehr als 3800 Milliarden BSP (vermutlich 2/3 von Männern erarbeitet) wirklich kein Problem. Männer machen die Dinge, in und mit und von denen wir leben. Punkt. Das ist gar kein Wettbewerb. Wir sollten nicht in Wettbewerb mit Frauen gehen, weil das nie ein fairer Wettbewerb sein kann. Und keiner sein soll. Die größten Mächte in der Welt: Neid / Gier und schlechtes Gewissen (aus Faulheit zu denken). Das spielt sich in dem Thema ab.

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JP Görtz
Vor 9 Monate

Danke. Sehr richtig. Und sehr wichtig. Ich empfehle dringen das Buch "No Apologies - Why the survival of Civilization depends on men". 65 Milliarden kosten wir den Staat also pro Jahr... Nun ja, bei mehr als 3800 Milliarden BSP (vermutlich 2/3 von Männern erarbeitet) wirklich kein Problem. Männer machen die Dinge, in und mit und von denen wir leben. Punkt. Das ist gar kein Wettbewerb. Wir sollten nicht in Wettbewerb mit Frauen gehen, weil das nie ein fairer Wettbewerb sein kann. Und keiner sein soll. Die größten Mächte in der Welt: Neid / Gier und schlechtes Gewissen (aus Faulheit zu denken). Das spielt sich in dem Thema ab.