Liebe in Zeiten von Tinder
Die Frage nach dem richtigen Lebenspartner bleibt eine der spannendsten und wesentlichsten in unserem Leben. Gerade wenn wir christlich und konservativ geprägt sind, überlegen wir, wo man Frauen und Männer kennenlernen kann, mit denen man gemeinsame Werte teilt.
Haben wir es heute dank der digitalen Möglichkeiten leichter oder hindern sie uns daran, den Idealen treu zu bleiben? Hat der Zeitgeist unsere Ansprüche an den künftigen Partner beeinflusst oder sehnen wir uns immer nach denselben Qualitäten? Ein kleiner Einblick in die Welt des Datings.
Unsere Eltern lernten sich noch in Discos kennen und schrieben Briefe. Uns stehen heute endlose Online-Räume offen, die sich mit einer Fingerbewegung von der Wohnzimmercouch aus betreten lassen. Ob es ein Segen oder Fluch ist, müssen wir selbst entscheiden. Sicher träumen wir alle von romantischen ersten Begegnungen wie in Filmszenen: auf einer Parkbank, im Museum oder bei einer Reise.
Digitaler Liebes-Wettbewerb
Leider ist es oft so, dass es in unserem unmittelbaren Umfeld nicht viele ähnlich gesinnte Menschen gibt. Kein Wunder, dass wir nach allen Möglichkeiten suchen, mit solchen Menschen in Kontakt zu treten, mit denen wir das wollen. Dazu gehören auch soziale Medien.
Nie war es einfacher, eine Konversation anzufangen, als durch die Chat-Funktion bei Instagram, Facebook oder WhatsApp. Nie war das direkte Angebot an möglichen Partnern, die man zeitnah kennenlernen kann, größer als in den digitalen Dating-Portalen.
Und doch können uns diese Netzwerke schnell ermüden und frustrieren, weil es sich oft um einen oberflächlichen Wettbewerb handelt, der sich noch dazu mittels Bildschirm abspielt. Es sind ja Profile, die wir dort erstellen, Avatare, die nicht viel über uns verraten.
Bei Tinder nicht nur das eine
„Tinder“ ist nicht nur die bekannteste Dating-App, sondern auch die mit dem schlechtesten Ruf. Zu Recht? Immer wieder staune ich, wenn mir Freunde berichten, dass sie bei Tinder nicht nur nach einem „Date“, sondern auch nach einer festen Beziehung suchen. Oft sind es Menschen mit einem abgeschlossenen Studium, die erfolgreich im Berufsleben stehen. Nur die Liebe bleibt aus. Der Vorteil von Tinder ist, dass man schnell viele Menschen kennenlernen kann – und offenbar auch einige Gute.
Dafür muss man bereit sein, eine Wisch-und-weg-Nummer auf dem Markt der möglichen Dates zu sein und anhand weniger Angaben beurteilt und verurteilt zu werden. Nicht selten passiert es, dass sich jemand mit mehreren Menschen zeitgleich verabredet und am Ende kühl aussortiert. Wie sich das dann auf das Selbstwertgefühl und Selbstbild des Dating-Partners auswirkt, können wir uns denken.
Daten für „Cons“: Wo sind die Frauen?
Einen deutlich besseren Ruf haben Portale wie „ElitePartner“ und „Parship“, die mit einem seriösen Service und hoher Erfolgsquote werben. Durch die gründlichen Persönlichkeitstests soll die Möglichkeit erhöht werden, einen passenden potenziellen Partner kennenzulernen.
„KathTreff“ wird wiederum all jenen empfohlen, die den vielfältigen Wegen Gottes auch in der katholischen Online-Welt Raum überlassen wollen. Und das, ähnlich den Platzhirschen auf dem Markt, auch grenzüberschreitend in immerhin 13 europäischen Ländern und neun Sprachen.
Ein Nachteil der digitalen Partner-Börsen besteht auch im Ungleichgewicht der Geschlechter. Laut dem GlobalWebIndex (GWI) sind 62 Prozent der befragten Tinder-Nutzer männlich. Unlängst wurde in den USA eine Dating-App für Konservative gelauncht, bei der man die Bewertungen der Abonnenten auf eine einzige Frage reduzieren konnte: Wo sind die Frauen? Während dieses Ungleichgewicht Männer in einen Konkurrenzkampf bringt, werden Frauen von den zahlreichen Angeboten und Anfragen erschlagen.
Ansprüche an Männer sind heute andere
Nicht nur in den digitalen Netzwerken haben es die Männer heute schwer: junge und mittelalte Männer gehören laut Psychologen zu den einsamsten Gruppen, die in unseren individualistischen Gesellschaften leben. Diese These wurde kürzlich im Magazin Psychology Today erklärt.
Der Therapeut Greg Matos beschrieb mehrere Phänomene. Vor allem die Tatsache, dass die Frauen heute viel höhere Ansprüche an Männer stellen, als es früher üblich war. Und das nicht im Hinblick aufs Materielle, sondern auf die Kommunikation und mentale Gesundheit. Frauen würden gewisse Verhaltensweisen nicht mehr tolerieren, und dies verändere die Gesamtsituation in den Beziehungen.
Ein Therapeuten-Rat von Mann zu Mann
Immer mehr Frauen gehen zu Kursen oder Therapien und sind auf dem psychologischen und emotionalen Feld den Männern überlegen. Die logische Konsequenz davon ist, dass sie es auch von Männern erwarten. Es sei laut Matos eine wichtige Aufgabe der Familie, die Kinder mit den nötigen kommunikativen Fähigkeiten auszustatten.
Den Männern rät er nur eins: an sich zu arbeiten und die nötigen Fähigkeiten zu erlernen, die man für eine gute Beziehung braucht. Dazu gehört auch psychologische Hilfe, wenn nötig, um sich selbst und seine Verhaltensweisen besser zu verstehen. Viele Frauen halten das heute für einen Teil der notwendigen menschlichen Reife für eine Beziehung.
Manieren, Bildung, Witz – die Klassiker halt
Überhaupt ist die Arbeit an sich selbst – am Inneren und am Äußeren – der beste Weg, um den Partner zu finden, den wir uns wünschen. Es ist kein Geheimnis, dass ein attraktives Aussehen und Erfolg im Leben unsere Chancen bei der Partnersuche erhöhen. Es gibt aber auch viele andere Faktoren, mit denen man immer punktet: gute Manieren, Bildung, Humor.
Das weibliche Publikum weiß einen klugen, witzigen „Normalo“ eher zu schätzen als einen Macho, dessen Bilder in den sozialen Netzwerken verraten, dass zu seinen größten Vorlieben nicht nur das Fitnessstudio, sondern vor allem er selbst gehört. Umgekehrt gilt genauso: Eine gute Figur und ein hübsches Gesicht bei einer Frau sind von Vorteil, aber nichts geht über eine liebevolle Art und einen intelligenten Geist.
Ich bin überzeugt: Das Leben hält viele Überraschungen und wunderbare Begegnungen für uns bereit. Es liegt an uns, die Augen offen zu halten und uns auf diese Gelegenheiten einzulassen. Dabei aktiv vorzugehen und sich selbst formen zu lassen, dürfte auf diesem Weg hilfreich sein.
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