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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Schrecken und Beruhigungspillen

Die italienische Insel Lampedusa ist gerade mal wieder die unfreiwillige Anlegestelle Nummer eins der Welt. Zu Tausenden kommen dort Flüchtlinge an. Allerdings nicht, um sich an den schönen Stränden am seichten Wasser zu verlustieren. Es zieht sie weiter. Dorthin, wo Milch und Honig fließen.

Die Politik in der Schweiz, wo es weder an Milch noch an Honig mangelt, sieht das locker. Auch wenn sie im Süden an Italien grenzt. Nur drei Prozent der Flüchtlinge, die im Tessin die Grenze überqueren, würden auch bleiben, sagt Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider von den Sozialdemokraten. Der Rest nutze das Land lediglich für den Transit in andere Länder.

Woher die Zahl von drei Prozent kommt, ist unklar. Sollten es Erfahrungswerte von früher sein, müsste man der Ministerin erklären, dass sich Dinge verändern können. Wie viele der Geflüchteten in der Schweiz abtauchen, ohne sich ordentlich zu melden, ist ohnehin unklar. Zudem ist es auch nicht besonders freundlich gegenüber den Nachbarn, beispielsweise Deutschland, die 97 Prozent, die danach woanders landen, als unproblematisch zu bezeichnen.

Mediale Charmeoffensive für Flüchtlinge

Parallel dazu läuft eine Charmeoffensive der Medien zugunsten von Flüchtlingen. Wirtschaftsprofessoren rechnen vor, dass diese in der Endbilanz mehr Wertschöpfung für die Schweiz erbrächten, als sie Leistungen beziehen. Das mag für den deutschen Ingenieur zutreffen, der ordentlich Steuern berappt und in seine eigene Altersvorsorge einzahlt. Die Menschen vom Strand in Lampedusa können kaum gemeint sein. Eine Vollkostenrechnung, die Sozialgelder und die wachsenden Kosten im Strafvollzug durch ausländische Täter einbezieht, kann gar nicht positiv ausfallen.

Was hier als Wissenschaft verkauft wird, ist in Wahrheit Politik. Die Migration beschäftigt die Menschen. Und in wenigen Wochen wird die Bundesversammlung, das nationale Parlament, neu gewählt. Alle Umfragen zeigen, dass die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), bereits größte Kraft im Land, zulegen wird. Sie hat die Zuwanderung zum Wahlkampfthema Nummer eins gekürt. Deshalb gilt es jetzt, allen, die das nicht wollen, zu vermitteln, dass diese gar kein Problem ist.

Der Vorgang zeigt die gezielte Ambivalenz der Regierung in Kooperation mit den Medien. Bei der Migration vernebeln sie ein echtes Problemfeld und verteilen Beruhigungspillen – alles halb so schlimm! In den drei Jahren davor versetzten sie die Bevölkerung hingegen bewusst in Angst und Schrecken, als es um ein Virus ging.

Gestern Corona, heute Migration

Mit den täglichen „Corona-Tickern“, unablässigen Schlagzeilen über Todesopfer und einer Pressekonferenz nach der anderen wurde eine Gefahr heraufbeschworen, die dann zum „richtigen“ Verhalten führen sollte. Dieses sah so aus: Kritikloses Befolgen aller Vorgaben, Mittragen aller Maßnahmen, Impfung. Etwa zwei Drittel der Schweizer wurden erfolgreich in Angst versetzt und taten wie geheißen.

Aber einen „Migrations-Ticker“ gibt es bis heute nicht. Niemand will sagen, was auf uns zurollen könnte. Im Gegenteil. Lampedusa reicht noch nicht. Die erwähnte Elisabeth Baume-Schneider plant gerade ein fixes Asylangebot an alle Frauen aus Afghanistan. Weil diese allein aufgrund ihrer Herkunft sowieso immer gefährdet seien, sollen sie ausnahmslos kommen dürfen. Tun sie das, dürfen sie später ihre Familie nachziehen.

Die Warnung vor einer „Zehn-Millionen-Schweiz“ durch die SVP wird von ihren Gegnern belächelt. Geht es aber so weiter, könnte sie laut Berechnungen in etwas mehr als zehn Jahren erreicht sein. Nicht durch den gezielten Zuzug von Fachkräften, sondern wegen Leuten, die in aller Regel direkt im Sozialsystem landen. Aber auch einen „Zuwachs-Ticker“ gibt es nicht. Obwohl eine solche Bevölkerungsexplosion massive Auswirkungen auf Infrastruktur, Wohnungsmarkt, Gesundheits- und Bildungssystem haben wird.

Zwischen Schrecken und Zwangsberuhigung

Zuckerbrot und Peitsche war gestern. Heute wird wahlweise mal Schrecken verbreitet, mal zwangsberuhigt. Je nachdem eben, wie sich das Volk verhalten soll. Die seit Jahren anhaltende Massenzuwanderung stellt die Schweiz vor Probleme, wie es ein Virus nie hätte schaffen können. Der Klimawandel übrigens auch nicht. Aber während die reale Lawine der Migration auf das Land zurollt, muss man zuerst einmal dringend ein „Klimaschutzgesetz“ mit Zielen bis 2050 durchbringen. Schließlich räumt man ja zu Hause auch zunächst gemütlich den Keller auf, wenn es im Dachgeschoss brennt.

Man kann, wenn man wohlmeinend ist, das so erklären, dass die Politik die echten Nöte der Menschen da draußen einfach nicht kennt. Meint man es weniger gut, könnte man auf die Idee kommen, dass diese Verzerrung der Wirklichkeit eine gezielte Strategie ist. Ein Ablenkungsmanöver nach dem andern soll die Sicht auf die realen Probleme versperren – bis es zu spät ist.

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Kommentare

Kommentar
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H.u.P.Dornfeld
Vor 1 Jahr 1 Monat

Ja, das versteht kein Mensch, weshalb es hier keinen Notfallplan gibt und die Verwerfungen der gescheiterten Integration in allen Ländern ringsum noch immer kein abschreckendes Beispiel sind und zum Umdenken zwingen. Sogar im schwerfälligen Deutschland dürfte sich beim Thema Migration etwas bewegen. Allerdings: Der hiesige Tag der Einheit hätte Versöhnungspotential haben können, aber die Nachrichten berichteten von ostdeutschen Wahlen pro AfD, als "größter Bedrohung des Wohlstands, weil Investoren deshalb den Wirtschaftsstandort Deutschland meiden" würden. Dagegen, dass dieser Feiertag von Muslimen als 'Tag der offenen Moscheen' gekapert wurde, hat niemand etwas, im Gegenteil, sämtliche Nachrichten wiesen freundlich einladend darauf hin.
Deshalb danke auch für die Erinnerung an so wichtige Beiträge wie den von Trankovits über Flüchtlings-Krawalle in Frankreich und an Theisens 'Grenzen Europas'. Man sollte sie immer wieder lesen.

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H.u.P.Dornfeld
Vor 1 Jahr 1 Monat

Ja, das versteht kein Mensch, weshalb es hier keinen Notfallplan gibt und die Verwerfungen der gescheiterten Integration in allen Ländern ringsum noch immer kein abschreckendes Beispiel sind und zum Umdenken zwingen. Sogar im schwerfälligen Deutschland dürfte sich beim Thema Migration etwas bewegen. Allerdings: Der hiesige Tag der Einheit hätte Versöhnungspotential haben können, aber die Nachrichten berichteten von ostdeutschen Wahlen pro AfD, als "größter Bedrohung des Wohlstands, weil Investoren deshalb den Wirtschaftsstandort Deutschland meiden" würden. Dagegen, dass dieser Feiertag von Muslimen als 'Tag der offenen Moscheen' gekapert wurde, hat niemand etwas, im Gegenteil, sämtliche Nachrichten wiesen freundlich einladend darauf hin.
Deshalb danke auch für die Erinnerung an so wichtige Beiträge wie den von Trankovits über Flüchtlings-Krawalle in Frankreich und an Theisens 'Grenzen Europas'. Man sollte sie immer wieder lesen.