Direkt zum Inhalt
Die Zivilisation retten, aber welche?

Die ungeklärte Frage im Denken des Elon Musk

Fünf Viertelstunden unterhielten sich Elon Musk und Alice Weidel am 9. Januar 2025 übers Internet. Eineinhalb Millionen sollen das Gespräch innerhalb der ersten zwölf Stunden gehört haben. Elon Musk hatte sich bereits am 20. Dezember beim Mainstream unbeliebt gemacht, weil er auf X twitterte: „Nur die AfD kann Deutschland retten.“ Das wiederholte er in seinem Gastbeitrag in der Welt am Sonntag am 28. Dezember und im Gespräch mit Alice Weidel. Schnappatmung bei allem links von der AfD.

Keine Frage: Wenn der reichste Mann der Welt und antibürokratischer Kehrbesen von Donald Trump eine Empfehlung ausspricht, hat das Einfluss auf die Meinungsbildung deutscher Wähler. Darf er es deswegen nicht? Bundeskanzler Olaf Scholz meinte, doch, man darf auch Dinge sagen, die nicht richtig seien – er zum Beispiel.

Es hörte sich an wie ein Kamingespräch von Freunden. Es wurde viel gelacht. Das häufigste Wort im politischen Teil des Gesprächs dürfte „crazy“ gewesen sein. Dass die Migrationspolitik von Ex-Kanzlerin Angela Merkel und die Energie-, Wirtschafts- und Asylpolitik der Ampel „crazy“ ist, dem dürfte inzwischen die Mehrheit der Deutschen zustimmen, die nicht mehr wissen, wie sie die ruinösen Konsequenzen bezahlen sollen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. 

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Vor allem der Schlussteil ab Minute 56 war interessant, den Weidel mit der Frage einleitete: „Warum glauben Sie, dass der Flug zum Mars und die Besiedelung des Mars die höchste Priorität bei Space X hat?“ 

Musk macht sich Sorgen um das Weiterbestehen der Zivilisation auf der Erde. Er fragt: „Welche Schritte können wir unternehmen, um das Leben, wie wir es kennen, und das Bewusstsein (consciousness) langfristig zu erhalten?“ Die Lebenserwartung einer „multi-planetaren Spezies“ sei um vieles höher als von einer „ein-planetaren Spezies“. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Menschheit auf der Erde ausgelöscht werde, etwa durch einen thermonuklearen Krieg oder einen großen Meteor. Nun sei es zum ersten Mal möglich, unser Bewusstsein über die Erde hinaus auszudehnen. Dafür gebe es alle zwei Jahre ein schmales Zeitfenster, das wir nutzen müssten. Bereits in zwei Jahren werde die erste unbemannte Rakete zum Mars starten, in vier Jahren die erste bemannte. 

Dann müssten 100 Millionen Tonnen Güter auf den Mars transportiert werden, um dort eine Million Menschen anzusiedeln in einer Stadt, die irgendwann keinen Nachschub von der Erde mehr brauchen würde. Die Marsianer könnten uns dann zu Hilfe eilen, wenn es einen Notstand auf der Erde gebe, so wie es die Amerikaner nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg für Deutschland und Europa getan hätten.

„Ich bin durchaus offen für die Idee von Gott“

Wenn die Zivilisation auf dem Mars etabliert und damit gerettet sei, dann gehe es weiter zum Saturn und zum Jupiter und irgendwann zu den Sternen. Alle schweren Elemente in unserem Körper hätten sich im Kern eines Sterns gebildet, der explodierte, um Billionen Jahre später die Erde und Menschen zu bilden. „Wer weiß, vielleicht entdecken wir dort Spuren von untergegangenen Zivilisationen, die Millionen Jahre Bestand hatten. Wir wollen keine von diesen lahmen ein-planetaren Zivilisationen sein. Jede Zivilisation mit Selbstrespekt sollte mindestens zwei-planetar sein.“

Mit Verlaub, Elon, crazier geht’s nimmer in meinen irdischen Augen. 

Alice Weidel stellt schließlich die entscheidende Frage: Do you believe in God? Sind diese Elemente rein zufällig neu geordnet worden, so dass die Erde und der Mensch daraus entstanden? Musk wird schwammig: 

„Ich bin durchaus offen für die Idee von Gott, und wenn Sie fragen, woher kam eigentlich das Universum und wie wurde es geschaffen, ehm ..., dann vermute ich, dass es eine Entität geben könnte, die man Gott nennen könnte, ehm ..., ich weiß es nicht. Aber das ist eine andere Frage als die, ob es eine Entität gibt, die unsere täglichen Handlungen beobachtet und ein moralisches Urteil darüber fällt. Das scheint nicht der Fall zu sein, denn es geschehen sehr böse Dinge in der Welt. Wenn uns da jemand ständig mit einem moralischen Maßstab beobachtet, dann ist es doch sonderbar, dass so viel schlimme Dinge geschehen dürfen. Aber ich weiß es nicht. Ich bilde meine Meinungen auf Grund dessen, was ich lerne, und ich strebe danach, meine Meinungen zu ändern, um sie damit in Übereinstimmung zu bringen.“ 

Stark beeinflusst habe ihn die Lektüre von Nietzsche und Schopenhauer, als er in einer existentiellen Krise mit zwölf oder dreizehn Jahren nach dem Sinn des Lebens gesucht habe. Ziemlich deprimierend, meint er heute und nicht die richtige Lektüre für ein Kind. Eine Erleuchtung sei für ihn später das Buch von Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis“, gewesen. 

Musk throws his weight around, er scheint also doch noch Hoffnung für die Erde zu haben. Er mischt sich ein in die Politik in den USA, wo er nach der erfolgreichen Wahlkampagne zu einem Buddy von Trump geworden ist, in England, wo er die Inhaftierung des Premierministers Keir Starmers fordert, in Italien und jetzt auch in Deutschland.

Welche Art von Zivilisation will Musk retten?

Darf er seine Meinung nicht sagen, weil sie viele hören? Hat jemand von den EU-Funktionären je etwas dagegen gehabt, dass George Soros linke sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) finanziert und 22 Prozent der Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorher Lobbyisten in einer Soros-NGO waren (Report des „European Centre for Law and Justice“)? Oder gegen den Auftritt von Bill Gates im April 2020 in den ARD-„Tagesthemen“, um zu fordern, dass die Weltbevölkerung mit dem von ihm mit geförderten mRNA-Impfstoff geimpft werden müsse? 

Hat einer von denen, die durch ein Gespräch von Musk und Weidel die Demokratie gefährdet sehen, protestiert, als im Januar 2021 der Account des Präsidenten der USA namens Donald Trump auf Twitter gelöscht wurde, als Twitter (nun X) noch nicht Elon Musk gehörte? Oder gegen die Zensurpraxis von Facebook und Co., die Meta-Chef Mark Zuckerberg angeblich nie gewollt, aber trotzdem umgesetzt hat.

 

> Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge

 

Aber kommen wir zurück zu Musks Rettungsplänen für unsere Zivilisation. Ich hätte da ein paar Fragen, mal abgesehen davon, dass man auf dem Mars nicht atmen kann, weil die Luft zu 95 Prozent aus CO2 besteht (was ist mit der Klimaneutralität der Marsianer?), dass die Durchschnittstemperatur minus 63 Grad Celsius beträgt und dort bestimmt kein Vögelchen zwitschert und auch kein Grashalm wächst – also abgesehen von diesen Unpässlichkeiten: Welche Art von Zivilisation will Musk retten? Was macht das Leben lebenswert? Was gibt ihm Sinn? Warum sollte die eine Million Menschen, die Musk auf den Mars schießen will, gut sein und gegebenenfalls die Erde retten wollen? Warum schlagen sich die Menschen nicht auch dort die Köpfe ein, wie sie es immer getan haben, seit es Menschen gibt? Wie wird aus der Zivilisation eine Kultur, die Schönes, Gutes und Wahres hervorbringt?

„Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig“

Als die Menschen noch in die Kirche gingen, wurden sie Sonntag für Sonntag aufgefordert, gut zu sein und sich am Gründer dieser Religion ein Beispiel zu nehmen, der von sich sagt: „Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Als der junge Adelige Alexis de Tocqueville Anfang der 1830er Jahre in Amerika das politische System der Demokratie studierte, kam er zu dem Schluss: Die Menschen müssen von sich aus gut sein wollen, damit Demokratie funktioniert – eine Einsicht, die der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde so formuliert hat: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“

Es müsste den genialen Elon Musk doch wundernehmen, dass ein Mensch, der vor zweitausend Jahren drei Jahre lang gelehrt und Wunder vollbracht hat, ein paar dünne Schriften hinterlassen und zwölf Apostel in die große weite Welt geschickt hat, um sie von seinen Ideen zu überzeugen, dass daraus die wunderbare europäische Kultur entstanden ist und sich Millionen lieber töten lassen, als Jesus Christus zu verraten. 

Musk verschließt sich nicht der Idee, dass es eine Entität gewesen sein könnte, die das Universum geschaffen hat. Aber der eigentliche Knackpunkt ist seine zweite Frage, ob es einen Gott gibt, der alles sieht und moralische Urteile über unser Tun und Lassen fällt, also das Schreckgespenst des strafenden Gottes. Gäbe es ihn, so dürfte es nicht so viel Böses auf der Welt geben, meint Musk – aber das ist eine dritte Frage, zu der die Brücke fehlt: Nämlich die Idee, dass Gott ein allmächtiger und liebender Gott ist. Erst dann stellt sich das Theodizee-Problem. 

Vielleicht wird Musk den Becher der Naturwissenschaft noch leeren, über den der Physiker Werner Heisenberg sagt: „Der erste Schluck macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.“  

 

> Kennen Sie schon unseren Corrigenda-Telegram- und WhatsApp-Kanal?

67
2

4
Kommentare

Kommentare