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Weg aus dem Chaos

Den Logos entdecken: Wie Europa seine Schönheit wiederfindet

Der Petersdom in Rom, die Kathedrale von Florenz, der Kölner Dom, Notre Dame de Paris – die Liste ließe sich endlos fortführen. Die beeindruckendsten Bauwerke in den großen Städten Europas sind Kirchen. Das besondere an den Bauwerken der Gotik und des Barock ist, dass sie keine reinen „Zweckbauten“ sind, sondern Monumente, Kulturwunder, in Stein gemeißelte Kunstwerke, die die höchste Pracht entfalten, die damals möglich war.

Wie kann es sein, dass man in der Vergangenheit wunderschöne und gigantische Prachtbauten erschuf, während man heute, in einer Zeit, die wesentlich mehr technische und architektonische Möglichkeiten hat, Beton und Pragmatismus bevorzugt? Nicht bloß der „Palast der Republik“ in der Nachbarschaft zum Berliner Dom war eine Bausünde. Die Architektur der Gegenwart ist nahezu gänzlich von einer Zweckmäßigkeits-Ideologie befallen, nach dem Motto: „Form follows function“. Ohne Stuck, ohne Schnörkel, ohne filigrane Kunst und alles, was einen Bau wirklich einzigartig und schön macht.

Es gibt glücklicherweise Versuche, die Schönheit in der Architektur wiederzugewinnen, wie in Poundbury in Südengland, im Hamburger Kontorhausviertel, im Budaer Burgviertel oder durch die Wiedergewinnung der Frankfurter Altstadt. Sie sind, wenn überhaupt, aber nur die Ausnahme, die die Regel bestätigen.

Darin liegt die Ursache für den hässlichen Pragmatismus

Die Ursache für den hässlichen Pragmatismus liegt darin, dass Europa den Logos vergessen hat. Der altgriechische vorsokratische Philosoph Heraklit hat den Begriff geprägt, und von da an wurde er zu einer europäischen Erfolgsgeschichte, ja zum geistesgeschichtlichen Exportschlager schlechthin. Logos (λόγος) ist ein zentraler Begriff der altgriechischen Kultur. Er deckt sowohl den Bereich der Sprache als auch den der Vernunft ab. So kann Logos sowohl mit „Wort“ als auch mit „Vernunft“ übersetzt werden.

Der Logos-Gedanke geht auf die Vorstellung einer göttlichen Ordnung zurück, die allem zugrunde liegt. Im Neuen Testament wird diese Terminologie übernommen. Damit wird der Logos zum geistesgeschichtlichen Gründungsmythos Europas: „Im Anfang war der Logos, / und der Logos war bei Gott, / und der Logos war Gott. Im Anfang war er bei Gott. Alles ist durch ihn geworden / und ohne den Logos wurde nichts, was geworden ist … Und der Logos ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Johannes 1,1-3, 13).

Wenn der Logos vergessen wird, fällt Europa ins Chaos, in die Welt der Gefühle oder in den hässlichen Pragmatismus. Der Logos ist grundlegend für Philosophie, Naturwissenschaft, Theologie und Kultur. Der Tod des Logos ist identisch mit dem Gottestod. Nietzsche erkennt das in der „Fröhlichen Wissenschaft“ und schreibt:

„Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht?“

Damit beschreibt Nietzsche eine europäische Kultur, die sich vom Logos losgesagt hat. Es ist nicht mehr klar, wo oben und unten ist, was richtig und falsch. Die Kultur fällt ins Chaos und muss sich neu finden. Weil es nicht möglich ist, eine große Geschichte neu zu erfinden, folgt auf das Ende des Logos der Pragmatismus, eine dunkle Überlebensstrategie.

Die Ordnung ist nicht mehr auf ein höheres Ziel ausgerichtet

Der Architekt des Bauhauses schlechthin, Walter Gropius, hat genau das ausgesagt. Für ihn hat die Architektur vor allem einen pragmatischen Zweck: „Ein Ding ... soll eine Funktion praktisch erfüllen“, dem „beständigen Wandel“ und „menschlichen Grundbedürfnissen“ dienen. Damit ist der hässliche Materialismus zur Grundlage der Architektur geworden, der Deutschland und Europa entstellt.

Die Ordnung unserer Städte, Dörfer und Wissenschaften wird nicht mehr vom Logos geprägt. Sie sind nicht mehr auf ein höheres Ziel hingeordnet, in dem das Gute, Wahre und Schöne zusammenfallen. Es geht ausschließlich um wirtschaftlichen Nutzen, sinnliche Triebe und menschliche Bedürfnisse.

Das führt aber nicht zu einem hellen Humanismus, der den Menschen erhebt, sondern zu Plattenbauten, Glasbunkern und Betonwüsten, in denen Menschen nichts anderes sind als nützliche Mietzahler, Konsumenten und Humankapital, das in neongefluteten Großraumbüros Exceltabellen ausfüllt.

Der Logos-Gedanke ist untrennbar mit der Vorstellung des Menschen als Abbild Gottes verbunden, Imago Dei. Er ist untrennbar verbunden mit dem Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und der Erkennbarkeit Gottes. Der Sinn des Lebens ist demnach nicht, seine animalischen Bedürfnisse zu befriedigen, worin der Mensch sich nicht vom Tier unterscheidet, sondern Gott zu verherrlichen.

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Schönheit, Schnörkel und Stuck verweisen auf die Herrlichkeit Gottes

Deshalb ist Schönheit in der Architektur, vor allem wenn sie einen religiösen Zweck erfüllt, unerlässlich. Schönheit, Schnörkel und Stuck verweisen im idealen Sinne so auf die Herrlichkeit und Schönheit Gottes. Die Kunst und Kultur verherrlicht so in der Schönheit eine Ordnung, die allem zugrunde liegt.

Der afrikanische Kardinal Robert Sarah konstatiert, das Abendland wisse nicht mehr, was ein Mann und was eine Frau sei. Es ist eine Kritik am Gender-Konstruktivismus in akademischen Zirkeln, der zunehmend unsere Gesellschaft bestimmt.

Der amerikanische Journalist Matt Walsh veröffentliche 2022 den vielbeachteten Film „What Is a Woman“, in dem er zeigt, dass viele Intellektuelle der Gegenwart einfachste Fragen wie diese nicht mehr klar beantworten können.

Diese Verwirrung steht in direktem Zusammenhang mit dem Verlust des Logos-Gedankens. Denn die aristotelische Logik, die Selbstverständlichkeit von objektiver Vernunft und einer natürlichen Ordnung ist im Logos grundgelegt. Ignoriert man ihn, fällt man auf Nonkognitivismus zurück, auf Gefühle und Stimmungen. Die Frage, was ein Mann und eine Frau sei, ist dann nicht mehr objektiv bestimmbar, sondern nur subjektiv fühlbar.

Warum hat Europa Universitäten gegründet – und zwar im Mittelalter? Weil es an die Erkennbarkeit der Wahrheit glaubte und daran, dass der Welt eine Ordnung zugrunde liegt. Das Motto der University of Oxford beweist das in einem Satz: „Dominus illuminatio mea“ – „Der Herr ist mein Licht“.

Die eigene Identität wiederfinden

Nicht zufällig steht in der Mitte von Köln, Aachen, Münster, München, Florenz, Mailand, Paris, Wien oder Krakau ein Dom. Von der Schönheit und Herrlichkeit Gottes, vom ungeschaffenen Logos aus wurden die bedeutendsten Städte Europas aufgebaut und geordnet.

Weil zur Verherrlichung Gottes keine Anstrengung und kein Material zu kostbar ist, hat man keine Mühe gescheut, um Schönheit zu schaffen. Die Kultur Europas ist einzigartig in der Welt. Sie ist geprägt vom Gedanken einer göttlichen Ordnung, vom Menschen als Abbild Gottes und von der Hoffnung auf die ewige Glückseligkeit.

Deswegen strahlen die Fenster in den Kathedralen von Paris und Chartres so wunderschön. Deswegen sind auch alte Klöster und Rathäuser so beeindruckend. Wenn wir den Logos wiederentdecken, finden wir die Schönheit Europas wieder. Wir entdecken eine neue Welt, die unter hässlichen Ideologien verschüttet war.

Wir entdecken unsere eigene Identität wieder und warum es sich lohnt, stolz auf Europa zu sein. Auf jenen Kontinent, in dem der Logos Kultur geworden ist.

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