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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Söldner an die Front – wollen wir das?

Im Lauf ihrer Geschichte hat die Schweiz viele Schlachten geschlagen, zahlreiche davon erfolgreich. Das wilde Alpenvolk war weit herum gefürchtet. Einige Jahrhunderte lang machten die Staatsväter mit dieser Eigenschaft sogar Kasse, in dem sie ganz offiziell einen Solddienst einführten. Weil sowieso immer wieder und völlig ungeregelt Schweizer für andere Mächte zu den Waffen griffen, um ihre Familien zu ernähren, beschloss die Eidgenossenschaft, dieses Gebaren mit Staatsverträgen zu institutionalisieren. 

Heute sieht es anders aus. Das Militärgesetz verbietet Schweizer Bürgern den Kriegsdienst für andere Nationen. Wer es dennoch tut, wird zwar an der Grenze wieder freundlich empfangen und ins Land gelassen, muss danach aber mit einem Verfahren rechnen. In der Theorie können einige Jahre Gefängnis dafür blühen.

„Podest statt Knast“

Daran hat sich bislang niemand gestört, mehr noch: Es galt als selbstverständlich. Nun herrschen jedoch andere Zeiten. Schätzungsweise ein Dutzend Schweizer hat sich der ukrainischen Armee angeschlossen. Sie, so finden einige Politiker und Zeitungskommentatoren, sollten aber auf keinen Fall bestraft werden. Ganz im Gegenteil, diese Männer gehören auf ein „Podest“, wie die Boulevardzeitung Blick schreibt.

Dafür gibt es keine rechtliche Handhabe, aber was gilt schon die Justiz, wenn es doch auch die Moral als Kriterium gibt? Die These der Leute, die das neue Söldnertum befeuern: Wenn es gegen einen „Tyrannen“ – gemeint ist Putin – und um die „Verteidigung unserer Werte“ geht, sollte alles erlaubt sein. 

Würde die offizielle Schweiz dem Wunsch dieser Schreibtisch-Schützengrabenkämpfer nachgeben, käme das einer Aushöhlung der Neutralität gleich, die in der Schweizer Verfassung festgeschrieben ist. Schafft das Land Strafen für Ukraine-Söldner ab oder gewährt diesen zumindest eine Amnestie und klemmt ihnen auch noch einen Orden aufs Edelweiß-Hemd, ergreift die Schweiz offiziell Partei für eine kriegführende Nation. Das ist das pure Gegenteil von Neutralität.

Wer legt die Ausnahmen fest?

Dass die Idee überhaupt ernsthaft diskutiert wird, liegt an der Beliebigkeit und Willkür, welche die Politik längst ergriffen haben. Regeln, deren Gültigkeit bisher außer Frage stand, sollen aufgeweicht werden aufgrund aktueller Ereignisse. Im Fall der Neutralität geschieht das bereits, indem die Schweiz viele der Sanktionen gegen Russland mitträgt.

Was sich die Fürsprecher dieses Kurses nicht zu überlegen scheinen: Auf welcher Basis wird entschieden, wann welche Regel nicht mehr gilt oder es Ausnahmen davon geben soll? Wer ist die Jury, die das beschließt? Wer definiert, wer der Tyrann ist? Wer legt fest, in welchem Fall Schweizer an eine fremde Front dürfen? Wer darf bestimmen, in welchem Krieg es um „unsere Werte“ geht?


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Regeln und Gesetze mögen gelegentlich als falsch empfunden werden. Doch Empfindungen sind eben gerade nicht ihr Fundament und dürfen es auch nicht sein. Denn diese sind volatil. Heute scheint mir jenes richtig, morgen etwas Neues, je nach Informationslage – und sowieso sieht es jeder wieder anders. Sollen Schweizer beispielsweise straffrei die israelische Armee verstärken, um den Terror der Hamas zu bekämpfen? Oder doch besser an deren Seite gegen die Angriffe Israels im Gazastreifen stehen? Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt. 

Die Unverhandelbarkeit der Schweizer Neutralität ist manchmal schmerzhaft, weil man glaubt, das Gute vom Bösen unterscheiden zu können und sich für das Gute einsetzen möchte. Doch es ist eben genau die Unverrückbarkeit der neutralen Haltung, die ihren Wert ausmacht. Wer sie konsequent lebt, wird nie auf der falschen Seite stehen – weil er auf keiner Seite steht. Man sollte das nicht mit Feigheit verwechseln. Es gehört oft sehr viel mehr Mut dazu, keine Partei zu ergreifen, als einfach wie in einem billigen Hollywoodfilm eine Sache als „gerecht“ zu definieren und sich ihr anzuschließen.

Vorbestrafter Söldner

Stattdessen wird nun munter fabuliert, es gehe in der Ukraine auch um die Verteidigung der Schweiz, deshalb sei ihre Unterstützung nur richtig. Welche Werte wir mit der Ukraine, ob vor oder seit dem Krieg, teilen sollen, bleibt schleierhaft. Auch gern ins Feld geführt wird das „Völkerrecht“, das die Schweiz unterstütze und das von Putin gebrochen werde. Wie oft wurde in den letzten Jahrzehnten rund um den Globus Völkerrecht verletzt, ohne dass es einem Politiker oder einem Journalisten eingefallen wäre, Schweizer Söldner straffrei Krieg führen zu lassen?

Vor einigen Monaten wurde ein solcher Söldner in der Ukraine von Schweizer Medien als Held abgefeiert. Das Schweizer Fernsehen porträtierte ihn in einer aufwendigen Reportage und beklagte wenig subtil, dass ihm zu Hause eine Gefängnisstrafe drohe. Die gebührenfinanzierten Journalisten ließen sich dabei einen regelrechten Bären aufbinden.

Denn später zeigte sich, dass es sich bei dem angeblichen selbstlosen Helden um einen vorbestraften Mann auf der Flucht vor der Justiz handelte, dem es äußerst gelegen kam, außerhalb der Heimat ein bisschen Krieg zu spielen – und zur Belohnung noch glorifiziert zu werden. Wenig überraschend verzichteten die Medien, die erst gerade noch dem „Scharfschützen“ auf die Schulter geklopft hatten, danach großzügig darauf, diese Information nachzuliefern.

Wer sich die Zeiten zurückwünscht, als sich Schweizer, die es hier nicht schafften, kurzerhand der Fremdenlegion anschlossen, soll das tun. Aber es sollte weiterhin nicht mit dem Segen des Landes geschehen. Ganz egal, wie „gerecht“ der Kampf wirkt.


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