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Kolumne „Kaffeehaus“

Zeit der Erwartung

Die Wochen des Wartens auf Weihnachten gehören zu den schönsten des Jahres. Besonders mit Kindern haben sie einen Glanz der Freude und Erwartung. Als Mutter habe ich immer die Gelegenheit, die Besonderheit dieser Tage mit der Neugierde und Begeisterung eines Kindes zu betrachten. Wenn man Kinder hat, ist es viel leichter, der Banalität und Kommerzialisierung zu entkommen. Und nicht nur das: Die Kinder geben dem Ganzen einen Sinn und geben uns die Möglichkeit, zu dem Unerwarteten und Unwahrscheinlichen Ja zu sagen.

Ob der erste Advent, die Lichter eines Weihnachtsmarktes oder das Fest des heiligen Nikolaus: Mit Kindern sind diese Ereignisse am schönsten. Mehr noch: Indem wir in die Rolle der Eltern schlüpfen, nehmen wir sofort die Rolle von Erwachsenen und Lehrern auf ganz natürliche Weise ein. Egal, wie jung ich mich fühle, meine Kinder wollen ihre Fragen von mir beantwortet bekommen und nicht von irgendjemand anderem. 

„Warum spricht St. Nikolaus Französisch? Wie schafft er es, alle Kinder in einer Nacht zu besuchen? Welcher Nikolaus ist echt und welcher ist nur verkleidet?“ All das sind ernsthafte Fragen, die den Kindern beim Einschlafen durch den Kopf gehen. Die Kinder wollen auch ernst genommen werden, und ihre Fragen sollten ehrlich und kompetent beantwortet werden. Das ist oft intellektuell anspruchsvoller als jedes Philosophieseminar. 

Kinder bewahren uns vor Banalität und Profanität

Kurzum: Advent und Weihnachten mit Kindern bewahren uns vor aller Banalität und Profanität. Als Mutter von zwei Kindern im Grundschulalter denke ich mir oft, dass ich allen Menschen in meinem Alter, die noch keine Kinder haben, diese Erfahrung empfehlen und gönnen würde. Man verpasst als Erwachsener etwas, wenn man nie in die Rolle des Erwachsenen und Lehrers hineinwachsen kann. 

 

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So schön ein Adventskalender mit Kosmetikproben und ein perfekt geschmücktes Haus auch sein mögen: Das Herz einer Frau wird voll, wenn sie gemeinsam mit ihren Kindern die Türchen eines Adventskalenders öffnen und mit ihnen Vanillekipferl backen kann.

Aber nicht nur auf dieser praktischen Ebene kann sich diese Freude manifestieren. Spirituell ist es ähnlich. Denn so wie wir mit Neugier, Hoffnung und Erwartung auf die Ankunft des Kindes in Bethlehem warten, so warten und freuen wir uns, wenn das Wunder des Lebens in unsere eigene Welt kommt. Wir können nicht genau sagen, was auf uns zukommt und was es für uns bedeuten wird. So wie wir das Kommen des Herrn mit bloßer Logik nicht erfassen können, können wir auch das Wunder, das uns in unseren eigenen Kindern begegnet, nicht begreifen. 

Körper und Gedanken einem großen Ereignis hingeben

Das Warten auf die Ankunft des Herrn ist wie das Warten einer Mutter auf ihr Kind. Sie weiß, dass sich alles ändern wird, und sie kann niemandem ihre eigenen Gefühle erklären. An manchen Tagen strahlt sie vor Vorfreude, an anderen Tagen macht sie sich Sorgen, ob alles gut gehen wird. 

Sie gibt ihren Körper und ihre Gedanken einem großen Ereignis hin, dem sie mit Ehrfurcht und Freude gegenübersteht. Diese Vorfreude ist genau das, wovor so viele Frauen heute Angst haben: die Kontrolle abzugeben, sich selbst zurückzunehmen, sich von etwas Größerem mitnehmen und verändern zu lassen. 

Die Erwartung des neuen Lebens hat viele Parallelen zum Advent. Und sie widerspricht der Vorstellung von Kontrolle, Vorhersehbarkeit und Sterilität der Welt da draußen. Sich auf das Unerwartete und Unerklärbare einzulassen, bedeutet immer auch, die Kontrolle zu verlieren. 

Aber nur dort entsteht der Raum, in dem Wunder und das Leben selbst ihren Platz einnehmen können. Ohne frommes Pathos kreisen meine Gedanken dabei um die kleine Krippe in Bethlehem und die junge Frau Maria, die sich überhaupt erst auf das Unbegreifliche und Unwahrscheinliche eingelassen hat. Ich wünsche mir, dass dieser Advent auch für uns ein Türchen dazu in den Herzen öffnen kann.

 

 

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