Das Geheimnis hinter dem Kinderreichtum Panamas
Die demografische Entwicklung in vielen Ländern Lateinamerikas zeigt ein gespaltenes Bild. Während wohlhabendere Länder wie Chile, Costa Rica und Uruguay sinkende Geburtenziffern verzeichnen, die häufig unter dem Niveau liegen, das zur Stabilisierung der Bevölkerungszahl erforderlich wäre, stellt sich die Situation in den ärmeren Ländern der Region anders dar. Dort sind die Geburtenraten tendenziell höher, was jedoch häufig mit Herausforderungen wie wirtschaftlicher Instabilität und eingeschränktem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung einhergeht.
In den ärmeren Ländern Lateinamerikas wie Haiti und Honduras sind die Geburtenziffern weiterhin hoch. Laut Daten der Weltbank liegt die Geburtenrate in Haiti bei rund 2,8 Kindern pro Frau – die höchste in der Region. Auch Bolivien und Guatemala weisen höhere Geburtenziffern auf, wobei Bolivien etwa 2,7 Kinder pro Frau und Guatemala etwa 2,6 Kinder pro Frau verzeichnen. Diese Werte führen zwar zu einer wachsenden Bevölkerung, aber oft in einem Umfeld, das von wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen geprägt ist.
Panama nimmt hier eine einzigartige Position ein: Es ist das einzige Land Lateinamerikas, das sowohl eine hohe Geburtenziffer als auch ein hohes Wohlstandsniveau aufweist. Während viele wohlhabendere lateinamerikanische Länder Geburtenraten haben, die langfristig zu einem Rückgang der Bevölkerung führen werden, schafft Panama es, sowohl wirtschaftlich stabil zu wachsen als auch demografisch dynamisch zu bleiben. Mit einer Ziffer von etwa 2,3 Kindern pro Frau kombiniert Panama den Kinderreichtum der ärmeren Länder mit den Wohlstandsniveaus der wirtschaftlich entwickelteren Staaten.
Die kulturelle Bedeutung von Familie und Kindern in Panama
Die hohe Geburtenrate in Panama ist kein Zufall, sondern spiegelt die kulturellen Werte wider, die in der Gesellschaft verankert sind. Dabei spielen zwei Faktoren eine besondere Rolle: die Religiosität und der Anteil der indigenen Gruppen.
Die Religiosität in Panama ist ein starker Ankerpunkt der Gesellschaft. Ein überwiegender Teil der Panameños ist katholisch (je nach Erhebung 70 bis 86 Prozent), wobei evangelikale Christen auch in Panama starke Zuwächse erzielen. Juden und Muslime machen jeweils circa ein Prozent der Bevölkerung aus. Als Atheist bezeichnet sich in Panama kaum jemand. Insbesondere zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen findet ein Wettbewerb statt, der lebhaft und wahrnehmbar ist. Im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten ist die religiöse Bindung in Panama – meinem Eindruck nach – weniger oberflächlich und tiefer im Bewusstsein der Menschen verankert.
Der zweite Faktor ist der verhältnismäßig hohe Anteil an indigenen Familien in Panama. Ihr Anteil wird auf 12 bis 15 Prozent geschätzt. Wer einmal Panama besucht hat, wird bemerkt haben, dass insbesondere indigene Frauen schon in jungen Jahren viele Kinder bekommen. Es ist den indigenen Gruppen gelungen, ihre Kultur zu erhalten. Stark dazu beigetragen hat die Autonomie, die indigene Stämme in verschiedenen Landesteilen genießen, und die Gleichstellung traditioneller Riten (beispielsweise bei der Eheschließung) mit europäisch geprägten zivilrechtlichen Vorstellungen. In kaum einem anderen Land des amerikanischen Kontinents konnte das kulturelle Erbe der indigenen Gemeinschaften so gut verteidigt werden wie in Panama.
Besonders in den indigenen Gemeinschaften Panamas, aber nicht nur dort, haben Kinder einen hohen Stellenwert, und das Familienleben spielt eine zentrale Rolle. In Panama übernehmen Kinder oft schon früh die Verantwortung für die Unterstützung ihrer Eltern und Großeltern. Diese Art der familiären Unterstützung fungiert in Panama als ein starkes informelles soziales Sicherheitsnetz, das weitgehend ohne staatliche Sozialleistungen auskommt.
Ein wesentlicher Unterschied zu vielen westlichen Ländern besteht darin, dass der spätere wirtschaftliche Ertrag eines Kindes in Panama überwiegend in der Familie verbleibt und nicht durch hohe Steuern und Sozialabgaben abgeschöpft wird.
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In vielen Ländern wird die wirtschaftliche Leistung eines Kindes durch das Steuer- und Sozialsystem stark belastet und fließt so in das allgemeine Sozialsystem. In Panama hingegen kommt dieser „Ertrag“ direkt den Eltern und Großeltern zugute. Das bedeutet, dass der Nutzen eines Kindes nicht den staatlichen Kassen zufließt, sondern direkt die Familie unterstützt und somit ein stabiles soziales System geschaffen wird. Dafür gibt es außer eines Mutterschaftsurlaubs und kostenfreier medizinischer Behandlung für Kinder bis fünf Jahren keine staatlich geregelten Maßnahmen. Augenscheinlich ist das jedoch kein schlechter Weg.
Demografische Trends: Panama im globalen Vergleich
Während Panama von einer positiven demografischen Entwicklung profitiert, ist ein Großteil der Welt mit einem alarmierenden Rückgang der Geburtenraten konfrontiert. In vielen Ländern könnte sich dieser Trend langfristig als demografische Katastrophe erweisen. In Deutschland beispielsweise liegt die Geburtenziffer bei nur 1,35 Kindern pro Frau – bei jenen ohne Migrationshintergrund ist sie sogar noch geringer.
Sollte diese Rate bestehen bleiben, würde die Bevölkerung Deutschlands in den nächsten 100 Jahren um fast 76 Prozent schrumpfen. Südkorea ist noch stärker betroffen: Bei einer Geburtenziffer von 0,72 Kindern pro Frau würde die Bevölkerung des Landes in einem Jahrhundert um 97,4 Prozent schrumpfen. Auch Spanien steht mit einer Geburtenrate von 1,13 Kindern pro Frau vor einem möglichen Bevölkerungsschwund von über 87 Prozent.
Demgegenüber liegt die Geburtenrate in Panama bei etwa 2,3 Kindern pro Frau, so dass die Bevölkerung bei gleichbleibender Entwicklung in den nächsten 100 Jahren um mehr als 35 Prozent wachsen könnte. Im Vergleich zu 2000 hätte sich die Bevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts sogar verdoppelt.
In 100 Jahren könnten in Panama etwa sechs Millionen Menschen leben (ohne Migrationseffekte), was nahezu der zukünftigen Bevölkerung der ehemaligen Kolonialmacht Spaniens entspricht. Diese positive demografische Entwicklung ist nicht nur in Lateinamerika bemerkenswert, sondern auch im weltweiten Vergleich selten.
Nach Angaben der Weltbank steht Panama auf der Liste der Länder mit hohem Durchschnittseinkommen nach Israel und dem Oman an dritter Stelle, was den Kinderreichtum angeht, noch vor Saudi-Arabien. Pro 1.000 Einwohner werden in Panama 17,7 Kinder im Jahr geboren. Israel kommt auf 19,7 Kinder pro 1.000 Einwohner, Deutschland auf 9,6 Kinder pro 1.000 Einwohner. Panama ist das derzeit kinderreichste christlich geprägte Land der Erde, das auch ein hohes Wohlstandsniveau aufweist.
Auffällig ist jedenfalls, dass die vier kinderreichsten und wohlhabendsten Länder alle eine starke religiöse Prägung und eine geringe kulturelle Vereinnahmung durch „moderne westliche Trends“ aufweisen.
Ein starkes soziales System durch familiäre Bindungen
Das soziale System in Panama beruht stark auf familiären Bindungen und ist auf gegenseitige Unterstützung ausgerichtet. Kinder sind hier nicht nur eine persönliche Bereicherung, sondern übernehmen eine wichtige soziale Rolle, indem sie ihre Eltern und Großeltern unterstützen.
Die Familien ersetzen durch ihre Unterstützung zum Teil staatliche Sozialleistungen und behalten so den wirtschaftlichen Vorteil der zukünftigen Verdiener in der Familie, anstatt ihn über Steuern und Abgaben an den Staat abzuführen.
Zusammengefasst: Eine sehr geringe staatliche Abgabenbelastung, niedrige Inflation und ein hohes Sicherheitsniveau führen dazu, dass die Gesellschaft selten aus den Fugen gerät und ihren natürlichen Gang fortsetzt.
Die einzigartige Kombination aus Wohlstand, Kinderreichtum und kulturellen Werten macht Panama zu einem weltweit positiven Beispiel für eine gesunde demografische Entwicklung.
Kommentare
In der Bauzeit des Panamakanals von 1881 bis 1889 starben 22.000 Arbeiter (7,5 Menschenleben pro Tag) in der Sumpflandschaft an Gelbfieber und Malaria.
Heute zählt Panama dank der Einnahmen durch diesen Kanal zu den reichsten Ländern in Lateinamerika.
Trotzdem herrscht ein erhöhtes Risiko sowohl aufgrund von Kriminalität (Raubüberfälle, Einbrüche, Gewalt) als auch von zivilen Unruhen z.B.in Colón und in den Armenvierteln von Panama City, und Drogenbanden liefern sich gewalttätige Auseinandersetzungen.
@Karl K. Danke und nochmals danke. Dank ihnen habe ich mir das mit Panama noch mal anders überlegt. Es gibt kein sicheres und zukunftsfähiges Land als Germanisten, Verzeihung, Deutschland
Es wäre erwähnenswert etwas über die disfunktionalen Familien zu schreiben. Die Männer verlassen ihre Familie und beginnen eine zweite Familie. Unterstützung bekommen die ersten Kinder kaum.
Das Einkommen und Vermögen sind höchst ungleich verteilt. Panama hat einen der schlechtesten Ginieffects Lateinamerikas. Viele Kinder haben nicht genug zu essen.
Von meinen Nichten weiss ich, dass die meisten ihrer Kolleginnen aus gut situierten Familien alleine Essen, gemeinsame Familienessen kennt man nicht. Aber man ist religiös.
@Chirisuizo Ja, der Blick bleibt an der Oberfläche. Ist das noch christlich?
Der Autor ist Finanzspezialist und Aufsichtsrat verschiedener Unternehmen, scheint das panamaische Pendant des wohlhabenden adligen Autoren aus dem Hause Habsburg zu sein, der hier schreibt "Heirate und habe viele Kinder".
Hat das nicht der Erdogan den türkischen Migranten empfohlen? Damit sich der Islam hier ausbreitet?
@Ingo F. Ingo, was hast du denn geraucht?
@Ewald Miller Nach solcher Lektüre braucht's kein Gras mehr:
"Mit dem Glauben kommt auch der Segen für das Land...Auch das wirtschaftliche System Panamas scheint vorbildlich. Heute kann die westliche Welt von anderen Kulturen lernen..."
Ein sehr interessanter Artikel. Mit dem Glauben kommt auch der Segen für das Land und da gehören Kinder mit dazu. Auch das wirtschaftliche System Panamas scheint vorbildlich. Heute kann die westliche Welt von anderen Kulturen lernen: Glaube, Gemeinschaftssinn, Familie - Werte, die es bei uns kaum noch gibt. Die westliche Welt heute ist fast vollständig in eine Todeskultur gekippt. Für einen Deutschen mag es schwer sein, sich dauerhaft in Lateinamerika zurechtzufinden, da die Mentalität doch ganz anders ist. Aus den im Artikel schon genannten Gründen ist eine Auswanderung dorthin aber doch eine Überlegung wert. Es ist ja doch wichtig, wieder eine positive Zukunftsperspektive zu haben. Und der gemeinsame christliche Glaube baut eine Brücke über die kulturellen Unterschiede hinweg, da er die Menschen auf tieferer Ebene miteinander verbindet. Das ist eine faszinierende Erfahrung, die ich immer wieder machen durfte.