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Kolumne „Mild bis rauchig“

Links vor Recht

Ja, die Welt steht Kopf, so hat man den Eindruck. Was einmal vor gar nicht allzu langer Zeit galt, ist heute nicht mehr gültig. Kabarettshows, die noch vor 15 Jahren Millionen vor den Fernseher geholt haben, werden – falls sie überhaupt zähneknirschend wiederholt werden – mit den mittlerweile üblichen Hinweisen versehen, damit sich der gegenwärtig im „woken“ Zeitalter Sensibilisierte nicht allzu sehr erschreckt, wenn er einem anderen als dem ihm eingeimpften Weltbild begegnet.

Ausdruck eines dennoch verbliebenen gesunden Menschenverstands war in diesem Zusammenhang ein Teil des Bauernprotestes, der ein wenig zwischen den rollenden und ruhenden Traktoren untergangen war. Man hatte hier und da Ortseingangschilder in Städten und Dörfern um hundertachtzig Grad von unten nach oben gedreht und so bekundet, dass die Welt Kopf steht. Zumindest empfinden es viele so.

Wegen der durch Zwangsabgaben finanzierten medialen Erziehungsanstalten und ihrer – man kann es leider nicht anders sagen – Propaganda nimmt die Entwicklung spürbar an Fahrt auf. Keine Radiosendung, keine Fernsehreportage ohne Belehrung und Lernziel. Selbst in Klassiksendungen wird noch irgendein zeitgeistliches Schmankerl zwischen Forellenquintett und Brandenburgischen Konzerten eingestreut. Denn es geht schließlich um das Erreichen des über alle Maßen erhabenen Planziels, eine „woke“, gender- und klimagrechte Welt zu bauen.

Wer Respekt vor dem Schöpfer hat, wird aussortiert

Wer sich die Welt anders vorstellt oder Zweifel an den dem Ganzen zugrundeliegenden Dogmen der materialistischen Glaubensschule hat, ist schnell so etwas wie ein Staatsfeind. Vertritt er gar als kulturkritisches Fossil ein klassisch christlich-abendländisches Weltbild, wird er möglichst mundtot gemacht, damit er in der Restlaufzeit seines überkommenen Menschenbilds und der daraus erwachsenen Gesellschaftsmodelle nicht allzu sehr stört. Man darf ihn dann öffentlich anprangern und am Ende dafür sorgen, dass sich die Liquidierung von selber erledigt: Erst kommt der gute Ruf dran, dann die berufliche Laufbahn und am Ende der Freundeskreis, wenigstens was seine konformistischen Anteile betrifft.

Wer Respekt vor dem Schöpfer hat und deswegen nicht nur gegen die wider die naturrechtliche Ordnung gerichtete Genbehandlung von Obst und Gemüse, sondern auch von Menschen aufsteht, wer Abneigung gegen die Tötung von Menschen hat, die sich noch im Schoß ihrer Mütter befinden, wer sich einem an christlichen Geboten gebildeten Gewissen verpflichtet weiß und deswegen nicht auf Knopfdruck in Reih’ und Glied marschiert, wer an der richtigen Stelle klatscht und an der falschen lacht, wird aussortiert.

Was gilt, ist „bunt“, „woke“, „links“. Und auch, wenn niemand so genau weiß, was das ist, jeder weiß, dass das, was nicht „bunt“, „woke“, oder „links“ ist, rechts ist, undemokratisch, mittelalterlich, „erz“-konservativ, deswegen: gefährlich! Und weil alles Gefährliche ausgemerzt gehört, muss alles „Nichtwoke“ zur Schädlingsbekämpfung freigegeben werden, darf diffamiert, unter Hochverratsverdacht gestellt und geächtet werden.

Dazu wird die Bevölkerung gebeten, mitzuhelfen durch gegenseitige Beobachtung und Denunziation. Denn Links ist Pflicht. Und das ist sehr bequem, weil es einen von allzu anstrengenden Diskursen dispensiert, in denen man früher seinem Gegenüber erst zugehört hat, bevor man sich eine Meinung über ihn gebildet hat. Heute geht es schneller. Es gibt nur noch zwei Meinungen: meine und „Nazi“. Fertig.

Sogar Bischöfe ergehen sich in nichtssagendem Kommunikationssprech

Links hat eingebaute Vorfahrt – auch vor dem geltenden Recht, sofern es (noch) das schützt, was an bisherigen Normalitäten über Nacht plötzlich als rechts gilt. Freiheit ist dann obsolet, wenn sie jemand in Anspruch nimmt, um der neoinquisitorischen Glaubensbehörde zu trotzen. Womöglich noch mit dem alten Glauben der Väter.

Denn der ist ja ohnehin an allem schuld, weshalb sich sogar Bischöfe oft nicht mehr trauen, selbst in den eigenen Reihen das Wort „Gott“ in den Mund zu nehmen und stattdessen lieber den neuen und geschmeidigen Kommunikationssprech vernehmen lassen, mit dem sie sich vermutlich unsichtbar und deswegen unangreifbar machen wollen. Zum Beispiel:

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Dabei hätten sie und alle anderen, die die beste aller Welten nicht in dieser Welt suchen, die einmalige Chance, dasjenige, was die Christen in ihrer Gründerzeit hat groß werden lassen, gerade heute in das Gemeinwesen einzuspielen. Es ist das, was sich jedem Links-Rechts-Schema entzieht, weil es eben nicht materialistisch ist, sondern transzendent. Denn National- und Internationalsozialisten eint ja dies: sie sind radikal diesseitig orientiert. Sozi und Nazi sind sich ja darin durchaus einig, dass der Mensch das Produkt dieser Erde ist.

Natürlich sind sie verschiedener Meinung, was das für das tägliche Leben heißt. Aber im Kern sind sie gleichermaßen diesseitig orientiert. Sie leben aus der Materie und haben eine gründliche Abneigung gegen einen Gott, dessen Existenz sie verlachen und fürchten zugleich. Wer meine heute fast sechsundneunzigjährige Mutter von ihrer Kindheit und Jugend im katholischen, ostpreußischen Ermland erzählen hört, von ihrer gläubigen, streng antinazistischen Familie und dann von ihren Jahren in den russischen Arbeitslagern, in die man sie als sechzehnjährige Zivilistin 1945 verschleppt hatte, wird schnell von der Phantasie kuriert, rote Stiefel seien besser als braune. Sie treten alle in dieselbe Richtung.

Weil sie eines nicht ertragen können: dass es Menschen gibt, deren Orientierung weder durch demokratische noch durch diktatorische Leitplanken, sondern durch die Weisungen dessen geschaffen wird, ohne den die nationalsozialistischen und die internationalsozialistischen Materialisten nicht einmal eine Materie hätten, um aus ihr den Versuch zur Modellierung des „Neuen Menschen“ zu starten. Es ist schade, dass in unserem von Angstphantasien geschüttelten Land jegliche Besonnenheit abhandengekommen ist, die Menschen guten Willens brauchen, um diese Welt zum Guten zu führen.

Ihr Programm lebt von Zukunftsvisionen ohne Herkunftsgewissheit

Stattdessen wird wieder marschiert. Man weiß nicht immer präzise wohin oder wogegen. Aber man weiß, dass es guttut, zu den Guten zu gehören. Mit dieser Gefühlslage haben Einheitsparteigänger aller Zeiten für Stimmung gesorgt. Stets solange, bis sie kippt und die Revolutionen ihre Kinder fressen. Dann beschließt man demokratisch die Freiheit durch eine Diktatur zu sichern.

In unseren Tagen sitzen die Protagonisten nicht mehr am berühmten roten Knopf, sondern an der Computermaus. Mittels einiger Klicks kann die „woke“ Oligarchie, die stets weiß, was für alle gut ist und was schlecht, dank der medialen Ermächtigungspläne der EU per Mausklick demnächst alles abschalten, was nicht in den Kram passt. Längst ist dabei die Justiz ein Teil des Systems geworden, das sich seit der pubertären Eliterevolte der Achtundsechziger bis in unsere Tage konsequent etabliert hat. Das Gute – also Linke – ist deswegen Pflichtprogramm.

Dieses Programm lebt von Zukunftsvisionen ohne Herkunftsgewissheit. Ganz so, wie es die faschistoiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts vorgemacht haben. Der Masterplan aus dem ideologischen Laboratorium muss aufgehen, koste es, was es wolle. Zur Not bleibt dann eben auch mal das auf der Strecke, was immer als eine Sicherung gegen das Überschnappen galt: das Recht. Nachdem man es erst gebeugt hat, wird es am Ende ausgetauscht. Wenn man die Welt auf den Kopf stellt, dann kann man ja auch die Verkehrsregeln ändern und „links“ die Vorfahrt geben.

Die meisten haben sich damit abgefunden. Wer die politisch aufgeheizten Hatespeech-Büttenreden der diesjährigen Karnevalssession verfolgt hat und dabei in die gutbürgerlichen Gesichter des Publikums geschaut hat, konnte ein neues Phänomen wahrnehmen. Die Menschen sprangen bei den entsprechenden Diffamierungen gar von den Stühlen und genossen unter frenetischem Applaus sichtlich das wohlige Gefühl, gleichzeitig Mehrheit und Widerstandskämpfer zu sein. Wir werden sehen, wie lange die neuen Wohnzimmerpartisanen noch brauchen, um festzustellen, dass sie am Ende gegen sich selbst kämpfen.

 

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Kommentare

Kommentar
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Cyprinus
Vor 9 Monate 1 Woche

D'accord!
Nur noch eine fragende Anmerkung zum hier verwendeten Begriff "Diskurs". Meiner Erfahrung nach wurde er früher nur im «Métier intellektuell» verwandt. Normal war in der Auseinandersetzung die "Diskussion", das Diskutieren. Auffällig: Ich höre letzteres so gut wie nicht mehr; der Diskurs hat als Macht der Deutungshoheit über das abwägende, argumentierende Diskutieren gewonnen. Genau diesen Sachverhalt stellt die gesamte Kolumne markant dar. Kurzum, weil Karneval ist, die Definition von Diskurs auf rheinisch-ripuarisch: „Wer hätt he de Botz aan?“

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Peter Schafranek
Vor 9 Monate 1 Woche

Hervorragend, ich kann jedes Wort unterschreiben.Wenn es mehr solche
Pfarrer gäbe, würden nicht so viele aus der Kirche austreten.

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Rudi Höfer
Vor 9 Monate 1 Woche

Er trifft es so genau auf den Kopf, das ist schon phantastisch. Aber leider nicht die Meinung dieser woken linken Gesellschaft.

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Veritas
Vor 9 Monate 1 Woche

Wie schrieb ein gewisser Herr Chefredakteur: "Ein Text, wie ein spitzer Pfeil, der das faulende Herz der Zeit durchbohrt." Ich würde noch ergänzen: "und es zerreißt, auf daß ein neues wachsen kann".

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Gerd Steffens
Vor 9 Monate 1 Woche

Danke für Deine Klarheit

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Eugen
Vor 9 Monate 1 Woche

Ich sauge wie ein trockener Schwamm alles auf, was Sie sagen Pater, nur eine Frage: warum muss der katholische Kindergarten in Herz. ausgerechnet Regenbogenkindergarten heißen 🥲.

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Zampano
Vor 9 Monate 1 Woche

Der Artikel hätte von mir sein können! Pure Wahrheit, danke Ihnen!

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Gerd Steffens
Vor 9 Monate 1 Woche

Danke für Deine Klarheit

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Veritas
Vor 9 Monate 1 Woche

Wie schrieb ein gewisser Herr Chefredakteur: "Ein Text, wie ein spitzer Pfeil, der das faulende Herz der Zeit durchbohrt." Ich würde noch ergänzen: "und es zerreißt, auf daß ein neues wachsen kann".

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Peter Schafranek
Vor 9 Monate 1 Woche

Hervorragend, ich kann jedes Wort unterschreiben.Wenn es mehr solche
Pfarrer gäbe, würden nicht so viele aus der Kirche austreten.

5
Cyprinus
Vor 9 Monate 1 Woche

D'accord!
Nur noch eine fragende Anmerkung zum hier verwendeten Begriff "Diskurs". Meiner Erfahrung nach wurde er früher nur im «Métier intellektuell» verwandt. Normal war in der Auseinandersetzung die "Diskussion", das Diskutieren. Auffällig: Ich höre letzteres so gut wie nicht mehr; der Diskurs hat als Macht der Deutungshoheit über das abwägende, argumentierende Diskutieren gewonnen. Genau diesen Sachverhalt stellt die gesamte Kolumne markant dar. Kurzum, weil Karneval ist, die Definition von Diskurs auf rheinisch-ripuarisch: „Wer hätt he de Botz aan?“

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Rudi Höfer
Vor 9 Monate 1 Woche

Er trifft es so genau auf den Kopf, das ist schon phantastisch. Aber leider nicht die Meinung dieser woken linken Gesellschaft.