Raus aus dem Dschungel der Täuschungen

Als Donald Trump in seiner Inaugurationsrede verkündete, es gäbe zwei Geschlechter, Mann und Frau, erntete er vor Ort tosenden Applaus. Auch in Teilen der Sozialen Medien war die Euphorie groß. Dabei hatte der 47. US-Präsident nur eine biologische Tatsache verkündet. Diese aber wurde, und daher die Begeisterung, ja Erleichterung, in den vergangenen Jahren von woken Ideologen radikal geleugnet. Stattdessen verstieg man sich darin, dass jeder sein Geschlecht selbst bestimmen könne.
Dabei hatte man, wie etwa bei Facebook, die Wahl nicht nur zwischen zwei, sondern zwischen 60 sozialen Geschlechterdefinitionen. Linksgrüne Medien und Regierungen schlossen sich der woken Ideologie an, und zwar derart, dass sie mit aller Gewalt diese willkürlich behauptete Realität durchsetzen wollten. Eine klare Machtdemonstration.
Keine Frage, wer das Narrativ beherrscht, herrscht auch über Menschen, über das, was sie glauben, denken und sagen sollen. Weicht jemand davon ab, gilt er als verdächtig. Dann werden politmediale Diffamierungs-Kampagnen losgetreten, um die Abtrünnigen mundtot zu machen. Besonders perfide ist dabei, dass es nicht um die Suche nach der Wahrheit geht, wie konsequent behauptet wird, sondern eben darum, die Deutungshoheit zu haben.
Anders gesagt, es werden bewusst Täuschungen aufgebaut, durch die das abtrainiert werden soll, was eine stolze Errungenschaft der europäischen Aufklärung ist: das sapere aude, das Wagnis also, den eigenen Verstand zu bedienen, ohne sich von anderen lenken zu lassen. Man muss sich klarmachen: Demokratisch ist das nicht. Sondern vielmehr ein typisches Kriterium von Autokratien und Diktaturen. Dabei gibt es auch die krudesten Behauptungen, wie etwa in Nordkorea, wo dem Volk eingeredet wird, dass ihre Machthaber beim Toilettengang niemals ein „großes Geschäft“ erledigen würden.
Das Immunsystem des Betrogenen
Die Krux ist, und das nicht mal selten: Selbst, wenn die Beweise erdrückend sind, dass es sich um eine Lüge handelt, werden sie konsequent ignoriert. Man denke nur an das Betrugs- und Täuschungsgeflecht rund um die sogenannte Pandemie – bis heute weigern sich die meisten, es anzuerkennen. Stattdessen rennen sie lieber den nächsten Lügen hinterher.
Wahrscheinlich ist der einmal Betrogene ohnehin anfälliger dafür, weil sein diesbezügliches Immunsystem nicht mehr richtig funktioniert oder weil man, einmal eingestiegen, aus dem Trugsystem nicht mehr herausfindet. Das wiederum macht denen zu schaffen, die die Lügen durchschaut haben. Sie fragen sich, wie soll man das den anderen vermitteln, während die überhaupt keine Aufklärung wünschen, sondern sich weiterhin in den Kokon ihrer Illusionen zurückziehen wollen.
Das jedoch ist keine reine Privatsache, sondern kann gesellschaftspolitische Auswirkungen haben. Unter anderem lässt sich das auch am Beispiel der sogenannten „Wannseekonferenz 2.0“ darlegen. Gemeint ist damit ein Treffen in Potsdam im November 2023, bei dem sich AfD- und CDU-Politiker mit Anhängern der Identitären Bewegung zusammensetzten. Das Medienportal „Correctiv“ recherchierte dort undercover und inszenierte seinen darauf basierenden, im Januar 2024 veröffentlichten Bericht als wahre Gruselstory.
Demnach soll bei diesem Treffen ein großer Massenvertreibungs-Plan von Millionen Menschen mit „falscher Hautfarbe oder Herkunft“ beschlossen worden sein. Das schlug massive Wellen im Land und veranlasste die deutsche Regierung, die Bevölkerung zu Demonstrationen aufzurufen. Tatsächlich zogen in zahlreichen Städten schon bald Tausende aufgepeitscht durch die Straßen, um „gegen rechts“ im Allgemeinen zu demonstrieren und „gegen Massendeportationen“ im Speziellen.
In den Fängen von „Correctiv“
Berechtigte Zweifel am „Correctiv“-Bericht wurden gar nicht erst zugelassen, gleichwohl sich die darin aufgestellten Behauptungen nach und nach als reine Luftnummern erwiesen. Dass das Medienportal regelmäßig Steuergelder kassiert, wäre ohnehin ausreichend für erste Verdachtsmomente. „Correctiv“ selbst räumte bereits im Februar ein, keine Tatsachen dargestellt zu haben, sondern zuvorderst „unsere Auffassung“ und „wertende Schlussfolgerungen“.
Regierung und etablierte Medien hätten sich spätestens da anschließen und das richtigstellen müssen – aber sie taten es nicht. Obwohl es bis heute keine belastbaren und konsistenten Nachweise über eine angebliche „Massendeportation“ gibt, wird diese Lüge einfach weiterverbreitet.
Dass sich „Correctiv“ in Desinformationen verstrickt hat, störte auch die Medienstiftung der Leipziger Sparkasse nicht, die dem Medienportal einen mit 10.000 Euro dotierten Preis verlieh – wegen seiner „herausragenden Kontrollfunktion“ in einem Geflecht aus „Desinformationen, Halbwahrheiten und Falschbehauptungen“. Angesichts dessen fragt man sich: Geht es noch abstruser?
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Eine Realität, die nur imaginiert ist, nennt sich auch Pseudorealität. Man kennt die Neigung zu Pseudorealität beispielsweise aus Sekten: Eine Wirklichkeit muss nicht wahr sein, damit die einzelnen Mitglieder an sie glauben, sie muss sich nur plausibel genug anhören. Um das zu erreichen, werden sogar ein paar Körnchen Wahrheit eingestreut, allerdings nur so viele wie unbedingt nötig, um das Lügenkonstrukt nicht allzu fantastisch und eben genug glaubwürdig wirken zu lassen.
Dass sich daraus Widersprüche ergeben, ist charakteristisch für Pseudorealitäten, aber ebenso typisch ist auch, dass diese nicht als solche identifiziert werden. Finden sich genug Menschen, die daran glauben oder sich dem nicht entschieden entgegenstellen, ist die erdachte Realität als tatsächliche Realität akzeptiert. Sie fällt besonders bei denen auf fruchtbaren Boden, denen es ohnehin schwerfällt, mit der Wirklichkeit zurechtzukommen. Das bedeutet, eine kollektive Pseudorealität hat vor allem dann Hochsaison, wenn genug Menschen das Verlangen danach haben, der Realität zu entfliehen.
Antworten in der Philosophie
Wie aber umgehen mit einer Realität, die gar keine ist, sondern nur dafür gehalten wird? Dabei muss allerdings auch gefragt werden, wie nahe wir überhaupt an das herankommen, was wir Wirklichkeit nennen.
An dieser Stelle ein philosophischer Exkurs. Gemäß Arthur Schopenhauer sitzt das Ich an den entscheidenden Schalthebeln, um sich einzumischen in das, was es vorfindet – und es bevorzugt zu seinen Gunsten auszulegen.
„Die Welt ist meine Vorstellung: – dies ist die Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt“,
schrieb der Philosoph in seinem erstmals 1819 erschienenen und 1844 und 1859 erweiterten Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“.
Dazu passt ein Zitat des Schweizer Schriftstellers Max Frisch:
„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.“
Der französische Philosoph Jean Baudrillard (1929-2007) stellte die provokante These auf, dass die Realität ohnehin nicht mehr existiere, da sie von der Fiktion nicht mehr zu unterscheiden sei. Original oder Kopie, wer weiß das schon beziehungsweise wer will es überhaupt wissen. Durch eben diese Ununterscheidbarkeit sei, so Baudrillard, eine neue Realität entstanden, die sogenannte Hyperrealität. Gemeint ist damit eine eigenständig existierende Realität, eine exakte Verdopplung der Welt, ohne Bezug zum Realen, ohne Bezug zu den eigentlichen Phänomenen.
Gemäß Baudrillard wäre es ohne die Globalisierung nie so weit gekommen. Sie habe sukzessive eine künstliche Welt hervorgebracht, die auf Schein und Simulation gründe; „Kopie eines Originals, das es nie gegeben hat.“ Dennoch agiert man so, als hätte man keine Ahnung davon – oder man hat wirklich keine. Vielmehr schafft man eigens künstliche Welten, um den Anschein zu erwecken, alles Übrige sei real. Disneyland zum Beispiel. Eine einzige Übertreibung aus Märchenschlössern und Kitsch bis zum Exzess – offensichtlicher lässt sich das Unechte nicht inszenieren.
Doch seine Existenz dient nicht dem Imaginären, sondern soll, so folgerte Baudrillard in seiner 1978 veröffentlichten Schrift „Agonie des Realen“, das „reale“ Land, das „reale“ Amerika, das selbst ein Disneyland ist, kaschieren. Einen anderen Ausweg gibt es seiner Logik zufolge ohnehin nicht. Nur indem man überdeckt, dass das Reale nicht mehr das Reale ist, lässt sich das Realitätsprinzip überhaupt noch retten.
Zugegeben, mit Baudrillard wird einem irgendwann schwindelig, spätestens bei Aussagen wie „Der Golfkrieg hat nicht stattgefunden“, sei er doch nur ein „simulierter Nicht-Krieg“ auf der „strategischen Bühne des Fernsehschirms“. Hat er denn Recht? Wenn ja, wenn also alles nur noch Simulation ist, wozu die Wirklichkeit suchen? Darauf lässt sich antworten: Jetzt erst recht. Denn: Wenn wir die Realität aufgeben, werden wir nur noch zum Spielball der jeweils Mächtigen. Und das wäre nicht zuletzt auch ein Verrat an uns selbst, an unserer eigenen Würde.
Kommentare
Ein Blick zu den Philosophen hilft Orientierung zu finden. Die Verwirrung unserer Köpfe ist so groß, dass solch philosophische Betrachtungen einen Weg aus dem Irrgarten aufzeigen können.