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Kolumne „Ein bisschen besser“

Welche Top-Managementqualitäten es in der Beziehung braucht

Richtige Top-Manager haben immer einen gut, wenn sie nach ihren Fehlern gefragt werden. Sie dürfen dann antworten: „Ungeduld“ und ein leise dröhnendes „Hoho“ von sich geben. Denn Ungeduld gilt als lässliche Sünde - bringt ein Schuss davon doch die Dinge schneller voran. 

Ich bin in diesem Sinne ein absoluter Top-Manager, was mir meine Frau Judith auch immer wieder versichert, wenn ich die Tagesbefehle ausgebe. Ich mache auch das sehr geschickt, weil ich nie direkt Aufträge verteile, da Judith und ich eine Ehe auf Augenhöhe führen. 

Ich sage: „Wir sollten jetzt dem Töchterchen etwas zu Essen machen.“ Oder: „Wir müssten mal Paniermehl kaufen, wenn es heute Schnitzel geben soll.“ Das „Wir“ schließt mich ausdrücklich ein und ist ein Kniff, der signalisiert, dass ich mir nicht zu schade bin, es auch zu tun, wenn ich denn nur die Zeit dafür hätte. 

Am Geduldsfaden arbeiten

Mir ist bei Judith allerdings aufgefallen, dass weder meine Tagesbefehle noch das vergemeinschaftende „Wir“ zuverlässig ihren Zweck erfüllen. Manchmal zündet sie sich dann erst recht ein Zigarettchen an und alles bleibt liegen, wenn ich es nicht selbst mache. Ich denke, dass Beziehungen auf Augenhöhe deswegen immer wieder sehenden Auges in Problemlagen hineinlaufen.

Für die beginnenden Ferien an der oberitalienischen Seenplatte habe ich mir also vorgenommen, an meinem Geduldsfaden zu arbeiten. Ich habe als Lektüre den Rilke ins Gepäck genommen, nicht weil ich hier prahlen will, dass mir die deutschen Dichter und Denker so nahe stünden, sondern weil der über die Geduld schrieb, dass alles ein Austragen und Gebären sei und dass der Sommer zu den Geduldigen komme, „die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen liege“.

Es wäre ein bisschen besser …

„Wir könnten mal die Hängematte aufhängen“, höre ich Judith in der ersten Ferienstunde hinter mir rufen. Auch sie beherrscht das „Wir“ tadellos. Ich lasse im Liegestuhl auf der Steinterrasse vor dem verfallenen Palazzo mit Blick auf den Comer See keine Regung erkennen, denke darüber nach, ob mein Bauch dem einer Gebärenden gleicht und gebe mir Mühe, so auszusehen, als läge die Ewigkeit vor mir. 

Die Hängematte hängt noch immer nicht. Schnitzel gibt es auch keins. Vermutlich wäre es ein bisschen besser, ich arbeite weiter an meinen Top-Managementqualitäten.

 

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