Warum Gartenmachen gut für die Beziehung ist
Meine Frau Judith und ich hatten Ehestreit und das kam so: Ich habe versucht, wie der Prinz mit dem Schwert den Weg zu unserem völlig zugewachsenen Palazzo an der lombardischen Seenplatte freizuschlagen. Mein Schwert war eine kreischende Motorsense, anschließend eine heulende Kettensäge, die in Kreisen, die solcherlei Arbeiten gern ins Lächerliche ziehen, „Rindenmoppet“ genannt wird.
Schließlich hatte ich noch einen rasselnden Heckenschneider eingesetzt. Ich hatte es mit zischenden Schlangen und brummenden Hornissen zu tun. Ein Mund-Nase-Augen-Gitter schützte mich nur notdürftig, Dornen drangen durch meine schwerledernen Handschuhe, während ich die Augenlider zu Sehschlitzen wie in einem Panzer zusammenkniff.
„Schatz, kann ich auch etwas tun?“, flötete Judith von der sonnenbeschienenen Terrasse, und als ich ihr bedeutete, sie könne ein paar Steine dort von der Erde aufklauben, wo ich gerade eine Schneise geschlagen hatte, nahm das Unglück seinen Lauf: Nur niedere Arbeiten würde ich verteilen, den tollen Hecht mimen, voll auf dem Männer-Maschinen-Trip abfahren, alles besser wissen und überhaupt.
Was die berühmten Gärtner der Weltgeschichte sagen
Ich gab der Motorsense Zunder, aus dem Kreischen wurde ein ohrenbetäubendes Heulen. Steine, Staub und Sträucher hüllten mich in eine undurchdringliche Wolke, ich hätte mich auf Alpha Centauri beamen können, aber nein: Ich versetzte mich umgeben vom Staub der Gartenarbeit in die berühmten Gärtner der Weltgeschichte. In die Hildegard von Bingen zum Beispiel: Die Erkenntnis gleiche dem Grün der Blätter, schreibt Hilde. „Was der Saft im Baum ist, ist die Seele im Körper. Das Gemüt ist wie die zuerst hervorbrechende Knospe, die Vernunft wie die voll ausgereift Frucht.“
Oder Hermann Hesse: „Wir Dilettanten und Faulpelze, wir Träumer und Winterschläfer, sehen uns eben wieder einmal vom Frühling überrascht und betrachten mit Bestürzung, was alles die fleißigeren Nachbarn schon getan haben, während wir ahnungslos in angenehmen Winterträumenlebten.“ Oder der Konrad Adenauer, der Memoiren schreibend in seinen Garten mit Forsythien, Tulpen, Hortensien, Rosen, Blauregen, Astern und Christrosen starrte und – so ist es überliefert – im Ton der Rheinländer den Befehl erteilte: „Es wird durchjeblüht.“
„Jetzt wird durchjeliebt“
Ich stelle die Motorsense aus, Stille legt sich über die lombardische Seenplatte. Ich wende mich Judith zu: „Du hervorbrechende Knopse“, sage ich, „lass mich dein im Saft stehender Baum sein. Wir wollen gemeinsam von den Winterträumen in die Gespiele des Sommers ziehen. Die Nachbarn können uns mal. Jetzt wird durchjeliebt.“
Schwupps, schon ist es wieder ein bisschen besser zwischen uns beiden. Was für ein toller Hecht ich doch bin, denke ich bei mir und tanke die Maschinen voll.
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