Was kommt nach „woke“?

Traditionell kommen die meisten kulturellen Trends von der anderen Seite des Ozeans nach Europa. Ganze Generationen wurden von Popstars, Fernsehserien und Modetrends „Made in the USA“ geprägt. Im vergangenen Jahrzehnt kam die sogenannte „Wokeness“ dazu, die wie ein Gift in die Universitäten und den Kulturbetrieb eingedrungen ist. Bekenntnisse zu „Black Lives Matter“ oder „Me Too“ wurden zum Muss und der Hass auf die eigene Identität, Vergangenheit und Geschlechtlichkeit zur Normalität.
Nun scheint langsam ein neuer Wind zu wehen, und es erscheinen verschiedene Arten einer post-woken Kultur. Werden die USA abermals zum Trendsetter, und färben diese neuen kulturellen Trends auch auf Europa ab?
Donald Trump kann zwar nicht von heute auf morgen die Netflix- und Hollywood-Produktion einstellen und die gesamte Kulturbranche verändern. Doch das ist auch nicht notwendig, denn es passiert organisch. Trump öffnet den Raum dafür. Seit dem Tag eins macht er klar, dass die Woken das Kulturmonopol verlieren werden und der tonangebende Stil von anderen Akteuren ausgehen wird.
Ein heiß diskutiertes Titelbild
MAGA („Make America Great Again“) ist deshalb nicht nur eine politische, sondern auch eine kulturelle und ästhetische Bewegung. Sie entspricht vielleicht nicht den gehobenen Milieus der Intellektuellen in New York, ist aber unmissverständlich amerikanisch, elegant und explizit männlich oder weiblich. Ob nun die Ladies der Trump-Familie, die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, oder Alina Habba, die Chefstrategin des Weißen Hauses: die charismatischen, oft blonden und chic angezogenen Frauen verkörpern ein neues Lebensgefühl einer post-feministischen und post-woken Welt.
Sie sind keine Hausfrauen, sondern haben Karrieren und Kinder, bestehen aber auf einer traditionellen Vorstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit. Ebenso die Männer: Sie haben keine Angst vor Männlichkeit und streben nach Erfolg und Macht. Diese Männer und Frauen wollen die Zukunft für sich und ihre Nachkommen gewinnen. Sie wollen eine Zukunft, die nicht einer Dystopie ähnelt, sondern eine, die sich wieder zum Wohlstand, zur Schönheit und zur Familie bekennt.
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Vielleicht werden sich manche an das Titelbild des New Yorker Magazin vom 28. Januar erinnern, das in den sozialen Netzwerken heftig diskutiert wurde. Darauf wurden junge, attraktive und gutgelaunte Menschen abgebildet, die bei einer MAGA-Party feiern. „Der grausame Kindertisch: Mit den jungen Rechten unterwegs, während sie über die kulturelle Vorherrschaft nachdenken“, lautete der Titel auf dem Cover.
Wie sich später herausstellte, wurde dafür ein Ausschnitt des Bildes gewählt, auf dem keine Menschen mit anderer als weißer Hautfarbe zu sehen waren, obwohl dies mitnichten der Realität entsprach. Doch das ist sekundär. Was zählt, ist die ansprechende Ästhetik einer neuen Bewegung. Sie ist zwar elitär, doch meilenweit von blauhaarigen, tätowierten, non-binären Kids der Kalifornien-Elite entfernt. Das haben auch linke Journalisten erkannt und deshalb diese gutaussehenden und coolen jungen Männer und Frauen ohne Grund als „grausam“ bezeichnet. Somit musste das Thema der Ästhetik einer vermeintlichen Moral weichen.
Das Phänomen von Dimes Square
Doch anti-woke Bewegungen entstehen nicht nur auf der traditionell rechten und republikanischen, sondern bisweilen auch auf der kulturell linken Seite. Ein interessantes Phänomen stellen die Hipster des New Yorker Viertels Dimes Square dar. Dort formte sich insbesondere während der Corona-Jahre eine junge, urbane Szene, die zwar vom Lifestyle her aus der Linken hervorgeht (viele von ihnen unterstützten bis 2016 den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders), die aber die linksliberalen Narrative und die kulturelle Dominanz der Wokeness satthaben.
Sie sind kreativ, innovativ und halten sich für die Vorboten eines neuen Zeitgeistes. Sie produzieren eigene Zeitungen, Theaterstücke und Podcasts. Dass es hierbei nicht nur um eine Subkultur geht, bewies vor einigen Jahren die Tatsache, dass eins dieser Projekte, der Podcast „Red Scare“, vom bekannten Milliardär Peter Thiel finanziert wird.
Spannende Optionen auch für Europa
Heute gehören die beiden russischstämmigen Protagonistinnen des Podcasts, die Autorin Anna Khachiyan und die Filmemacherin Daria Nekrasova, zum erweiterten Kreis der Trump-Unterstützer. Auf ihren Instagram-Bildern posieren sie zunehmend mit bekannten Akteuren der rechten US-Szene wie Tucker Carlson, Alex Jones oder Robert F. Kennedy. Sie kokettieren mit Tabu-Themen, mit Sexualität und Religion und generieren so für sich Aufmerksamkeit von Links und Rechts.
Obwohl diese Szene nicht genuin rechte Werte und Ästhetik vertritt, bezeugt gerade sie, dass Wokeness und linksliberale Werte ausgedient haben und mit Trump spannendere Optionen ins Spiel kommen.
Was können wir davon für Europa mitnehmen? Der umstrittene Publizist und politischer Berater Steve Bannon erklärte einmal, dass Politik der Kultur nachgeordnet ist. Vitale Milieus – ob nun urban oder ländlich, ob traditionell oder modern – sind der Anfang jeder echten politischen Veränderung. Deshalb können uns auch die gegenwärtigen Trends aus den USA dazu motivieren, diese aufzubauen.
Kommentare
Liebe Frau Ballova, man sieht gerade sehr genau, was nach "woke" kommt: eine Regierung, die systematisch die Gewaltenteilung und Pressefreiheit außer Kraft setzt. Es gibt genügend Äußerungen dazu: Trump über die Berichterstattung über ihn, Vance über richterliche Unabhängigkeit, Musk schickt sich an, sein Firmenimperium gegen Regulierung abzusichern.
Es gibt hier nicht nur eine dringend notwendige Korrektur, sondern das Pendel schlägt zu weit in eine ebenfalls falsche Richtung aus.
@Braunmüller da stimme ich Ihnen zwar auch nicht zu aber vielleicht lesen Sie den Text nochmal, um besser zu verstehen, dass die Rede nicht von Politik war.
Bevor wir das Kind mit dem Bade ausschütten, sollten wir aber als Christenmenschen trotzdem festhalten: Das Leben eines schwarzen Menschen ist genauso wertvoll wie das eines weißen Menschen, denn beide sind Gottes Ebenbild. Und: Nein, es gibt keine Vorherrschaft des Mannes über die Frau, die so beschaffen ist, daß er Frauen sexuell belästigen und mißbrauchen darf.
@Martin Was hat Ihr Kitsch jetzt genau mit dem Artikel zu tun?