Freundschaft trotz(t) Politik

Unsere Gesellschaft ist politisiert und polarisiert, doch es sollte nicht dazu führen, dass wir nur Freundschaften innerhalb des eigenen Meinungskorridors pflegen. Im Moment wirken Donald Trump und dessen Politik wie ein Katalysator auf unsere Gesellschaft. Und während sich die Welt immer schneller zu drehen scheint, ist es der normale Alltag mit Familie und Freunden, der uns Halt im Leben gibt. Freundschaften sind wichtiger als Politik. Das wurde mir in den vergangenen Tagen nach dem Besuch einer Freundin unserer Tochter bewusst.
Die beiden Mädchen sind beste Freundinnen, und wenn sie zusammen spielen, malen und sich verkleiden, diskutieren sie auch das eine oder andere gesellschaftliche Thema. Unsere Tochter findet Donald Trump gut, aber ihre Freundin erklärte vor einiger Zeit, dass sie ihn nicht so gut finden könne, weil ihre Mutter dank ihm gerade ihren Job verloren habe.
Tatsächlich hat ihre Mutter für USAID gearbeitet, die Organisation, deren Personal und Budget dank Trump massiv gekürzt wurde. Die ursprünglich unabhängige Agentur koordinierte die Entwicklungshilfe als Teil der Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Sie war der Trump-Administration schon vor den Wahlen ein Dorn im Auge, weil sie zunehmend politisch wurde und sich unter dem Deckmantel der Stärkung der Demokratie in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischte. Nun diskutierten die Kinder auch beim Mittagessen bei uns verschiedene Themen, doch immer verständnisvoll und freundlich.
Ich dachte in dem Moment, wie angenehm es ist, wenn man schöne Freundschaften trotz unterschiedlicher Meinung in bestimmten Punkten haben kann. Es ist wichtig zu verstehen, dass jeder gemäß seiner Situation, Prägung und sozialen Gruppe denkt. Politische Ansichten sind keine rein rationale Sache, sondern stark von äußeren Zugehörigkeiten und Einflüssen abhängig.
Die Brandmauer existiert zunehmend auch im privaten Bereich
Bisweilen ist es aber auch so, dass man dank der Politik neue Freunde kennenlernt und gerade dort, wo man es nicht erwartet. Beispielsweise ist ein junger, eher linker Israeli in Austausch mit uns gekommen, weil er die MAGA-Bewegung in den USA spannend findet. Er zeigte uns seine Artikel zu Vizepräsident J. D. Vance und überlegt, wie man Ähnliches in Deutschland aufbauen kann. Es ist eine Bereicherung, politische und gesellschaftliche Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und zu diskutieren.
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Während es im angloamerikanischen Raum und hier in Brüssel noch eher möglich ist, trotz unterschiedlicher Meinungen Freundschaften zu pflegen und sich auszutauschen, sind in Deutschland die Fronten leider verhärtet. Die Brandmauer existiert nicht nur in den Parlamenten, sondern zunehmend auch im privaten Bereich.
Freundschaften außerhalb der eigenen Gedankenwelt
Als Mutter macht mir eine solche Entwicklung aber besonders Sorgen. Unsere Kinder sollen frei, neugierig und offen für Neues aufwachsen, natürlich im Bewusstsein der eigenen Werte und Positionen. Wir leben in Zeiten, in denen es nicht mehr möglich ist, eine neutrale Position einzunehmen: In der Außenpolitik, in der Wirtschaft und im Lebensstil prallen völlig gegensätzliche Welten aufeinander. Man wird durch die politische Realität auf die eine oder andere Seite gedrängt.
Aber die junge Generation kann sich nicht nur in ihre eigenen „Nischen“ flüchten; es ist wichtig, den Diskurs und die Freundschaft außerhalb der eigenen Gedankenwelt zu suchen. „Ich kann total verstehen, dass du Donald Trump magst, aber für mich ist das nicht so einfach“, sagte ein siebenjähriges Mädchen und war damit in ihrer Reife vielen von uns Erwachsenen voraus.
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