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Kolumne „Küchenlatein“

Gefüllter Tintenfisch – Ein Highlight der kroatischen Küche

Ich werde nie vergessen, dass ein kroatischer Verlag der erste war, der eine Übersetzung meines Buchs „Le déclin“ (deutsch: „Auf dem Weg ins Imperium“) vorlegte und mich spontan zu einer Podiumsdiskussion mit Alain Finkielkraut nach Zagreb einlud. 

Eine der schönsten kulinarischen Entdeckungen auf dieser Reise, die mittlerweile nahezu zehn Jahre zurückliegt, waren gefüllte Tintenfische, die ich dann kurze Zeit später erneut, diesmal mit Sicht auf See, im ungleich maritimeren Dubrovnik bestellen konnte.

Angesichts der wunderbaren Aussicht wie auch des hervorragenden Weins hatte ich das Gefühl, mich fast schon auf Morea, ja vielleicht sogar Zypern zu befinden. 

Seitdem habe ich es immer wieder zu Hause versucht und jedes Mal sehr zufriedenstellende Ergebnisse erzielt, auch wenn es schade ist, dass man aufgrund der manchmal etwas defizitären gastronomischen Situation in Polen keine frischen Tintenfische bekommt, sondern bestenfalls tiefgefrorene Tiere eher obskurer Herkunft aus chinesischen Läden, die zudem für unsere Zwecke immer etwas zu groß sind.

Vorbereitung

Die Zubereitung des Gerichts ist recht unproblematisch, wenn man ein wenig Erfahrung mit Tintenfischen hat. Wenn die Weichtiere bereits ausgenommen und eingefroren vorliegen (eigentlich eine Schande, aber was will man machen), kann man sie sofort in eine kochende Gemüsebrühe geben, um sie dort ein paar Minuten auftauen und gleichzeitig aufweichen zu lassen.

Ansonsten sollte man sie unter fließendem Wasser selber ausnehmen, säubern und mit Salz einreiben, was immerhin den Vorteil hat, dass man die Tentakel entsprechend für die spätere Zubereitung nutzen kann (und die Kinder mit dem leichten, aber sehr soliden Kopfknochen spielen oder die Funktionsweise des Schnabels erkunden können).

Die Füllung

Hierauf gilt es, die Füllung vorzubereiten – das ist immer der Moment, wo die besten Gerüche entstehen und der Nachwuchs denkt, das Essen sei doch eigentlich schon fertig. Zwei große Zwiebeln, ein paar Frühlingszwiebeln und vier oder fünf Knoblauchzehen zerhacken und mit reichlich Olivenöl anbraten, dann den Bacon (und eventuelle Tentakel) ebenfalls zerkleinern, zugeben und etwas kross braten, und schließlich die ähnlich zerteilten Pilze hinzufügen. 

Alles hübsch braten lassen, dann sehr viel Petersilie und etwas Pesto Rosso beigeben und schließlich den Kräuterkäse, bis eine kompakte Masse entsteht, die weder zu flüssig sein soll noch zu hart.

Die Eigenschaften des Tintenfisches

Über Meeresfrüchte und Tintenfische könnte (und sollte) ich einmal einen ganzen Roman schreiben: Was dem Hobbit die Pilze oder das Pfeifenkraut sind, bedeuten mir jene in Mittel- und Osteuropa so sträflich vernachlässigten Meeresbewohner. Kaum ein Nahrungsmittel ist außerhalb seines Elements fragiler und kurzlebiger, aber kaum eines hat einen intensiveren Eigengeschmack (vom Nährwert ganz zu schweigen). Freilich, Tintenfische benötigen eine ganz besondere Behandlung, um ihren eher feinen Geschmack ganz zur Geltung zu bringen (anstatt ihn unter Saucen oder Panaden zu begraben) und die Bissfestigkeit zu wahren (anstatt jene Gummi-Konsistenz zu schaffen, die man in vielen Restaurants leider vorfindet). 

 

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Gefüllte Tintenfische sind daher eine ideale Art und Weise, den Geschmack des Weichtiers durch die Kombination mit der Füllung zu sublimieren, gleichzeitig aber auch Form und Konsistenz in seiner Gänze zu wahren und dem Gourmet zudem die Freude des Zerteilens mit dem eigenen Messer zu ermöglichen, anstatt lediglich bereits unpersönlich vorgeschnittene Happen aufspießen zu müssen.

Zubereitung

Apropos: Nun beginnt der haptische Teil. Die gegarten Tintenfische müssen händisch mit der in der Pfanne zubereiteten hellroten Masse schön prall gefüllt und dann mit einem Zahnstocher entsprechend geschlossen werden – da ist ein gewisser Glitsch-Effekt unvermeidbar. Danach sollte alles noch einmal mit ausreichend Olivenöl in die Pfanne gegeben und ein Viertelstündchen auf kleiner Flamme gebraten werden – gerne dabei ungewaschen dieselbe Pfanne benutzen wie für die Füllung, da dessen Residuen den Tintenfischen auch von außen denselben wunderbaren Geschmack verleihen. Ein Teil der Füllung sollte übrigens aufbewahrt und unter entsprechender Zugabe von Olivenöl gemixt werden; hieraus lässt sich eine nette Soße herstellen.

Und das war eigentlich auch schon alles! Als Beilage empfehlen sich Reis und zum Beispiel Zucchini aus der Pfanne (leicht mit Zwiebeln und Knoblauch anbraten) – und natürlich ein guter kroatischer oder italienischer Weißwein, zum Beispiel ein Pinot Grigio aus Venetien.

Eine Hommage an die kroatische Küche

Ein Wort zum Schluss – man möge mir den ehrlich gemeinten Werbeblog verzeihen: Die kroatische Küche, so wie ich sie bisher kennengelernt habe, ist wirklich ausgezeichnet. Die besten Einflüsse der mediterranen Küche, allen voran der venezianischen, dazu eine gewisse Öffnung in den Balkan und ehemals osmanischen Raum hinein und schließlich ein Schuss k.u.k. Raffinements haben eine einmalige Fusion entstehen lassen, die sich durchaus mit den anderen großen Kochtraditionen Europas messen kann. Unzählige mediterran beeinflusste Fischgerichte entlang der dalmatischen Küste, Trüffel in Istrien, österreichisch angehauchte Knödelspeisen und Desserts im Norden, ungarisch anmutende Eintöpfe und Gulaschgerichte im slawonischen Osten und schon fast türkisch wirkende Braten und andere Fleischspezialitäten in Zentralkroatien, dazu eine ebenso große eigene Bier- wie Weintradition.

Die kroatische Küche ist aus überaus heterogenen Quellen gespeist, die sich gegenseitig aufs Schönste beeinflussen und verfeinern, und so ist ein Urlaub in Kroatien gleichzeitig auch schon eine kleine kulinarische Europareise, die man nur empfehlen kann.

Guten Appetit!

Zutaten

  • Tintenfische (je nach Größe 1-2 pro Person)
  • Pilze
  • Bacon
  • Petersilie, Zwiebeln, Frühlingszwiebel, Knoblauch
  • Roter Pesto
  • Kräuterkäse
  • Zahnstocher
  • Zucchini
  • Reis

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