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Männer und Mode

Bringt den Gentleman zurück!

Kleider, behauptete einst ein gewisser Gottfried Keller, machen Leute. Seine dieser Erkenntnis entsprechend getaufte Novelle aus dem Jahre 1847 gehört zum Repertoire eines Deutschlehrers wie der Budapester zur Cordhose. Zwar haben wir nicht mehr 1847, was, wenn der Besuch beim Zahnarzt ansteht, erfreulich ist. Kleidung jedoch spielt immer noch eine wichtige Rolle in unserem Leben, weil sie funktional ist, eine Botschaft übermittelt und uns darüber hinaus ästhetisch anzusprechen weiß.

Nichts hat das in den letzten Wochen deutlicher gemacht als der Kino-Schlager „Barbie“, der, nebst anderen Dingen, auch ein Fest für das modeaffine Auge war. Beinahe mehr als der Film selbst hat das Auftragen der ikonischen „Barbie“-Outfits durch Hauptdarstellerin Margot Robbie bereits im Vorhinein Aufsehen erregt und das Werk mit Erfolg beworben.

Kleider machen also immer noch Leute, zumindest die weiblichen Leute. Doch wie steht es um die Männer? Sie führen in der Modewelt, ganz wie Barbies Freund Ken, ein Leben an der Seitenlinie. Sicher, in der Branche selbst kommen sie vor – zahlreiche traditionsreiche Labels tragen die Namen ihrer männlichen Schöpfer, und auch unter den jungen Designern finden sich nicht ausschließlich Frauen. Männermode findet man auch in prächtigen Schaufenstern deutscher Innenstädte, wo die Quadratmeterpreise und die Ansprüche umeinander in die Höhe ranken. Doch man vermisst sie im Alltag, und das schmerzlich.

Wo, außerhalb Italiens und der Londoner Innenstadt, trifft man Männermode in freier Wildbahn, außerhalb klimatisierter Luxusboutiquen und stramm konservativer Subkulturen? Gerade in Deutschland gehört der gut angezogene Mann zu den vom Aussterben bedrohten Arten. Er ist der Panda des guten Stils.

Uniform: beige Hose, weiße Turnschuhe

Dabei ist es nicht bloß die modische Geschmacksverirrung, sondern gerade die himmelschreiende Abwesenheit von Geschmack, die einem überall ins Gesicht weht wie ein eisiger Hauch beim Betreten eines Geschäftes in der Münchener Maximilianstraße.

Stattdessen tummeln sich in den Schulen, Universitäten und Museen alte Männer in Funktionsklamotten wie habilitierte Mücken auf einem Stück Apfelkuchen in der Sonne. In der U-Bahn reiben sich durch das Tragen kurzer Hosen freigelegte Männerknie unfreiwillig aneinander und erhitzen so unnötig das Klima. Und in den Büros herrscht eine seltsame Uniformität, in der zwar jeder anziehen darf, was er will, aber scheinbar alle ihre Persönlichkeit am besten durch eine beige Hose und weiße Turnschuhe ausdrücken können. Nur die deutsche Arbeitswelt vermag die Nachteile der Individualität mit jenen der Konformität zu vereinen.

Das Siechtum der Männermode ist in Deutschland kein neues Phänomen, aber es zeigt sich immer deutlicher. Es ist ein unfreiwilliges Gemeinschaftswerk von formfeindlichen Althippies, linksliberaler Wegwerfkultur und der mangelnden Flexibilität konservativer Kreise, die durch ihre Sturheit in Modefragen die Anschlussfähigkeit der Herrenmode ruiniert haben. Doch junge Männer sollten sich davon nicht beeindrucken lassen, denn es gibt Hoffnung!

Vorbild des guten Stils: Cillian Murphy

„Oppenheimer“, was ist der Oppenheimer-Film, wenn nicht – nein, nicht der Gegensatz, sondern das heimliche Pendant zum „Barbie“-Film? Was ist dieses Meisterwerk von Christopher Nolan, wenn nicht in erster Linie eine Hommage an die Ästhetik und Funktionalität, Formsprache und Unbedingtheit des tragischen Heldentums einer Generation, die den Faschismus besiegte und noch Hüte zu tragen wusste? Da wird die Atombombe direkt zur Nebensache.

Jeder, ob bewusst oder unbewusst, sieht sich diesen Film an, weil Cillian Murphy mit stummer Schönheit den Anzug der 1940er-Jahre wiederbelebt, so wie er es schon in „Peeky Blinders“ mit den 1920er-Jahren gemacht hat. Wer, liebe Männer, möchte denn nicht wie Cillian Murphy sein?

Zumindest in die richtige Richtung kann sich mit charmant-maskuliner Leichtigkeit entwickeln, wer ein paar Augenblicke seines Lebens in die passende Garderobe investiert. Die gute Nachricht ist, dass dies die längste Zeit eine Frage des Geldes war. Wer auf zeitlose Klassiker setzt, der spart sogar eher – weil er die Kleidung der Vorfahren, gut kombiniert, auftragen kann. Und weil Wertarbeit länger hält und nicht so häufig ersetzt werden muss.

 Auch ist es keine Frage der Herkunft, wie uns Colin Firth in einem anderen Kinofilm, „Kingsmen“, gelehrt hat: Gentleman ist, wer die innere und äußere Haltung eines Gentleman hat. Britisches Basta. Dazu braucht es keinen Stammbaum und keine Erbmasse, schon gar nicht in Zeiten hochanständiger Second-Hand-Läden.

So viel zur Machbarkeit. Eine andere Welt, in der Männer besser gekleidet sind, ist möglich. Warum aber sollte ein junger Kerl danach streben, sie für sich und sein Umfeld zu verwirklichen? In einer Zeit, in der Memes die Männer von früher jenen von heute gegenüberstellen („Was zur Hölle ist mit unseren Männern passiert?“), ist es wichtig für das männliche Individuum, Maskulinität wieder positiv und als Ideal zu verkörpern.

Bunte T-Shirts und Short stehen für das ewig Jungenhafte

Es gilt, das Toxische in die Wüste zu schicken und den Gentleman zurückzubringen. Es braucht mehr männliche Vorbilder, nicht weniger, doch es braucht die richtigen. Junge Männer sind in der Pflicht, füreinander ein solches Vorbild an heilsamer Männlichkeit zu sein. Dazu gehört es, das ewig Kindliche, ewig Jungenhafte, wie bunte T-Shirts oder kurze Hosen, hinter sich zu lassen. Die Welt da draußen ist kein Spielplatz, sondern ein Ort, der gestaltet werden will, der nach Verantwortung ruft. Darum sollte man (und Mann) sich auch nicht wie für den Spielplatz kleiden.

Wer sich ab und zu in Schale wirft, auf Hemdkragen und vernünftiges Uhr- wie Schuhwerk setzt, der ist auch beruflich erfolgreicher. Zahlreiche Studien belegen, dass dieselbe Person je nach der Kleidung von Probanden stark unterschiedlich eingeschätzt wird – so gilt ein und derselbe Mann beispielsweise als erfolgreicher und durchsetzungsstärker, wenn er eine Krawatte trägt.

Natürlich haben wir das Jahr 2023, was erfreulich ist, wenn wir zum Zahnarzt müssen. Ein Anzug und eine Krawatte sind nicht mehr für jede Gelegenheit die passende Wahl, und „overdressed“ kann auch nach hinten losgehen. Doch ist der klassische Zweiteiler lediglich ein Aushängeschild der klassischen Männermode und, am Ende des Tages, nichts weiter als deren populärster Bruchteil. Tatsächlich eröffnet der Kleiderschrank eines Mannes, wenn er gut sortiert ist, eine schier unendliche Zahl an modischen Möglichkeiten.

Unsere Garderobe, Gentlemen, ist unsere Rüstung, die wir anlegen, wenn wir der Welt erhobenen Hauptes begegnen. Kleider mögen Leute machen, aber es geht uns dabei nicht um die anderen – es geht uns darum, dass wir uns selbst etwas zutrauen. Ein gutgekleideter Mann steht für sich selbst und etwas, dass größer ist als er selbst – auch und gerade dann, wenn das Budget auf Kante genäht ist. Wer also demnächst mit der Herzensdame ein Lichtspielhaus besucht, ob „Barbie“ oder „Oppenheimer", ist gut beraten, zu einer sauberen Hose und einem Kragenhemd zu greifen. Nicht zuletzt aus weiblicher Sicht ist das der Stoff, aus dem Träume gewoben werden.

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