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Mentalitätsunterschiede

Warum Amerikaner Trump lieben und Europäer Trump hassen

Liebe und Hass sind die intensivsten menschlichen Gefühle. Donald Trump ist eine Person, die beides hervorrufen kann. Dabei geht es nicht nur um ihn als Individuum, sondern vielmehr um das, wofür er steht. Natürlich, einiges an der Kritik bezieht sich auf sein moralisches Fehlverhalten als Businessman oder auf seine Affären und Äußerungen über Frauen. Doch man sollte diese Dinge in der Bewertung Trumps nicht zu hoch stellen, denn Politikern wie Bill Clinton werden mehrere sexuelle Belästigungen vorgeworfen, von denen die Lewinsky-Affäre nur die bekannteste ist, und dennoch hat er nicht ein annähernd so misogynes Image wie Trump.

Warum? Weil sein politisch-korrektes Auftreten und seine sozialdemokratische Politik in Europa und jenseits des Atlantiks in den Massenmedien mehr Unterstützung finden als Trumps Disruption. Der aktuelle US-Präsident polarisiert, wie es alle bedeutenden historischen Figuren getan haben. Doch es steht weit mehr auf dem Spiel, als vielen bewusst ist. Die Auseinandersetzung um Trump spiegelt eine tiefere gesellschaftliche und kulturelle Spaltung wider – eine Spaltung, die letztlich das Schicksal des Westens entscheidet.

In den USA erlebt Trump gerade den höchsten Beliebtheitsgrad, wie eine Umfrage von CBS News zeigt. 53 Prozent der Befragten zeigen sich darin mit der Arbeit des Präsidenten zufrieden. 69 Prozent beschrieben ihn als tough, 63 Prozent als energiegeladen, 60 Prozent als zielstrebig und 58 Prozent als effektiv.

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Demgegenüber zeigen Umfragen in Deutschland ein ganz anderes Bild. Eine Forsa-Erhebung im Auftrag des Instituts CeMAS ergab, dass 78 Prozent der Deutschen es ablehnen, einen Regierungschef wie Donald Trump zu haben,der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“. Eine Umfrage von infratest-dimap im Auftrag der „Tagesthemen“ ebenfalls aus dem Herbst zeigte, dass Kamala Harris für die überwiegende Mehrzahl (74 Prozent) mehr überzeuge als Trump.

Scholz und Trump – unterschiedlicher geht es kaum

Ein Blick auf seine Amtseinführungsrede am 20. Januar 2025 verdeutlicht, warum ihn viele Amerikaner verehren. In der Rede sagte er:

„Meine lieben Mitbürger, das goldene Zeitalter Amerikas beginnt jetzt ... Der amerikanische Traum wird bald zurückkehren und gedeihen wie niemals zuvor ... Amerika wird wieder respektiert und bewundert werden, auch von Menschen mit Religion, Glauben und gutem Willen. Wir werden erfolgreich sein, wir werden stolz sein, wir werden stark sein, und wir werden gewinnen wie nie zuvor.“

Diese Worte sind mehr als eine politische Ansprache – sie sind ein Versprechen, eine Botschaft von Stärke, Selbstbewusstsein, Selbstachtung und Hoffnung. Sie wirken fast wie eine religiöse Predigt. All dem steht man in Europa skeptisch gegenüber. Viel eher ist man bereit, sich selbst aufzugeben und sich dadurch einen „moralischen“ Anstrich zu geben. Der Europäer verzeiht es Trump nicht, dass er sein Land an die erste Stelle setzt und damit klarmacht: Wir haben uns nicht aufgegeben. 

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Stellt man dem die Antrittsrede von Olaf Scholz am 11. Februar 2022 gegenüber, offenbart sich eine völlig andere Welt. Scholz verzichtet auf Verheißungen, Visionen oder einen Aufbruch. Stattdessen spricht er in behördensprödem Deutsch von einem „respektvollen Umgang“, von Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sowie von verwaltungstechnischen Prozessen. Diese ideologische Lücke öffnete sich freilich nicht erst mit Merkel oder Scholz, bereits Helmut Schmidt konstatierte: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“

Kühl, sachlich, technokratisch vs. Glaube, Hoffnung und Fortschritt

Kühl, sachlich, technokratisch – doch genau diese Art von Politik wird in weiten Teilen Europas bevorzugt. Es ist unverbindlicher Nice Talk, der niemandem weh tun soll. Es ist ein bequemes Durchwurschteln in der Sinnlosigkeit der Welt. Genau so will es der Europäer, er will in Ruhe gelassen werden beim Sterben in seiner Kultur. 

Warum ist das so? Warum feiern die Amerikaner Trump, während in Europa größtenteils bürokratische Politiker dominieren, die keine inspirierende Vision vermitteln können?

Es liegt an einem fundamentalen Mentalitätsunterschied zwischen den USA und Europa. Die Vereinigten Staaten haben sich einen positiven, selbstbewussten Geist bewahrt – einen Geist des Glaubens, der Hoffnung und des Fortschritts. Europa hingegen schämt sich für seine eigene Kultur und seine religiösen Wurzeln, insbesondere für das Christentum. Amerikaner sind nach wie vor bereit, für ihren American Dream einzutreten, während viele Europäer sich darauf beschränken, ihre Ölheizung gegen eine Wärmepumpe zu tauschen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Natürlich sind die USA janusköpfig. Der liberale, atheistische Geist des Anything goes, des linksliberalen Progressivismus, ist tief verwurzelt, und er war schon immer Teil Amerikas. Und es ist oft dieser Geist, der nach Europa herüberschwappt. Gleichzeitig gibt es in den USA eine starke christliche Bevölkerung, die sich dem Kulturbruch der 1960er-Jahre weitgehend verweigert hat. In den USA stehen sich linksliberale Progressive und christliche Konservative nahezu gleichwertig gegenüber. 

Es liegt am Kulturbruch

Die christliche Kultur Amerikas basiert auf der Idee des verantwortungsbewussten, freien Individuums. Dort ist nicht das Bürgergeld oder der „respektvolle Umgang“ die höchste Errungenschaft, sondern der Aufbau und das Wachstum einer christlichen Nation. In Europa hingegen ist die christliche Identität weitgehend erloschen. Mit der Aufklärung wurde das Christentum hier oft als Herrschaftsinstrument der Obrigkeit gegen das einfache Volk gesehen, nicht als Quelle für den Aufbau einer Nation.

Durch die massiven Kulturbrüche des 20. Jahrhunderts und die Kulturrevolution der 1960er-Jahre hat Europa seine christliche Identität verloren. Das Christentum in Europa ist anachronistisch und hat eher historische Bedeutung.

Man darf nicht vergessen, dass zu einem US-amerikanischen Auftreten auch viel Show gehört. Die Amerikaner sind Nachfahren von Auswanderern, die ursprünglich mit Schiffen eine lebensgefährliche Reise wagten, um auf einem neuen Kontinent ihr Glück zu suchen. Sie müssen einen gewissen Optimismus haben und dürfen nicht zu viel nachdenken, um solcherlei zu tun. Der extrovertierte Amerikaner präsentiert sich immer in guter Laune, fragt immer, wie es einem geht („How are you?“) aber will weder eine Antwort noch die Tiefe der kantischen Philosophie ergründen. „Let’s make a deal“, das ist Amerika. Am besten noch mit Pick-up, Kappe und Country-Songs. 

 

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Der Europäer, vor allem nördlich der Alpen, ist deutlich nachdenklicher, besonnener und weniger an Sensationen interessiert. Nicht sein anderes Temperament jedoch ist der eigentliche Grund für die europäische und vor allem deutsche Ablehnung Trumps, sondern der Kulturbruch, welcher sich in den USA nicht in dieser Form vollzogen hat. 

Dass die katholische Kirche den Anspruch hat, alle Menschen der Welt katholisch zu machen und zu heiligen, ist für kaum einen Bischof in Europa heute noch verbindlich. Gleiches gilt für den europäischen Protestantismus. Die Ansprüche Martin Luthers oder Johannes Calvins, ihre Dogmen und Verbindlichkeiten, sind für das Gros ihrer Anhängerschaft gleichgültig. Niemand geht mehr zur Kirche.

Es gibt keine religiösen Streitigkeiten mehr, weil Religion niemandem mehr wichtig ist. Der „respektvolle Umgang“ ist ein Anzeichen einer sterbenden Kultur, der eine beheizte Wohnung unendlich wichtiger ist als das ewige Leben. Die Frage ist: Was ist heute unser normativer Kompass? Woran glauben wir?

Das Scheitern der Moderne und das Ende der großen Erzählungen

Die Moderne mit ihren großen Verheißungen ist in Europa gescheitert. Die europäische Postmoderne, wie Jean-François Lyotard sie beschreibt, ist das Ende der großen Erzählungen. Aufklärung, Fortschritt und rationale Weltverbesserung stoßen auf Skepsis. Die europäische Gesellschaft glaubt an nichts mehr – und das führt zur Selbstauflösung ihrer Kultur.

Historische Beispiele zeigen: Ohne Glauben und ohne eine große Erzählung verlieren Gesellschaften ihren Lebenswillen. Wer an nichts mehr glaubt, bekommt keine Kinder. Das Leben wird reduziert auf Konsum, Zerstreuung und Vergnügung. Heiraten wird ersetzt durch „Sich ausleben“, weil es keinen höheren Zweck mehr gibt.

Dabei ist die europäische Identität untrennbar mit dem Christentum verbunden. Jede Kathedrale, jede christliche Schule, jedes Kloster und Rathaus spricht davon. Europa hat bereits versucht, neue große Erzählungen an die Stelle des Christentums zu setzen – sei es der Kommunismus oder der Nationalsozialismus. Das Ergebnis war verheerend. Der Mensch kann ohne eine höhere Bestimmung nicht wirklich leben.

Dem European Dream folgen

Der Philosoph Peter Sloterdijk formulierte es treffend: „Das Einzige, was uns begeistert, ist das Unmögliche.“ Und weiter: „Das ist auch der Unterschied zwischen Gott und Teufel. Der Teufel holt Sie dort ab, wo Sie sind. Wie die schlechten Lehrer. Gott erkennen Sie daran, dass er Sie bedingungslos überfordert. Das ist das Einzige, was Enthusiasmus auslöst.“

Das ist es, was wir wieder brauchen in Europa: den Enthusiasmus durch das Unmögliche Gottes. Das kann aber nur geweckt werden, wenn Europa wieder stolz auf seine Vergangenheit und seine Leistungen ist, auf die Philosophie der Griechen, das römische Recht, das Mittelalter, die Christianisierung der Welt. 

Der American Dream ist das Individuum, das sein Glück sucht, der European Dream ist das Eingebettetsein in eine über tausendjährige christliche Kultur, das Abendland, welches die größte und schönste Kultur ist, die in dieser gefallenen Welt je hervorgebracht wurde. Je mehr Menschen bereit sind, daran anzuknüpfen, desto stärker kann auch in Europa gesagt werden: das goldene Zeitalter beginnt jetzt.

 

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