Eine Zensur wird stattfinden
In den vergangenen Jahren wurden in der Bundesrepublik Deutschland durch staatliche, halbstaatliche (z.B. Stiftungen) sowie private Akteure „Meldestellen“ eingerichtet. Diese untergraben zum Teil den deutschen Datenschutz, die Meinungsfreiheit und sorgen dafür, dass auch Handlungen, welche sich unterhalb der Strafbarkeitsgrenze befinden, erfasst werden.
Am 1. Oktober wurde die Meldestelle Respect! mit Sitz im baden-württembergischen Sersheim mit staatlichen Vorrangrechten gegenüber Internetportalen wie Facebook, Youtube, X (ehemals Twitter) und anderen ausgestattet. Erteilt wurde das Siegel „Trusted Flagger“ („vertrauenswürdiger Hinweisgeber“) durch die Bundesnetzagentur, die 1998 aus den Resten des Bundespostministeriums hervorging. Jetzt sollen durch die privaten Meldestellen unliebsame Inhalte „sehr schnell ohne bürokratische Hürde entfernt werden“, so die Bundesnetzagentur in einer Pressemitteilung vom 1. Oktober – faktisch die Aufhebung der Gewaltenteilung. Die Meldungen der „Trusted Flagger“ müssen von den Social-Media-Plattformen mit Vorrang behandelt werden. Elf weitere Organisationen hätten einen Antrag bei der Agentur gestellt, ebenfalls zum „vertrauenswürdigen Hinweisgeber“ gemacht zu werden, fand das Nachrichtenportal Nius heraus.
Brisant: Träger der ersten Trusted-Flagger-Meldestelle ist die Jugendstiftung Baden-Württemberg im „Demokratiezentrum Baden-Württemberg“. Damit ist die Jugendstiftung nicht in echt ein privater zivilgesellschaftlichen Träger, denn das Demokratiezentrum wird vom Grüne-geführten Bundesfamilienministerium sowie anderen staatlichen Stellen, darunter bayerische und baden-württembergische Landesministerien finanziert. Skandalös: Leiter der Meldestelle, so das Nachrichtenportal Nius, ist der Islamwissenschaftler Ahmed Gaafar von der Al-Azhar-Universität in Kairo. Und der hat keinerlei Berührungsängste mit Islamisten, Hamas-Unterstützern und Judenhassern, wie Nius recherchierte.
„Die Jugendstiftung nimmt auch Hinweise auf antisemitische Hetze und Vorfälle in Baden-Württemberg entgegen“, schreibt die Meldestelle auf ihrer Netzseite. Und macht offenbar den Bock zum Gärtner.
Freie Meinungsäußerung als hohes Gut
Zu Anfang ist es wichtig nochmals zu erwähnen, dass es innerhalb der Bundesrepublik Deutschland unveräußerliche Grundrechte gibt. Hierzu zählt auch das in Artikel 5 Grundgesetz verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung: Solange man mit seiner „Meinung“ beziehungsweise „Äußerung“ keine Straftatbestände erfüllt, darf man hierfür nicht belangt werden noch darf die Aussage (Meinung) zensiert oder gelöscht werden.
Die Bundesnetzagentur gab ihre Pläne bereits im März 2024 gegenüber dem Magazin Der Spiegel preis. Im Interview durfte Klaus Müller, Leiter der Agentur und Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, mitteilen, dass es einen „Schiedsrichter“ bräuchte und jemanden, der die „Spielregeln“ durchsetzen würde. Das Tätigwerden seiner Behörde ziele vor allem auf illegale beziehungsweise schädliche Inhalte, „Hass“ und „Hetze“ sowie Falschnachrichten ab. Damit überschreitet die Agentur, eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich von Wirtschaftsminister Robert Habeck (ebenfalls Grüne), glasklar ihre Kompetenzen: Das Gesetz über digitale Dienste (Digital Service Act) der Europäischen Kommission, das im November 2022 in Kraft trat und in Deutschland gilt, erfasst nur illegale Inhalte und Aktivitäten.
So lange kein Straftatbestand erfüllt ist, ist jede Meinung zugelassen
Gemäß Auffassung der Bundesnetzagentur sowie dem Geldgeber der Meldestellen, dem grün geführten Bundesfamilienministerium, sollen die illegalen Inhalte nun um „Hass“ und „Hetze“ sowie Fake-News ergänzt werden. Natürlich ist festzustellen, dass es gefährliche Falsch-Informationen und Verschwörungstheorien gibt, welche auf sozialen Medien die Runde machen. Jedoch gilt auch hier, dass man zwischen Reden, die man selbst hasst – weil sie nicht dem eigenen Weltbild entsprechen –und sogenannten Hassreden, welche etwa den Tatbestand der Beleidigung (gem. § 185 StGB) oder der Volksverhetzung (gem. § 130 StGB) erfüllen, unterscheiden muss.
Wer definiert, was „schädliche Inhalte“ sind, wer legt fest, was man sagen darf und was nicht? Dies ist schon im Grundgesetz normiert, und die politischen Akteure täten gut daran, sich an dieses zu halten. So lange kein Straftatbestand erfüllt ist, ist in diesem Staat jede Meinung zugelassen. Auch wenn manche sie als „Hass“ und „Hetze“ empfinden. Diese Ansicht vertritt auch der Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler: Die Aussage des Leiters der Bundesnetzagentur „ist verfassungswidrig“, zitierte ihn die Schweizer NZZ am 8. Oktober.
Nach einer Woche musste die Bundesnetzagentur auch schon zurückrudern: Sie entferne nach dem Gesetz über digitale Dienste keine Inhalte, schrieb deren Chef Klaus Müller „aus gegebenem Anlass“ auf Twitter, jetzt X. „Plattformen und Dienste behandeln gemeldete Inhalte auf Grundlage der geltenden Gesetze und ihrer Nutzungsbedingungen. Finale Entscheidung liegt wie eh und je bei den Gerichten.“
Datenschutz in schwerer See
Doch es gibt ein weiteres großes Problem: und zwar die Erhebung von personenbezogenen Daten wie Profilnamen, Klarpersonalien, vielleicht sogar Adress- und Geburtsdaten durch den Melder sowie die Weitergabe dieser Daten an Dritte, nichtstaatliche Akteure oder eben die sogenannten „Trusted Flagger“, die „vertrauenswürdigen Hinweisgeber“.
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schützt nämlich gemäß Artikel 1 DSGVO die Grundrechte und Grundfreiheiten der natürlichen Personen. Ebenso darf die Verarbeitung hinsichtlich strafrechtlicher Verurteilungen und Straftaten gemäß Artikel 10 nur unter behördlicher Aufsicht vorgenommen werden.
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Wo werden diese Daten gespeichert? Wer hat Zugriff? Welche Mitarbeiter der privaten Meldestelle haben die staatliche Legitimation, diese Daten zu erfassen und damit Listen zu befüllen oder Berichte zu fertigen? Wie werden die Betroffenen informiert?
Sollte ein Bürger in der Bundesrepublik Deutschland ein Problem mit der Aussage oder Meinung eines anderen haben und glaubt, dass jene Aussage oder Meinung zum Beispiel den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt, dann steht ihm der Rechtsweg offen und er kann dies auf jeder Polizeistation anzeigen. Die meisten Bundesländer haben mittlerweile sogar eine Online-Wache eingerichtet.
Die deutsche Staatsgewalt hat das Gewaltmonopol
Es ist an dieser Stelle also festzuhalten, dass nur die Polizeivollzugsbehörden der Länder oder andere staatliche Verfolgungs- beziehungsweise Kontrollbehörden wie zum Beispiel der Zoll solche Erhebungen tätigen sollten. Dies ist gemäß dem Rechtsstaatsprinzip auch so gewollt. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt dazu folgendes:
In der Bundesrepublik Deutschland kommt die Rolle der im Rechtsstaat unbedingt erforderlichen institutionalisierten Herrschaft (öffentliche Gewalt) der deutschen Staatsgewalt zu. Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist die deutsche Staatsgewalt dabei vor allem dafür zuständig, die deutsche Rechtsordnung […] durchzusetzen. Zur Staatsgewalt zählen alle auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene mit dieser Aufgabe befassten Stellen und Organe.
Ebenso ist die Einhaltung dieser Rollenverteilung wichtig, um den Bürgern Rechtssicherheit zu gewähren, ihre Freiheitsrechte zu erhalten, sie vor Willkürherrschaft zu schützen und ihnen nicht das Gefühl zu geben, dass Aussagen und Meinungen per se verboten seien oder erfasst würden, wenn diese nicht dem aktuellen Zeitgeist entsprechen.
Die Welt trifft es in „Die nette neue Zensurbehörde“ auf den Punkt, wenn feststellt wird, dass selbst dem Autor George Orwell (Verfasser von Büchern wie „1984“ oder „Farm der Tiere“) die Fantasie für eine solche Zensurbehörde fehlte. Nun ist die Meldestelle „Respect!“ nicht die einzige ihrer Art. Zu erwähnen ist die Meldestelle Antifeminismus der Amadeu-Antonio-Stiftung, wo ebenfalls Sachverhalte zur Kenntnis gebracht werden können, die sich offenkundig unterhalb der Strafbarkeitsgrenze bewegen und einfach nicht in das Weltbild der linksgrünen Bundesregierung passen.
Das Corona-Meldeportal der Stadt Essen
Leider wurden solche Meldestellen auch innerhalb der Coronamaßnahmenzeit niederschwellig eingesetzt, um Mitmenschen zu denunzieren. So geschehen zum Beispiel in der Stadt Essen, welche ein Onlineformular anbot, mit dem man dem Ordnungsamt andere Bürger melden konnte, welche sich tatsächlich oder vermeintlich nicht an die Coronaschutz-Verordnung hielten. Nebenbei: Während der Pandemie verhängte Ausgangssperren waren verfassungswidrig.
Es bleibt nur noch die Frage offen, warum es keinen großen Aufschrei in der Bevölkerung gab. Keine Investigativ-Berichterstattung von Correctiv. Keine Demonstrationen „gegen Meldestellen“.
In Bezug auf das Denunzianten-Portal der Stadt Essen teilte Wolfgang Kubicki (FDP) immerhin mit, dieses sei „mit Sicherheit rechtswidrig und sollte sofort gelöscht werden“. Schade, dass sich die FDP aktuell nicht an den fragwürdigen Meldeportalen ihrer grünen Regierungskollegen stören.
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"Der größte Schuft im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant." (Hoffmann von Fallersleben)
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