Politische Wissenschaftler

Der Paukenschlag kam Anfang Jahr. 60 Hochschulen und wissenschaftliche Institutionen gaben in einer offenbar koordinierten Aktion bekannt, künftig nicht mehr auf X präsent zu sein. Mit etwas Verspätung ist nun auch die ETH Zürich gefolgt. Die „Eidgenössische Technische Hochschule“ gehört in ihren Bereichen zu den Flaggschiffen des Wissenschaftsbetriebs des Landes mit internationalem Ruf.
Die Begründung klingt zunächst ganz sachlich. Reichweite und Interaktionen seien rückläufig, man erreiche die gesetzten Ziele auf X nicht mehr, so eine Sprecherin. Das dürfte allerdings vorgeschoben sein. Der Bereich Kommunikation der ETH ist personell stolz bestückt. Die gelegentliche Publikation von ohnehin vorhandenen Inhalten auf X kann man kaum als Arbeit bezeichnen, zumal diese für andere Kanäle ohnehin anfällt. Zudem ist es neu, dass staatliche Betriebe nur dort aktiv sind, wo es sich lohnt. Das ist nicht ihr Auftrag.
Wissenschaftler gegen „rechts“
Weit wahrscheinlicher ist, dass der Anlass derselbe ist wie bei den Hochschulen, die vorausmarschiert waren. Man gehe aufgrund „der algorithmischen Verstärkung rechtspopulistischer Inhalte“, liessen diese ihr Publikum wissen, und man stehe für den Einsatz „gegen antidemokratische Kräfte“. Wissenschaftliche Institutionen als Speerspitze im politischen Kampf gegen rechts: Man fragt sich, wo genau das in ihrem Leitbild festgehalten ist. Und woher sie das Recht nehmen, die politische Haltung von vom Volk legitimierten Parteien und Politikern als „antidemokratisch“ zu bezeichnen.
Die Wahrheit ist wohl banaler: Die Schweizer Wissenschaft kann nicht mit Meinungsfreiheit umgehen. Die besagten Hochschulen waren auf X keineswegs zensiert worden. Sie bekunden aber Mühe damit, dass das mit anderen nicht mehr passiert. Die Leine, die Elon Musk den Nutzern von X lässt, ist den Bildungshäusern offenbar zu lang. Diese sind übrigens staatlich finanziert. Im Durchschnitt verursacht ein Student Kosten von 120'000 Franken für die gesamte Ausbildungsdauer, berappt vom Steuerzahler. Der hat allerdings nicht mitzureden, wenn eine Hochschule ein bisschen Politik spielt.
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Welche Freiheit meinen sie?
Vollends grotesk wird es, wenn die X-Abtrünnigen schreiben: „Die Werte, die Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft fördern, sind auf der Plattform nicht mehr gegeben.“ Vor Elon Musk war X, damals noch Twitter, geprägt von Zensur, Sperrungen und dem sogenannten „Shadowban“: Unliebsame Beiträge wurden zwar veröffentlicht, aber kaum mehr an die Nutzer ausgespielt, womit sie weitgehend unsichtbar waren. Ist das alles förderlich für „Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft“? Freiheit entsteht, indem man andere Meinungen verbietet?
Forschung lebt vom Dialog, von kritischen Fragen, von Einwänden. Sie müsste ergebnisoffen sein und ihre Befunde ohne politische Bewertung des Publikums veröffentlichen. Oder wie soll das sonst aussehen? „Unser Physik-Departement hat gerade nachgewiesen, dass die Schwerkraft nicht existiert, aber leider können wir Ihnen auf X die Resultate nicht präsentieren, da es hier Rechte hat.“
Vielleicht ist die ETH auch einfach beleidigt. Unter Donald Trump hatte die US-Regierung die Stirn, Fragen zu einem von ihr finanzierten Projekt zu stellen. Der Rückzug von X erfolgte am 18. März. Nur Tage zuvor hatte die Hochschule von den US-Behörden einen Fragebogen erhalten. Sie wollten wissen, ob die Richtlinien der neuen Regierung bei dem Projekt eingehalten werden. Die Details sind vertraulich. Vermutet wird, dass es um die Themen Gender, Diversität und Klima geht.
Schon länger politisch
Wer zahlt, befiehlt. Nur weil die vorhergehende US-Administration offensichtlich Geld verteilt hat, ohne Näheres wissen zu wollen, muss es die neue nicht auch so halten. Das heisst auch nicht zwingend, dass der Geldgeber in die Forschungsfreiheit eingreift. Er wünscht sich wohl einfach, dass die edle Spende für Sinnvolles eingesetzt wird. Und nicht für erfundene Geschlechter.
Zumal sich ohnehin die Frage stellt, ob bei der „Eidgenössischen Technischen Hochschule“ die reine Forschung noch im Zentrum steht. Angestellte der ETH bildeten in der Coronazeit den harten Kern der sogenannten „Scientific Task Force“, die den Schweizer Bundesrat beriet. Zugeschanzt hatte sich diese Gruppe die Mission gleich selbst, es gab keine entsprechende Ausschreibung. Die überrumpelte Landesregierung band die Expertentruppe ein, als wäre sie offiziell mandatiert und zog eine Art „Good cop, bad Cop“-Regime auf: Die „Task Force“ stellte Maximalforderungen zum Schutz der Bevölkerung, der Bundesrat dimmte diese etwas herunter.
Parallel dazu liessen sich ETH-Mitarbeiter für eine Testimonial-Kampagne für die Covid-19-Impfung einspannen, finanziert vom Steuerzahler. Und im Sommer weht jeweils eine Regenbogenfahne auf dem Gelände der Hochschule. So gesehen ist es nur konsequent, wenn sich diese nun sichtlich aus politischen Gründen von X verabschiedet. Denn hier gilt schon längst nicht mehr der wissenschaftliche Grundsatz, wonach die Resultate der Forschung niemandem gefallen müssen.
Wissenschaftler, die sich politischen Grundsätzen verschreiben, können ihrer eigentlichen Aufgabe nicht mehr nachgehen. Sie lassen nur noch zu, was in ihr Weltbild passt. Die ETH Zürich ist drauf und dran, einen über Jahrzehnte aufgebauten Ruf in kurzer Zeit zu zerstören.
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Kommentare
Leider verändert sich X, so dass es für mich nicht mehr brauchbar ist, da sehr viele seriöse Kanäle weg sind