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Demokratiefördergesetz

Man kann über Demokratie reden – oder man hat sie

Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf, oder man hat Meinungsfreiheit, schrieb einmal ein kluger, anonymer Twitter-Nutzer, ehe er von der Plattform verbannt wurde. Das war in der Zeit, in der das soziale Netzwerk noch nicht Elon Musk gehörte. Inzwischen herrscht auf der Plattform wieder mehr Meinungsfreiheit.

Dafür führt jetzt das offizielle Deutschland (Politik, Medien, „Zivilgesellschaft“) einen Diskurs über Demokratie, genauer gesagt über das sogenannte und in den Koalitionsvertrag geschriebene Demokratiefördergesetz. „Das Gesetz soll die Arbeit zur Förderung der Demokratie, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung in Deutschland erstmals auf eine gesetzliche Grundlage stellen“, teilt dazu das Bundesfamilienministerium mit. Das Ressort von Ministerin Lisa Paus (Grüne) spielt eine Schlüsselrolle bei der sogenannten Demokratieförderung, das in Wirklichkeit das Gegenteil davon ist. Dazu gleich mehr.

Vor zweieinhalb Monaten hatte der Bundestag bereits in erster Lesung über den Gesetzesentwurf beraten, den die Ampel-Regierung Ende vergangenen Jahres beschlossen hatte. Dem vorausgegangen war ein angeblich „breiter Beteiligungsprozess“ sowie ein Eckpunktepapier von Bundesfamilien- und innenministerium. Mitgesprochen haben unter anderem die Amadeu-Antonio-Stiftung, der Lesben- und Schwulenverband sowie große Migrantenlobbyvereine.

Regierungsnahe Nichtregierungsorganisationen

Die Initiative zu dem Vorhaben kam denn auch von eben solchen Organisationen. Bisherige Förderprogramme wie „Demokratie leben!“ – für das in diesem Jahr rund 200 Millionen Euro Fördermittel eingeplant sind – gingen ihnen nicht weit genug, weil die Steuergelder zeitlich befristet vergeben wurden. Der Ruf nach einer „Verstetigung“ hallt seit Jahren durch die Bundestags-, Redaktions- und NGO-Flure. Nach dem Wunsch der Amadeu-Antonio-Stiftung – die zuletzt mit ihrer denunziatorischen „Meldestelle Antifeminismus“ für Schlagzeilen sorgte – dürfen es übrigens 500 Millionen Euro sein, die pro Jahr für die „Demokratieförderung“ ausgegeben werden sollen.

Das Bundesfamilienministerium ist einer, wenn nicht der wichtigste Geldgeber im linken politischen Vereinsgeflecht. „Demokratie leben!“ etwa startete 2015 mit einem Budget von 40,5 Millionen Euro. Die Summe hat sich bis heute also fast verfünffacht. Der Großteil der unterstützten Initiativen und Organisationen ist politisch eindeutig auf der linken Seite zu verorten. Allein die weitverzweigte Amadeu-Antonio-Stiftung erhält in diesem Jahr 600.000 Euro. Die „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ bekommen fast 475.000 Euro Steuergelder. Die Lobbyorganisation fordert mehr Migranten in Medien (einen Mitgliedsantrag des Verfassers dieser Zeilen lehnte sie allerdings ab, obwohl er alle Voraussetzungen erfüllte).

Ihre Gründerin und ehemalige Vorsitzende Ferda Ataman, inzwischen „Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“, unterstellte u. a. dem deutschen Gesundheitssystem, rassistisch zu sein. Deutsche ohne ausländische Wurzeln bezeichnete sie regelmäßig als „Kartoffeln“.

Problematisch ist das Demokratiefördergesetz auch deswegen, weil es eine von mehreren politischen Partizipationsformen dauerhaft bevorteilt, die zum einen ziemlich exklusiv ist und zum anderen eigentlich regierungsfern organisiert sein sollte. Nichtregierungsorganisationen oder die „Zivilgesellschaft“ heißen schließlich nicht umsonst so.

Nicht jeder, der von Demokratie spricht, meint Demokratie

Deutschland ist bereits eine Demokratie, wenn auch noch eine recht junge. Und demokratische Staaten brauchen kein Demokratiefördergesetz. Erst recht keines, das bestimmte Gesinnungen fördert und andere bekämpft. Bemerkenswert ist denn auch, dass viele der Organisationen, die sich nun Hoffnung auf unerschöpfliche Fördermittel machen, sich gegen die AfD und ihr Milieu richten – und damit ausgerechnet gegen jene (partei-)politische Strömung, die in den vergangenen Jahren ein regelrechter Demokratiebooster war, zumindest wenn es nach der Wahlbeteiligung und der Auseinandersetzung in den Parlamenten geht.

Nicht jeder, der von Demokratie spricht, meint Demokratie. Stalin sprach in seinen Plänen über das Osteuropa der Nachkriegszeit von „Neuer Demokratie“ und „Volksdemokratie“ – erinnert sei an Ulbrichts Aussage: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Apropos Ulbricht: Die Deutsche Demokratische Republik war vieles, nur sicher nicht demokratisch.

Zu Recht hat die frühere FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg vergangenes Jahr gegenüber der FAZ gemahnt: „Gegen andere Antidemokraten zu sein macht einen selbst noch nicht zum Demokraten.“ Mit Blick auf die Linkslastigkeit der betreffenden Organisationen wies sie darauf hin, dass das Grundgesetz antitotalitär sei und daher über Antifaschismus hinausgehe. Rechtsextremismus sei zwar eine große Herausforderung für Deutschland, aber kein Grund, „andere Gefahren – insbesondere Linksextremismus und Islamismus – zu verharmlosen“.

Zwar wird im Gesetzesentwurf auch „islamistischer Extremismus“ und „Linksextremismus“ erwähnt, angesichts der Förderpraxis in der Vergangenheit darf man aber eher von Neutralität vorgaukelnder Kosmetik ausgehen.

Eine mit Abermillionen gepäppelte Selbstbedienungsmaschinerie

Leicht zu durchschauen sind auch Umfrageergebnisse wie jene des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), über die das Bundesfamilienministerium am „Tag des Grundgesetzes“ am 23. Mai stolz berichtete. „Eine große Mehrheit in Deutschland sieht die Demokratie zunehmend bedroht und befürwortet eine längerfristige Unterstützung der Zivilgesellschaft“, teilte die Behörde mit. Vier von fünf Befragten stimmten der Aussage zu, die Demokratie werde heute stärker angegriffen als vor fünf Jahren.

Ministerin Paus kommentierte in typisch unkonkretem Politikersprech: „Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Demokratie sind nicht selbstverständlich. Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft, die sich aus Überzeugung für unsere Demokratie und ihre Werte engagiert.“ Abgesehen davon, dass wohl niemand mit Nein antworten würde, wenn er danach gefragt wird, ob Vereine unterstützt werden sollten, die sich für Diskriminierungsopfer einsetzen: Das DeZIM erhält selbst Gelder vom Bundesfamilienministerium und hat sich seit seiner Gründung 2017 mit Millionenbeträgen zu einem der mächtigsten Spieler in der deutschen Migrations- und Rassismusforschung hochfördern lassen.

Wissenschaftliche Geschäftsführerin war bis August 2022 Yasemin Shooman, die im Beirat des „Center for Intersectional Justice“ sitzt. Dessen Gründerin Emilia Roig und dessen Ehrenpräsidentin Kimberlé Crenshaw sind führende Figuren in der „Critical Race Theory“-Szene.

Der Verdacht drängt sich auf, hier etabliere sich gerade eine mit Abermillionen von Steuergeldern gepäppelte Selbstbedienungsmaschinerie, die sich ihre Existenzberechtigung jederzeit selbst bescheinigen könnte.

Dass die Zahl derer zunimmt, die mit der Demokratie unzufrieden sind, ist zwar Fakt. Bei der Frage, welche Gründe dafür maßgebend sind, wird es jedoch komplizierter.

Was Karl Popper und Alexis de Tocqueville sagen

Woran hapert es? Zwei Beispiele anhand zweier unbestritten großer Denker, die sich zeit ihres Lebens mit der Demokratie beschäftigt haben. Für Karl Popper, einen Säulenheiligen der Liberalen, zeichnete sich die Demokratie in erster Linie nicht durch die Souveränität des Volkes aus, sondern durch die Möglichkeit des friedlichen Regierungswechsels per Abstimmung:

„Es gibt eigentlich nur zwei Staatsformen: Solche, in denen es möglich ist, die Regierung ohne Blutvergießen durch eine Abstimmung loszuwerden, und solche, in denen das nicht möglich ist. Darauf kommt es an, nicht aber darauf, wie man diese Staatsform benennt. Gewöhnlich nennt man die erste Form ‘Demokratie’ und die zweite Form ‘Diktatur’ oder ‘Tyrannei’. Aber es steht nicht dafür, über Worte (wie DDR) zu streiten. Das Entscheidende ist allein die Absetzbarkeit der Regierung, ohne Blutvergießen.“

Demokratisch war die Wahl des Freidemokraten Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten im Februar 2020. Undemokratisch war die Forderung der damaligen Kanzlerin Angela Merkel im fernen Südafrika, das Ergebnis müsse „wieder rückgängig gemacht werden“, weil Kemmerich auch mit Stimmen der AfD gewählt worden war. Kommentatoren lieferten sich einen Überbietungswettbewerb bei der Verurteilung nicht etwa von Merkels herrischer Forderung, sondern von Kemmerichs Wahl. Von einem „unentschuldbaren Dammbruch“ war die Rede und von einer „Schande für die Demokratie“. Bezeichnenderweise führt die AfD heute die Umfragen in Thüringen mit deutlichem Vorsprung an und kommt auf fast 30 Prozent.

Alexis de Tocqueville notierte in seiner Studie „Über die Demokratie in Amerika“:

„Je mehr ich die Freiheit der Presse in ihrer Hauptwirkung betrachte, um so klarer wird es mir, dass in der Gegenwart die Pressefreiheit der wesentliche Baustein, sozusagen der erste Grund der Freiheit ist. Ein Volk, das frei bleiben will, hat daher das Recht, zu fordern, dass man Pressefreiheit unter allen Umständen achtet. … Ich glaube, die Menschen, die in der Aristokratie leben, können die Pressefreiheit allenfalls entbehren; die aber in demokratischen Ländern leben auf keinen Fall.“

De jure existiert in Deutschland Pressefreiheit. De facto sind führende Journalisten oft unfrei, weil zwar niemand mit dem Zensurstift ihre Veröffentlichungen redigiert, sie aber mit der Schere im Kopf an bestimmte Themen herangehen. Das war objektiv bei der Asylkrise 2015/16 messbar, aber auch während der Corona-Pandemie sowie bei der Berichterstattung über die AfD. Warum das so ist, hat vielerlei Gründe, es führt aber dazu, dass das Vertrauen in Medien leidet, vor allem in den östlichen Bundesländern.

Ausgewählte Vereine sortieren zwischen „uns Demokraten“ und den anderen

Das Demokratiefördergesetz wird die Demokratie nicht fördern, weil unter den vermutlich alimentierten Organisationen solche sind, die alles und jedes als antidemokratisch einstufen, was nicht ihrer subjektiven und verqueren Demokratiedefinition entspricht.

Im Zweifel wird das Gesetz der Demokratie sogar schaden, weil ein paar von der Regierung ausgewählte Vereine und Initiativen den offiziösen Demokratiestempel bekommen, während sich ihre politischen Opponenten von diesem „System“ abwenden werden, weil diese verstümmelte Form von Demokratie ungerechtfertigt sortiert zwischen „uns Demokraten“ und den anderen.

Schließlich wird die staatsgepäppelte Zivilgesellschaft die Diskurshoheit über diese Klassifizierung bewahren können, während andere bestenfalls belächelt und ignoriert, schlimmstenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die Pointe dieser Entwicklung wird dann lauten: Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs über Demokratie haben, oder man hat Demokratie.

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Kommentare

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Pessimist
Vor 1 Jahr 5 Monate

Es ganz einfach: Das "Demokratiefördergesetz" ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg, aus der Bundesrepublik Deutschland eine neue "Deutsche Demokratische Republik" zu machen. Die Leute, die diese "Förderung" vorantreiben, sind ungefähr so demokratisch wie Stalin oder Ulbricht.
Sie wollen die Demokratie abschaffen, weil ihnen "die Idioten da unten" (Jan Fleischhauer, Focus Online, 3. Juni 2023) nur lästig sind auf dem Weg zum schönen neuen DDR.

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Pessimist
Vor 1 Jahr 5 Monate

Es ganz einfach: Das "Demokratiefördergesetz" ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg, aus der Bundesrepublik Deutschland eine neue "Deutsche Demokratische Republik" zu machen. Die Leute, die diese "Förderung" vorantreiben, sind ungefähr so demokratisch wie Stalin oder Ulbricht.
Sie wollen die Demokratie abschaffen, weil ihnen "die Idioten da unten" (Jan Fleischhauer, Focus Online, 3. Juni 2023) nur lästig sind auf dem Weg zum schönen neuen DDR.