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Bundestagslesung zur Abtreibung

Eine Sternhagelvoll-Stunde

Diebstahl ist verboten, und darum steht er im Strafgesetzbuch. Jemanden zu beleidigen ist verboten, und darum steht es im Strafgesetzbuch. Jemanden zu verletzen oder gar zu töten ist verboten, und darum steht auf Körperverletzung, Totschlag oder Mord eine Strafe. Die medizinisch nicht gebotene Abtreibung der Leibesfrucht steht in Deutschland folgerichtig in der Systematik der Straftaten gegen das Leben.

Diese grundsätzlichen Erinnerungen sind wichtig, denn es handelt sich hierbei nicht um positivistische Rechtsetzung, sondern um Verbote, die seit zweitausend Jahren und kulturübergreifend überliefert sind. Diebstahl etwa oder Mord sind nicht deshalb verboten, weil ein staatlicher Rechtskodex das in seinen Paragrafen so vorsieht – und diese Paragrafen auch wieder gestrichen werden könnten –, sondern jemanden zu bestehlen oder jemanden zu töten ist verboten, und darum steht es im Strafgesetzbuch.

Weil anders menschliches Zusammenleben nicht friedlich gedeihen kann und das immer zu allen Zeiten so gesehen wurde; jedenfalls galt das für die eigene Gruppe. Es handelt sich um anthropologische Konstanten, um menschheitliche Erfahrungen, wie auch immer man das nennen will, und diese schlagen sich im kodifizierten Strafrecht nieder. Man muss kein bisschen religiös sein, um diesen Sachverhalt einzusehen.

Gruselig und doch sterbenslangweilig

Warum das für das Töten des noch ungeborenen Kindes, wie zart und unsichtbar dieses etappenweise auch ist, anders sein soll, kann niemand vernünftig erklären. Denn dieses noch ungeborene Kind sind wir alle einmal gewesen, ausnahmslos. „Ich habe festgestellt, dass alle, die für die Abtreibung sind, bereits geboren wurden“, formulierte US-Präsident Ronald Reagan einmal treffend. Das ungeborene Kind wächst und entwickelt sich von der Zeugung an als Mensch und nicht erst zum Menschen.

Nicht anders hat das unser deutsches Bundesverfassungsgericht gesehen und folglich bestimmt:

„Der Schwangerschaftsabbruch muss für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein. Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.“

Vor diesem Hintergrund erst wird so richtig deutlich, welche gruselige Parallelwelt sich am gestrigen Donnerstagabend in der Bundestagsdebatte auftat. Gruselig in der Konsequenz, und gleichzeitig sterbenslangweilig. Denn von den roten und grünen Befürwortern einer rein positivistischen Rechtmäßigsetzung der vorgeburtlichen Kindstötung kamen weder neue noch überzeugende Argumente.

Ein Wimmelbild verkehrter Narrative

Nur die alte Leier schiefer Töne: Die Abtreibung sei Selbstbestimmung über den eigenen Körper, die ungewollt Schwangeren bräuchten genau das, Abtreibung sei eine „reproduktive“ Gesundheitsleistung, eben ein ärztlicher Eingriff wie andere auch, die „Versorgungslage“ wäre schlecht, und überhaupt sei alles ein „Recht“, das einem sofort und kostenlos zustehe. So reden Sozialisten aller Couleur, egal, ob das Gewand nun von knallroter Farbe ist oder eher ins Grüne oder Gelbe schillert. So reden Volksvertreter, die sich um Verfassungsbruch nicht scheren, um ihre lebensfeindliche Manie in Paragrafen zu gießen.

In der Debatte wimmelte es von verkehrten Narrativen: Warum es für die Frau gut sein solle, das in ihr reifende Kind zu töten, erschloss sich auch gestern wieder nicht. Kann man frei und glücklich werden durch Schuld, etwas getan zu haben, was man im Herzen eigentlich nicht möchte? Im Gegenteil.

Warum soll die gesetzliche Wartezeit nach einer Konfliktberatung des Teufels sein, so dass sie unbedingt abgeschafft gehöre? Auch vor anderen wichtigen Lebensentscheidungen tut es gut, noch darüber zu schlafen und nichts übers Knie zu brechen, zumal dann nicht, wenn man emotional angespannt ist – oder gar bedrängt wird.

Nicht jedes Krankenhaus betreibt eine Geburtsstation

Warum ein medizinisch nicht angezeigter Eingriff der Versichertengemeinschaft aufgebürdet werden soll, ist anders als mit sozialistischer Anspruchshaltung auch nicht zu begreifen. Eine Rednerin ließ gestern die Katze aus dem Sack – indem sie argumentierte, Abtreibung müsse rechtmäßig werden, da ja schließlich keine Verhütungsmethode hundertprozentige Sicherheit garantiere.

Das wiederkehrende Argument einer vermeintlich ach so schlechten „Versorgungslage“ für Schwangerschaftsabbrüche ist von der Wirklichkeit widerlegt: Da Jahr für Jahr mehr als 100.000 Abbrüche statistisch erfasst werden bei einer weit höheren Dunkelziffer, ist es um die Möglichkeiten für den „Eingriff“ offenbar recht günstig bestellt. Für andere Facharzttermine muss man meist oft mehrere Praxen anrufen und darf sich bei der Terminvergabe in Geduld üben. Und schon heute betreibt beileibe nicht jedes Krankenhaus eine Geburtsstation. Nach Karl Lauterbachs „Gesundheitsreform“ wird deren Zahl weiter schrumpfen. Wie haben wir’s doch so herrlich weit gebracht.

 

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Wenn das Hohe Haus den fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf geschlossen annehme, dann wäre das eine „Sternstunde“ des Parlaments, so fabulierte SPD-Frau Carmen Wegge, die Mitinitiatorin des Antrags. Doch davon kann so oder so keine Rede sein. Eher schon glich die Debatte einer Sternhagelvoll-Stunde, so trunken schienen die linksgerichteten Damen Abgeordneten von ihrer eigenen Mission, das große Abmurksen salonfähig zu machen.

Auf Rat und Hilfe kommt es an

Frohe Szene auf dem Spielplatz: Das kann das Ergebnis einer guten Konfliktberatung sein

Die große Leerstelle der Auseinandersetzung blieb aber die Schwangerenkonfliktberatung. Nicht einmal die Rednerinnen der Unionsparteien setzten hier den notwendigen, weil die Not wendenden Akzent. Auch sie blieben in der Falle des Abwägens zwischen Kind hier und Selbstbestimmung da stecken.

Dabei ist Konfliktberatung, die diesen Namen verdient und sich nicht im Aushändigen eines Scheins erschöpft, der Schlüssel für eine gute Lösung für alle Beteiligten – für die Schwangere und das Kind. Das geltende Schwangerschaftskonfliktgesetz sieht ausdrücklich Beratungsstellen „in angemessener Entfernung“ zum Wohnort vor. Die psychosoziale Beratung soll ermutigen und dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen.

Sie soll über praktische Hilfen und über Rechtsansprüche für Mutter und Kind informieren, so vor allem gegenüber fahnenflüchtigen Vätern, soll bei der Wohnungssuche unterstützen, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung der Ausbildung der Mutter. Nicht zuletzt soll sich die Schwangere im Konflikt – und wie groß Konflikt und Not und Bedrängnis sein können, soll überhaupt nicht verniedlicht werden! – in der Beratung aussprechen können und so Verständnis, Wohlwollen, Zuspruch erfahren, die in einem widrigen Umfeld so häufig fehlen und eine freie Entscheidung verhindern.

Über was wir nachdenken sollten

Den Konflikt bewältigen, Wege des Lebens aufzeigen: Dass das möglich ist, zeigen die jahrzehntelangen Erfahrungen aus der Konfliktberatung unzweifelhaft. Die Rückmeldungen, die Beraterinnen von betroffenen Frauen erhalten, beweisen es.

Ganz ernsthaft und Hand aufs Herz: Wollen wir denn wirklich in einem Gemeinwesen leben, das Kreißsäle schließt, Hebammen den Geldhahn zudreht, Lebensschützer gängelt und verächtlich macht, aber Abtreibungseinrichtungen fördert und Hilfe zum Leben mit einem ungelegen kommenden Kind als Nötigung bestraft?

Wollen wir wirklich, dass diejenigen Abgeordneten, für die das „Wegmachen“ des Kindes immer die erste Wahl ist, unsere Rechtsordnung prägen – und es kühl auf einen Verfassungsbruch ankommen lassen? Die ein so schmerzliches Thema für den Wahlkampf missbrauchen?

Und ganz nüchtern: Die unerwartete Schwangerschaft, die hat nicht Gevatter Storch verursacht. Wir alle dürfen einmal darüber nachdenken, ob es eine gute Idee war, die Sexualität so zu deregulieren, wie es heute Usus ist. Wer sich von allen kulturell überlieferten Normen und Traditionen emanzipiert, der hat am Ende auch keine Hand mehr, nach der er greifen kann.
 

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Kommentare

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EUM
Vor 2 Wochen 1 Tag

Die Sichtweise des Bundesverfassungsgericht ist grundsätzlich richtig: Es sieht den Embryo als menschliches Wesen an. Und genau darum geht es doch! Alle anderen Sichtweisen kommen aus dem Irrtum und führen in den Irrtum. Kein Wunder, dass linke Kreise die Diskussion immer vom Embryo wegführen wollen und ständig von Selbstbestimmung reden. Würde man einmal ernsthaft darüber sprechen, was denn ein Embryo eigentlich ist, würde das Schlagwort vom "Zellhaufen" sehr schnell in sich zusammenbrechen. Man muss hier also aufpassen, dass man sich nicht in eine linke Semantik treiben lässt, wie es schon bei vielen anderen Themen passiert ist. Bildlich gesagt: wir müssen schauen, dass die Linken über unser Stöckchen springen müssen, nicht wir über ihres. Agenda setting von rechts.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht im Grundsatz gut geurteilt hat: Die Abtreibepraxis, die sich in den letzten Jahrzehnten eingebürgert hat, darf auf keinen Fall so bleiben. Die Politik muss hier mit aller Kraft gegensteuern. Eine Möglichkeit, die viel bewirken könnte, wäre vielleicht, Ärzten, die Abtreibungen durchführen, die Zulassung zu entziehen. In jedem Fall ist klar, dass Abtreibungen im völligen Widerspruch zum Hippokratischen Eid, sowie zu jahrhundertelanger Tradition ärztlicher Ethik stehen.

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Vor 2 Wochen 1 Tag

Auf den Punkt gebracht. Herzlichen Dank!

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Andreas Graf
Vor 2 Wochen 1 Tag

Der Bundestag glich bei der Debatte dem jüdischen Sanhedrin, dem Jesus bei Seiner Verurteilung gegenüberstand. Der Hohe Rat suchte händeringend nach einer Anklage, die nur durch sich widersprechende Zeugen gelang, dessen sie Jesus beschuldigen konnten. Ein fairer auf dem Gesetz basierender Gerichtsprozess war nicht gewollt. Er war nur ein Vorwand. Die Abgeordneten dieser Tage hetzen das Ungeborene Leben und stellen ihm nach. Sie werden nicht locker lassen bis das Urteil gesprochen, das Gewand des Hohen Priesters zerrissen ist. Wer hat die Abgeordneten zum Richter bestellt?

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EUM
Vor 2 Wochen 1 Tag

Die Sichtweise des Bundesverfassungsgericht ist grundsätzlich richtig: Es sieht den Embryo als menschliches Wesen an. Und genau darum geht es doch! Alle anderen Sichtweisen kommen aus dem Irrtum und führen in den Irrtum. Kein Wunder, dass linke Kreise die Diskussion immer vom Embryo wegführen wollen und ständig von Selbstbestimmung reden. Würde man einmal ernsthaft darüber sprechen, was denn ein Embryo eigentlich ist, würde das Schlagwort vom "Zellhaufen" sehr schnell in sich zusammenbrechen. Man muss hier also aufpassen, dass man sich nicht in eine linke Semantik treiben lässt, wie es schon bei vielen anderen Themen passiert ist. Bildlich gesagt: wir müssen schauen, dass die Linken über unser Stöckchen springen müssen, nicht wir über ihres. Agenda setting von rechts.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht im Grundsatz gut geurteilt hat: Die Abtreibepraxis, die sich in den letzten Jahrzehnten eingebürgert hat, darf auf keinen Fall so bleiben. Die Politik muss hier mit aller Kraft gegensteuern. Eine Möglichkeit, die viel bewirken könnte, wäre vielleicht, Ärzten, die Abtreibungen durchführen, die Zulassung zu entziehen. In jedem Fall ist klar, dass Abtreibungen im völligen Widerspruch zum Hippokratischen Eid, sowie zu jahrhundertelanger Tradition ärztlicher Ethik stehen.

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Vor 2 Wochen 1 Tag

Auf den Punkt gebracht. Herzlichen Dank!

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Andreas Graf
Vor 2 Wochen 1 Tag

Der Bundestag glich bei der Debatte dem jüdischen Sanhedrin, dem Jesus bei Seiner Verurteilung gegenüberstand. Der Hohe Rat suchte händeringend nach einer Anklage, die nur durch sich widersprechende Zeugen gelang, dessen sie Jesus beschuldigen konnten. Ein fairer auf dem Gesetz basierender Gerichtsprozess war nicht gewollt. Er war nur ein Vorwand. Die Abgeordneten dieser Tage hetzen das Ungeborene Leben und stellen ihm nach. Sie werden nicht locker lassen bis das Urteil gesprochen, das Gewand des Hohen Priesters zerrissen ist. Wer hat die Abgeordneten zum Richter bestellt?