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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Schweizer Humor: Eine unterschätzte Weltmacht

Derzeit kursiert eine Studie, die behauptet, die Schweizer seien weniger lustig als andere Völker. Diejenigen, die das glauben, sind vermutlich die gleichen Leute, die annehmen, dass die Kühe hier nicht „Muh“, sondern „Grüezi“ sagen. Die Wahrheit ist: Schweizer Humor ist so tiefgründig, dass er manchmal von der Erdoberfläche aus nicht sofort erkennbar ist. Man muss schon etwas graben – oder einfach ein bisschen Geduld haben. 

Nehmen wir zum Beispiel den berühmten „Schweizer Ernst“. Das ist kein Mensch, sondern eine Lebenseinstellung. Man könnte auch sagen, dass die Schweizer den Witz so ernst nehmen, dass sie ihn manchmal so gut verstecken, dass ihn niemand findet. Und genau das ist das Witzige daran. Ja, Sie haben richtig gelesen: Unser Ernst ist unser Humor.

Wer braucht schon laute Witze?

Während andere Nationen vielleicht auf lautstarke Clownerien setzen, kultivieren wir die Kunst der stillen Pointe. Schweizer Humor ist wie ein gut gereiftes Stück Käse – man muss ihn wirken lassen, um den vollen Geschmack zu entfalten. So wie die Kuh auf der Weide nicht laut muht, sondern gemächlich Gras kaut, so lachen wir nicht übermäßig, sondern schmunzeln leise in uns hinein. Es ist eine Art meditatives Lachen, das von der Bergluft inspiriert ist. 

Schauen Sie sich mal die Werbung für die Schweizer Bundesbahnen (SBB) an. Da wird mit einem Augenzwinkern gezeigt, dass der Zug nicht immer so pünktlich ist, wie es der Mythos besagt. Und was macht der Schweizer? Statt sich zu ärgern, genießt er die zusätzliche Zeit mit einem Gipfeli – das ist ein Croissant – und einem stillen Lächeln. Man muss sich den Humor eben verdienen. Wer erwartet, dass hier alle auf Kommando loslachen, verkennt das Genie des schweizerischen Understatements. Wir haben Humor, wir tragen ihn nur nicht auf der Zunge, sondern tief in den Alpen verborgen.

Der Dialekt als Waffe

Ein echter Schweizerwitz funktioniert am besten im Dialekt. Da braucht es keinen Schnickschnack. Ein Berner kann eine halbe Stunde brauchen, um einen Witz zu erzählen – und wenn er dann fertig ist, hat man vielleicht den Faden verloren, aber das ist egal. Denn der Humor liegt nicht in der Pointe, sondern in der Gemütlichkeit der Erzählung.

 

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Schweizer Humor hat etwas von einem unsichtbaren Champion. Wie in einem dieser Kampfsportfilme, wo der weise Meister nie zuschlägt, weil er weiß, dass er es nicht nötig hat. So geht es auch uns mit dem Lachen. Wir könnten jederzeit. Aber warum sollten wir? Unser Humor ist effizient, nicht verschwenderisch. Das macht ihn so besonders. Und genau deshalb hat er einen festen Platz im Herzen der Schweiz.

Meister des subtilen Humors

Emil Steinberger ist so etwas wie der Bundespräsident des Schweizer Humors – unauffällig, aber mit einer Macht, die keiner leugnen kann. Er hat es geschafft, die Schweizer Mentalität auf den Punkt zu bringen: die langsame Art, die langen Pausen, die kleinen Absurditäten des Alltags. Emil war nie der Mann für große Lacher oder plötzliche Pointen. Sein Humor war wie ein gemütlicher Sonntagsspaziergang durch die Alpen: Er hatte Zeit. Und das ist es, was ihn so groß gemacht hat.

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Während die Deutschen ihre Witze oft mit der subtilen Anmut eines Vorschlaghammers erzählen, war Emil der Feinmechaniker. Seine Figuren waren nicht laut, sie waren leise – fast so leise, dass man sie überhören konnte, wenn man nicht aufpasste. Aber genau darin lag das Geniale. Er war der schweizerische David gegen den Goliath des lauten Humors, und jedes Mal gewann er mit einem einzigen gezielten Steinwurf: einem trockenen Kommentar, einem vielsagenden Blick.

Das Gegenteil von Bollywood

Und dass Indien und Bollywood laut dieser Studie als am lustigsten gelten? Klar, warum nicht. Schließlich gibt es nichts, was mehr zum Lachen bringt als drei Stunden Tanz, Drama und schmachtende Blicke in Slow Motion, während im Hintergrund ein Elefant in Glitzer durch die Szene trabt. Humor ist eben relativ. 

Während die Schweizer sich darauf beschränken, mit einem trockenen „Soso“ eine Pointe zu setzen, fliegt in Bollywood eine ganze Familie durchs Bild, während der Held noch schnell ein Liedchen trällert. Timing ist alles. Das Schweizer Timing zeichnet sich eben dadurch aus, dass es alle Zeit der Welt hat. Und dass es uns egal ist, wenn diese Welt nicht mit lacht.

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Lisa
Vor 1 Monat

Oh ja, Ihr Schweizer seid ein sehr humorvolles Volk und dazu für mich absolut liebenswert! Ich habe viele Jahre in der Schweiz gelebt, liebe die Schweizer, den Schweizer Dialekt und freue mich über jeden Schweizer Gast in unserem Hotel, mit dem ich dann im Dialekt "schwelge" (ich werde dann nicht als Deutsche erkannt😉)... Mein größtes Vergnügen im Arbeitsalltag😁

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Lisa
Vor 1 Monat

Oh ja, Ihr Schweizer seid ein sehr humorvolles Volk und dazu für mich absolut liebenswert! Ich habe viele Jahre in der Schweiz gelebt, liebe die Schweizer, den Schweizer Dialekt und freue mich über jeden Schweizer Gast in unserem Hotel, mit dem ich dann im Dialekt "schwelge" (ich werde dann nicht als Deutsche erkannt😉)... Mein größtes Vergnügen im Arbeitsalltag😁