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Kolumne „Ein bisschen besser“

Erwachen heiterer Gefühle

In der Symphonie Nummer 6 von Herrn Beethoven gibt es ein paar Noten, die hat der Meister „Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande“ getauft, die Regieanweisung lautet „fröhlich, aber nicht zu sehr“. Es ist so etwas wie die vorsichtige Gebrauchsanweisung für dieses Jahr, in dem schon mal die Sonne geschienen hat, aber Rückschläge noch möglich sind.

Meine Frau Judith und ich sind auch gerade aufs Land gefahren in unser sehr altes Landhaus in dem mittelalterlichen Dorf im Norden Italiens. Wir hatten durchaus heitere Gefühle bei unserer Ankunft. Ich habe die kalte Asche aus dem Kamin gekehrt und das im Sommer gehackte, aber leider feucht gelagerte Holz nachgeladen.

Das Töchterchen hat Haare im Mund und ich Bach auf den Lippen

Der Nachbar war so nett und hat ebenfalls feuchtes Holz für einen kleinen Obolus mit seinem dreirädrigen Autochen vor die Tür gekippt. Die paar Stufen nach oben hatte ich es in einem halben Tag getragen. Judith hat derweilen das Töchterchen geschleppt, das ansonsten auf dem nackten Steinfußboden, dessen Temperatur in diesem Winter nahe null Grad liegt, vor sich hin krabbelt.

Manchmal versinkt es auch im filzigen Fell vom großen Hund des Nachbarn, der einst in Venedig Klavierspieler war, seinen Hund dazumal „Bach“ getauft hat, was aber kein Italiener aussprechen kann, weswegen er nur „Back“ heißt, der Hund. Das Töchterchen hat dann Haare im Mund, die sich mit der zermanschten Tomate mischen, die sie sich vorher vom Tisch gegriffen und beim Krabbeln über den Boden geschleift hat. „Der Tag ist hin, die Sonne gehet nieder. Bös oder gut, er ist vorbei“, trällert Meister Bach, Bachwerkeverzeichnis Nr. 447. Ich pfeife es unbewusst auf den Lippen.

Beschwingt musikalisch unterwegs

Judith macht in diesen hellen Tagen im Norden Italiens viele fröhliche Bilder. Sie liebe das Schöne, das Hässliche interessiere sie nicht, hat sie mir einmal gesagt. Da kannten wir uns noch nicht lange, und ich habe eingeworfen, mir gehe es genauso, und deswegen seien wir ja wie füreinander gemacht.

Nur in den dunklen Nächten summe ich Robert Schumanns „Wenn ich mich lehn’ an deine Brust, kommt’s über mich wie Himmelslust“, streife alle Vorsichtigkeit ab und finde, dass es ein bisschen besser sein kann, so beschwingt musikalisch wie wir in diesen überwiegend heiteren Tagen unterwegs zu sein.

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