Das Mysterium zieht uns an
Damit die „Diktatur des Relativismus“ nicht komplett siegen kann, müssen wir weiterhin das verteidigen, was dem verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. besonders wichtig war: das Mysterium und die Form.
Mit dem Jahr 2022 haben sich zwei Symbole der Tugend und der Ratio verabschiedet: die britische Monarchin Elisabeth II. und Papst Benedikt XVI. Beide verkörperten sowohl eine besondere Charakterfestigkeit als auch eine konsequente Einhaltung der Form. Ästhetik, Tradition und Riten waren für sie keine leere Hülle, sondern wurden zum lebendigen Ausdruck der Institution und ihrer Persönlichkeit. Wie wird Europa ohne diese Verteidiger der Form und Tradition wohl künftig aussehen?
In der italienischen Fernsehserie „The Young Pope“ wird das Comeback des Renaissance-Papsttums in der Gestalt des fiktiven Papstes Pius XIII. (Jude Law) gefeiert. Darin macht ein junger Papst aus Amerika Tradition und konservative Ideen fruchtbar für die heutige Zeit. Durch sein besonderes Charisma einerseits und die Kraft des Amtes andererseits schafft er es, die laschen Kirchenfürsten zu demaskieren und zum Gehorsam zu bewegen.
Tradition und Form in die Zukunft tragen
Lenny Bellardo, wie Papst Pius XIII. dort mit bürgerlichem Namen heißt, wird im Laufe der Serie zwar einen Persönlichkeitswandel erfahren. Beim Zuschauer bleibt jedoch die Frage der Attraktivität und Relevanz von Kirche präsent – die offenbar nicht durch endlose Reformen interessanter und brauchbarer wird, sondern durch ihren Anspruch und ihr Anderssein: in Form und Inhalt. Das Mysterium zieht uns an. Von einer uferlosen Freiheit und der allgegenwärtigen Profanität ist der moderne Mensch längst übersättigt.
Was selbst säkulare Filmemacher mittlerweile einsehen, wusste Papst Benedikt XVI. schon lange. Er erkannte die Zeichen der Zeit und die Notwendigkeit, zu Tradition und Form zurückzukehren. Als sensibler Beobachter, der er war, sah er den Zusammenhang zwischen der Schwächung der Form und einem schwachen, weil kenntnislosen und daher verdunstenden Glauben. Die Freigabe der überlieferten lateinischen Messe in seinem Apostolischen Schreiben „Summorum Pontificum“ und Versöhnungsbemühungen mit traditionstreuen Katholiken waren ein Beweis dafür.
Sein Anliegen einer Renaissance von Liturgie, Glauben und Kirche aus der Tradition war keine nostalgische Anhänglichkeit an Überholtes. Er lebte aus der Überzeugung, dass wahres christliches Leben nur aus der Kontinuität möglich ist. Dies ist und bleibt ein spirituelles Erbe Benedikts.
„Mehr als die Phrasen, die gerade modern sind“
Martin Mosebach, der Autor der formidablen „Häresie der Formlosigkeit“, würdigte den verstorbenen emeritierten Papst in seinem Nachruf als einen Bewahrer der christlichen Tradition und „geschworenen Feind der Revolution“ in der Kirche. Er habe verstanden, dass Päpste sich der Tradition zu unterwerfen hätten. Benedikts Gegner seien jene Theologen gewesen, die im Geist der „68-er Revolten“ agiert hätten. Benedikt sei jedoch stets optimistisch gewesen, dass die Kirche irgendwann die nachkonziliare Krise überwinden können werde, „und sei es als die kleine Schar, als welche sie vor 2000 Jahren begonnen hatte“.
Wir werden noch abwarten müssen, ob sich diese Zukunftsvision erfüllt. Es mag aber zutreffen, dass die Hoffnung der Kirche gerade jene kleine Schar von treuen Gläubigen darstellt, die sich nach dem Mysterium Gottes seht. Sie wird die Richtung bestimmen, wenn der Mainstream im Relativismus versinkt. Um es mit dem Joseph Ratzinger von 1969 zu sagen: „Die Zukunft der Kirche wird auch dieses Mal, wie immer, von den Heiligen neu geprägt werden. Von Menschen also, die mehr wahrnehmen als die Phrasen, die gerade modern sind.“ („Wie wird die Kirche im Jahre 2000 aussehen?“)
Es bleibt uns überlassen, zu jenen zu gehören.