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1000plus Schweiz

Petition gegen Abtreibungsrekord: „Hier läuft etwas grundlegend schief“

Hinter jeder Abtreibung, zu der sich eine Frau gezwungen sieht, steht die Gesellschaft, die sie im Stich gelassen hat. So könnte man den Sound der neuen Petition von 1000plus Schweiz beschreiben. Pünktlich zum „Internationalen Frauentag“ hat die Hilfsorganisation für Schwangere in Not einen Aufruf an die Bundesversammlung, das Schweizer Parlament bestehend aus National- und Ständerat, gestartet. Der Titel der Petition: „Keine weiteren ‘Abtreibungsrekorde’: Schwangeren in Not helfen!“

„Schwangerschaftsabbrüche steigen auf neuen Höchststand“ – „Schweiz verzeichnet neuen Abtreibungs-Höchststand“ – „Zahl der Abtreibungen in der Schweiz erreicht Rekordhoch“, so und ähnlich lauteten vergangenes Jahr die Schlagzeilen Schweizer Medien, als die Zahl der Abtreibungen 2023 auf mehr als 12.000 gestiegen sind. Die Abtreibungsrate der 20- bis 44-Jährigen stieg auf 7,6 pro 1.000 Frauen, auch das ein laut aktueller Statistik noch nie dagewesener Wert.

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1000plus neu mit Sitz in der Klosterstadt Einsiedeln will das nicht länger hinnehmen. Es muss etwas geschehen. Die Petition hat drei Kernforderungen:

  1. „Den ‘Abtreibungsrekord’ stoppen“
  2. „Staatlich finanzierte Beratungsstellen überprüfen und neu ausrichten“
  3. „Ein flächendeckendes Hilfsnetzwerk aufbauen“

„Die Politik darf diesen Rekord nicht einfach schweigend hinnehmen“

Corrigenda hat beim Geschäftsführer von 1000plus Schweiz (die „Schwesterorganisation“ der deutschen 1000plus-Profemina gGmbH, die dieses Magazin verlegt), Matthias Schäppi nachgefragt, was es mit den Anliegen konkret auf sich hat. „Das Wichtigste ist, dass die Bundesversammlung diesen ‘Abtreibungsrekord’ nicht einfach schweigend hinnimmt, sondern eine ernsthafte Debatte darüber führt, warum es in der Schweiz so viele Schwangerschaftsabbrüche gibt – und wie verhindert werden kann, dass Frauen sich von äußeren Umständen zur Abtreibung gedrängt fühlen“, betont Schäppi gegenüber Corrigenda.

In den allermeisten Fällen trieben Frauen nicht aus „Freiheit“ oder „Selbstbestimmung“ ab, sondern weil sie keinen anderen Weg fänden. „Doch genau das wird nicht hinterfragt! Stattdessen wird Abtreibung als Ausdruck von ‘Selbstbestimmung’ dargestellt, während die Realität oft das Gegenteil zeigt: Druck, Angst, finanzielle Sorgen, Partnerschaftsprobleme und Überlastung sind die wahren Gründe, die Frauen zur Abtreibung treiben“, beklagt der Schweizer.

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Die Politik müsse daher „Ursachen untersuchen und Lösungen entwickeln“. Dies müsse gemeinsam mit den Betroffenen geschehen. „Eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) könnte hier ansetzen: Erfahrungsberichte aus der Profemina-Beratung auswerten, Betroffene zu Wort kommen lassen und daraus ein umfassendes Maßnahmenpaket schnüren.“

„So bleibt das System eine unterlassene Hilfeleistung“

Profemina ist die weltweit größte nicht-staatliche Beratungsorganisation für Schwangere in Not und wird von nationalen 1000plus Organisationen (wie z.B. 1000plus Schweiz, 1000plus Deutschland, die dieses Magazin verlegt, oder 1000plus Österreich) finanziell unterstützt und gefördert.

Matthias Schäppi

Immer mehr Frauen aus der Schweiz greifen auf dieses Angebot zurück: 2024 verzeichnete die Website profemina.org laut eigenen Angaben mehr als 40.000 Besuche aus der Schweiz. Mehr als 8.000 Frauen in der Schweiz erhielten demnach eine individuelle Beratung – digital, telefonisch oder persönlich. Doch 1000plus Schweiz musste lange gegen juristische Hürden kämpfen: Der Kanton St. Gallen verweigerte der Organisation die Gemeinnützigkeit – unter Berufung auf Kritiker des Lebensschutzes. Doch 1000plus ließ sich nicht einschüchtern und zog vor das Verwaltungsgericht – mit Erfolg, über den selbst die Weltwoche berichtete.

Kritiker werfen Profemina vor, keine „echte“ Beratungsstelle zu sein, da die Organisation auf Hilfe und Alternativen zur Abtreibung setzt und daher keine sogenannten Scheine für die staatliche Pflichtberatung ausstellt. Auch beziehen sich die Angaben auf Frauen im Schwangerschaftskonflikt, jedoch gibt es auch Schwangere, die überzeugt abtreiben wollen. Die Daten von Profemina sind aber allein schon aufgrund ihrer schieren Größe beachtenswert und müssten in einer anstehenden Debatte zwangsläufig betrachtet werden.

Dass es 1000plus und Profemina in der Schweiz dringend braucht, das belegt laut Schäppi der Fakt, dass es trotz Dutzender staatlich finanzierter Beratungsstellen so viele Abtreibungen gibt – seit Einführung der Fristenlösung im Jahr 2002 summieren sich die Fälle auf mehr als 250.000. „Hier läuft etwas grundlegend schief“, ist der 38-Jährige überzeugt. Als Beispiel nennt er den Dachverband Sexuelle Gesundheit Schweiz (SGCH). Dieser gehört zur International Planned Parenthood Federation (IPPF), dem weltweit größten Abtreibungskonzern, der allein 2023 fast sechs Millionen Abtreibungen durchgeführt hat. „Wie unabhängig kann eine Beratung sein, wenn der eigene Dachverband mit Abtreibungen weltweit hunderte Millionen verdient?“

In der Schweiz ist, ähnlich wie in Deutschland, Abtreibung eigentlich nicht erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen – Einhalten der Zwölf-Wochen-Frist seit der letzten Regelblutung oder Vorliegen einer medizinischen Notwendigkeit – bleibt sie jedoch straflos. Laut Schäppi muss Beratung eines tun: „Frauen in Not stärken, echte Perspektiven eröffnen und ein ‘Ja zum Leben’ möglich machen. Solange das nicht geschieht, bleibt das System eine unterlassene Hilfeleistung – auf Kosten der Schwangeren und ihrer ungeborenen Kinder.“

Die Petition soll nur der Auftakt sein

Aber warum wählte 1000plus Schweiz das Mittel einer Petition und lancierte keine Volksinitiative, mit der in der direktdemokratisch organisierten Schweiz Gesetzesvorhaben initiiert werden können? „Eine Volksinitiative ist ein starkes demokratisches Instrument, aber sie ist langsam, sehr teuer und juristisch komplex. Oft dauert es Jahre, bis eine Initiative überhaupt zur Abstimmung kommt. Unsere Petition hingegen ist schnell, effizient und direkt wirksam“, gibt Schäppi zur Antwort.

Die Petition sei aber nur ein Anfang. Die Hilfsorganisation arbeite an einer nationalen Kampagne, „mit der wir die Not von Schwangeren in den kommenden Jahren ins Zentrum der gesellschaftlichen Debatte rücken werden“. Sollte die Politik weiter untätig bleiben, schließe er aber auch eine Volksinitiative nicht aus.

Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs zählen neben dem Churer Weihbischof Marian Eleganti und dem Präsident des Dachverbands Freikirchen und christliche Gemeinschaften Schweiz, Peter Schneeberger, eine Reihe von konservativen Politikern. Zu nennen wären etwa unter anderem die Nationalräte Lukas Reimann, Jean-Luc Addor (beide SVP) sowie Andreas Grafner und Erich Vontobel (beide EDU). Noch einmal Schäppi: „Dass vor allem konservative Politiker unterschrieben haben, zeigt, wer bereit ist, Schwangeren in Not wirklich zu helfen. Doch unsere Tür bleibt offen: Jeder Politiker – unabhängig von Partei oder Weltanschauung – der Schwangeren eine echte Wahlfreiheit ermöglichen möchte, ist eingeladen, diese Petition zu unterstützen.“

10.000 Unterzeichner möchte 1000plus bis zum 2. Juni hinter sich versammeln. Dann beginnt die Sommer-Session, wie der Zeitraum der Sitzungswochen des Eidgenössischen Parlaments genannt werden.

Hier geht es zur Petition

 

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