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Äußerung von Kardinal Schönborn

Nein, wir müssen den Niedergang Europas nicht akzeptieren

Es ist ein geradezu fataler, ein fatalistischer Satz: „Wir müssen den Niedergang Europas akzeptieren.“ Geäußert hat ihn Wiens Erzbischof Christoph Schönborn im Interview mit der französischen Zeitung Famille Chrétienne. Aufgrund des Kindermangels, der Einwanderung und des zahlenmäßig stärker werdenden Islams werde Europas Bevölkerung in zwei Jahrzehnten nicht mehr die gleiche sein wie heute.

Die Analyse ist richtig. Geht es so weiter, wird sich nicht nur das Gesicht Europas verändern, es werden seine Glieder, ja mithin seine Organe ausgetauscht und ersetzt. Der demografische Niedergang betrifft alle Bereiche einer Gesellschaft. Wäre dieser degenerierende Wandel hin zur Kinder- und Gottlosigkeit allein nicht schon schlimm genug, kommt noch ein gewaltiger Migrationsdruck von außen hinzu, dessen sich Europa bislang nicht erwehren kann. Weil Europa nicht will.

Denn die Migrationskrise ist kein Naturereignis. Vielschichtige Lösungen liegen in den Schubladen bereit: Perspektiven schaffen in den Herkunftsländern, dort helfen, wo es am effektivsten und nebenbei noch am günstigsten ist, die veralteten Gesetze den Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anpassen, den Sozialmagnet abstellen, die Außengrenzen – und wenn es sein muss, auch die Binnengrenzen – konsequent schließen und schützen. Anerkennen, dass der christliche Glaube nicht als Rechtfertigung missbraucht werden darf, unkontrollierter Masseneinwanderung das Wort zu reden. Von der Missionierung der Zugewanderten oder der Rechristianisierung der Einheimischen spricht in der Kirche auch kaum jemand.

Die Schwäche der Kirche trägt maßgeblich zur Krise bei

Doch wer diese Dinge fordert, der wird aufs Schärfste attackiert. Auch von der katholischen Kirche. Auch vom Wiener Erzbischof Schönborn, der neben der FPÖ-Kritik auch damit Schlagzeilen machte, dass er der Angliederung der islamischen Theologie an die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien zustimmte.

Noch schlimmer ist die Situation in Deutschland, wo ein Bistum gerade die Finanzierung eines Migrantenboots der linksradikalen Lobbyorganisation „Sea Eye“ unterstützt hat und damit indirekt das Schlepperunwesen fördert. In keinem anderen Land außer der Bundesrepublik warnt die Bischofskonferenz explizit und einseitig vor der Wahl von rechten Parteien, während sie von linker Seite offenbar gar keine Gefahr mehr ausgehen sieht, obwohl Grüne und Linke es sind, die jene Zustände propagieren, die der 79-jährige Kardinal hinzunehmen bereit scheint.

Es ist vor allem die zu einem großen Teil selbstverursachte Schwäche der Kirche, die maßgeblich zur abendländischen Krise beigetragen hat und beiträgt. Europa richtete sich dann zum Schönen und Guten auf und aus, im Großen wie im Kleinen, wenn die Kirche ihren Auftrag als Werkzeug Gottes in der Welt treu und pflichtbewusst erfüllt hat.

Und das ist das Fatale an den Aussagen von Kardinal Schönborn: Sie erwecken den Eindruck, als sei jede Hoffnung verloren und jeder Einsatz sinnlos. Doch ein Blick in die zweitausendjährige Geschichte des Christentums in Europa zeigt, dass die Situation oft verzweifelt schien, aber stets eine Wende zum Guten gelang. Die Geschichte Europas ist geprägt von Krisen, Katastrophen und tiefgreifenden Umbrüchen, die weit größere Anlässe zur Resignation gaben als die Herausforderungen unserer Zeit. Doch jedes Mal konnte Europa mit Gottes Hilfe und dem Einsatz mutiger Christen gestärkt daraus hervorgehen.

Das Überfordernde, scheinbar Unerreichbare ist die Kraft hinter dem Erfolg

Schon die bloße Entstehung des Christentums ist ein eindrücklicher Beweis dafür, dass das scheinbar Unmögliche gegen alle Wahrscheinlichkeiten siegen kann. Der Historiker Hildebrand Troll machte darauf aufmerksam, als er erklärte, warum der Altertumswissenschaftler Theodor Mommsen seine berühmte „Römische Geschichte“ mit Caesar enden ließ und danach nur noch ein Werk über die römischen Provinzen verfasste. Mommsen, so Troll, sah sich außerstande, „mit den Mitteln der historischen Methode zu erklären, wie es zwölf ungelehrten galiläischen Fischern gelungen sei, das geistige Leben des römischen Weltreichs zu revolutionieren“. Diese Revolution ist der eigentliche Triumph des Christentums: Eine Bewegung, die als unmöglich galt, hat die Welt verändert.

Der Philosoph Peter Sloterdijk beschreibt es treffend: „Das Einzige, was uns begeistert, ist das Unmögliche.“ Und er sagt weiter: „Das ist auch der Unterschied zwischen Gott und Teufel. Der Teufel holt Sie dort ab, wo Sie sind. Wie die schlechten Lehrer. Gott erkennen Sie daran, dass er Sie bedingungslos überfordert. Das ist das Einzige, was Enthusiasmus auslöst.“

Dieses Überfordernde, das scheinbar Unerreichbare und der daraus entstehende Enthusiasmus sind seit jeher die treibenden Kräfte hinter dem Erfolg des Christentums. In den vergangenen 2.000 Jahren hat es diese Qualitäten immer wieder unter Beweis gestellt und Krisen in Chancen und Niederlagen in Siege verwandelt. Europa hat sich, gerade wenn es am Abgrund stand, durch den christlichen Glauben stets wieder erhoben.

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Das Christentum wurde aufgebaut und ist gewachsen in der Christenverfolgung. Und immer zeigte sich in der Geschichte, wie das eigentlich Überfordernde und Unmögliche Wirklichkeit wurde: Im Jahre 452 stellte sich Papst Leo der Große dem Hunnenkönig Attila entgegen und bewirkte, dass dieser ohne Kampf von Italien abzog. Wenige Jahrzehnte später, 476, fiel das Weströmische Reich. Es schien, als sei das christliche Europa bereits in den ersten Jahrhunderten seines Bestehens dem Untergang geweiht.

Dann geschah erneut das Wunder: Der fränkische König Chlodwig ließ sich um 500 taufen und ebnete so den Weg zur Rechristianisierung Europas nach dem Fall Westroms. Die Taufe Chlodwigs war ein Wendepunkt im Frühmittelalter und legte den Grundstein für den Wiederaufbau Europas. Im Jahr 800 krönte der Papst in Rom Karl den Großen zum Kaiser, aus dessen Ostfrankenreich sich später das Heilige Römische Reich formte. Im 11. Jahrhundert, als Päpste und Klöster der Dekadenz verfielen, entstand der Zisterzienserorden, der nicht nur das klösterliche Leben erneuerte, sondern auch maßgeblich zur Urbarmachung von Teilen Deutschlands beitrug.

Auch in der Moderne bewies das Christentum seine erneuernde Kraft

Sogar in Zeiten massiver Krisen wie im 13. Jahrhundert, als die rasante Verstädterung große Herausforderungen mit sich brachte, antworteten mutige Christen mit neuen geistlichen Aufbrüchen. So gründeten sich die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner, die sich der städtischen Armut annahmen und das Evangelium in die wachsenden Städte trugen. Der heilige Franziskus selbst erhielt den göttlichen Ruf: „Franziskus, geh und richte meine Kirche wieder auf, die, wie du siehst, in Trümmern liegt.“ Seit wann also ergeben sich Christen in Krisen der Resignation? 

 

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Einer der markantesten Siege des christlichen Europas über eine offensichtliche Übermacht ereignete sich 1571 in der Seeschlacht von Lepanto. Die osmanische Flotte war den europäischen Truppen zahlenmäßig überlegen, und dennoch wurde der Sieg errungen – und das scheinbar Unmögliche erreicht. Papst Pius V. hatte zu Gebet und geistlicher Stärkung aufgerufen, und in ganz Europa wurden Rosenkränze gebetet, anstatt aufzugeben. Es waren Glaube und Gottes Hilfe, die diesen Sieg möglich machten. Noch heute feiert die Kirche deshalb am 7. Oktober das Rosenkranzfest, traditionell auch bekannter als Festtag „Unsere Liebe Frau vom Siege“. In der europäischen Geschichte, die seit Jahrhunderten eine christliche ist, geht es vor allem dann mit rechten Dingen zu, wenn Wunder geschehen.

Auch in der Moderne bewies das Christentum seine regenerative und aufbauende Kraft. Nach den verheerenden Auswirkungen der Französischen Revolution, als Europa von Kriegen gezeichnet war und Frankreich einen großen Teil seines christlichen Erbes verloren hatte, formten sich im 19. Jahrhundert zahlreiche neue Orden und geistliche Gemeinschaften, die maßgeblich am Wiederaufbau Europas mitwirkten. Der Kölner Dom, ein Symbol christlicher Größe, wurde vollendet, und die Zahl der Klöster nahm wieder zu. Missionare gingen in die ganze Welt hinaus, um den Glauben an Christus zu verbreiten.

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Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg, einer der dunkelsten, katastrophalsten Perioden der europäischen Geschichte, waren es die Bischöfe und Priester, die den religiösen, moralischen und geistigen Wiederaufbau anführten, man denke nur an die Bischöfe Clemens August Graf von Galen und Bischof Joannes Baptista Sproll oder den Priester Franz Stock. Das Christentum hat nicht nur all diese Krisen überlebt, sondern sie stets in neue Chancen verwandelt.

„Man muss denen helfen, die noch Glauben haben und ihn intakt halten“

Ganz anders heute. Es gibt Bistümer in Mittel- und Westeuropa, in denen schräg angeschaut oder gar ausgegrenzt wird, wer den Glauben ernsthaft zu leben versucht, wer vom Klerus erwartet, seine heiligen Aufgaben zu erfüllen. Stattdessen aber will ein nicht irrelevanter Teil der Kirche ausgerechnet jenen gefallen, die die Kirche am liebsten auf dem Müllhaufen der Geschichte sehen wollen.

„Willst du damit vielleicht andeuten, dass der Teufel so listig geworden ist, dass er es ab und an auch schafft, sich als Priester zu verkleiden?“, fragt Don Camillo den Herrn, als dieser den dickköpfigen Priester darüber aufklärt, was in diesen gottlosen Zeiten zu tun sei.

Don-Camillo-Erfinder Giovannino Guareschi war hier geradezu prophetisch. Auf die Frage, was wir denn tun könnten, lässt er den Herrn Jesus Christus antworten:

„Dasselbe, was ein Bauer tut, wenn der Fluss über die Ufer tritt und die Felder überschwemmt: die Saat retten. Wenn der Fluss sich in sein Bett zurückzieht, so scheint die Erde wieder auf und die Sonne trocknet sie. Wenn der Bauer den Samen gerettet hat, kann er ihn erneut auf der Erde ausbringen, die durch den Fluss noch fruchtbarer gemacht wurde; und der Samen wird heranreifen, und die prallen und goldenen Ähren werden den Menschen Brot, Leben und Hoffnung geben.

Man muss den Samen retten: den Glauben. Don Camillo, man muss denen helfen, die noch Glauben haben und ihn intakt halten. Die geistige Wüste erstreckt sich jeden Tag ein Stück weiter, jeden Tag trocknen mehr Seelen aus, weil sie den Glauben abgeworfen haben.“

Nein, niemals!

Kardinal Schönborn schob die Verantwortung für die Misere in dem Interview auch auf die einfachen Kirchenmitglieder. „Wenn die Katholiken die Kirche verlassen haben, darf man sich nicht wundern, wenn sie in der Minderheit sind.“ Wie wohlfeil! Natürlich hat jeder Getaufte auch die Pflicht, sich mit dem Glauben zu beschäftigen. Doch Pflicht kommt von Pflegen, und für die Glaubenspflege ist in erster Linie das Episkopat verantwortlich. Dieses hat vor allem seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts im Sog der gesamtgesellschaftlichen Säkularisierung, der Verweltlichung sowie der Liberalisierung der Kirche versagt.

Dass es anders geht, beweisen jene katholischen Oasen etwa im heidnischen Berlin, die sich wachsender Besucherzahl erfreuen. Ihnen gemein ist eine mit allen Sinnen zu spürende Ernsthaftigkeit, Würde und Freude in der Seelsorge. Eben ganz anders als im kirchensteuergesättigten Mainstream.

Wenn Christen in einer naturalistisch geprägten Zeit glauben, dass ein Toter auferstehen kann, ist auch das scheinbar Unmögliche möglich. Es ist also wieder Zeit, das Staunen der ersten Christen zu erleben und den Enthusiasmus der Heiligen neu zu teilen. Europa mag erneut im Niedergang begriffen sein – doch die Antwort der Stunde lautet nicht, dies zu akzeptieren, sondern aktiv dagegen vorzugehen!

Diese Mentalität hat die Kirche über Jahrhunderte hinweg stets bewahrt, auch in den schlimmsten Zeiten. Eine Anekdote aus dem Ersten Weltkrieg, überliefert durch den Stadt- und Landboten Rheindahlen, illustriert dies eindrücklich: „Man schreibt das Jahr 1917, der erste Weltkrieg ist noch nicht zu Ende. Die neue Pfarrkirche wurde 1914 erweitert. Pfarrer ist seit 1907 Karl Joseph Pauen. Sein Wahlspruch, als er die Pfarrerstelle in Rheindahlen antrat: ‘Mein Name ist Pauen, ich werde hier bauen.’“

Nun also die Frage: Ist das abendländische Europa im Niedergang? Ja, freilich, das war es aber schon oft. Es ist geradezu ein Wunder, dass das christliche Abendland in Teilen überhaupt noch existiert! Vergessen werden darf jedoch nicht: Das Christentum war immer schon unter Druck, litt unter Verfolgung jeglicher Art und zersetzenden Selbstauflösungserscheinungen. Haben die Zeitgenossen damals von Erzbischöfen quasi alternativlos aufgetragen bekommen, den Niedergang zu akzeptieren? Nein, nie! Müssen wir ihn heute akzeptieren? Nein, niemals!

 

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