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Kolumne „Ein bisschen besser“

Im Turmzimmer

Ach ja, das liebe Geld. Manchmal fließt es nicht so, wie es soll, und dann setzen sich meine Frau Judith und ich abends hin und missbrauchen Drogen. Davon fließt es zwar auch nicht, aber es ist uns dann völlig egal. Ich sage in solchen Situationen Sätze wie: „Ich habe mich nie für Geld interessiert“, und Judith raucht eine.

Es gibt viele, die so denken wie ich. Die grüne Familienministerin Lisa Paus sagt zum Beispiel, dass sie für die Kindergrundsicherung zwischen drei und zwölf Milliarden braucht. Wenn ich Judith, die Schwäbin ist, sagen würde, dass das Brot beim Bäcker irgendwas zwischen drei und zwölf Euro kostet, würde sie mich nie wieder einkaufen schicken.

Sich einmischen …

Generäle und Lokführer sind auch solche wie ich. Sie geben Milliarden aus, aber weder ist mein Eindruck, dass die Bundeswehr sonderlich ertüchtigt ist, noch kommt der Zug pünktlich. Ich glaube, die machen sich eben nichts aus Geld, und an sich ist mir das ja sympathisch.

Sogar mein Ältester hat jetzt von mir gelernt. Noch bis kürzlich war sein Berufswunsch: Millionär. Inzwischen will er nur noch genug zum Leben. Bei der Beobachtung dieser Mindset-Metamorphose habe ich allerdings bei mir eine Änderung festgestellt. Ich fand anfangs den Millionärswunsch übertrieben. Genug zum Leben finde ich nun auch wieder etwas unambitioniert.

Aber vielleicht sollte ich mich nicht einmischen. Vielleicht ist es ein bisschen besser, sich wie einst der französische Staatsmann Michel de Montaigne in sein Turmzimmer bei Bordeaux zurückzuziehen und „mit nichts anderem abzugeben als damit, in Ruhe und für mich den kleinen Rest meines Lebens zu verbringen“.

… oder lieber nicht?

Montaigne schrieb das im zarten Alter von 38 Jahren, nachdem in Paris 1572 gerade sämtliche Führer der Hugenotten ermordet worden waren. „Weißt Du, wie schwer es ist, sich nicht einzumischen?“, frage ich Judith 451 Jahre später, während wir von unserem Turmzimmer bei Como aus zusehen, wie die Wolken an die Berge stoßen.

„Viel zu schwer“, räumt sie ein, wobei sie in ihrem großen, brauen Lederportemonnaie kramt, das ihre ganz persönliche Grundsicherung enthält. „Komm runter in die Bar“, sagt sie, „lass uns mitmischen.“ Ich folge ihr und weiß, was ich für einen Goldschatz habe.

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