Entspannt euch!
Die Endzeit hat Konjunktur. Die Krisen der Gegenwart haben dafür gesorgt. Sie sind nicht mehr nur in fernen Ländern, sondern auch bei uns spürbar. Virengefahr, knappe und deswegen überteuerte Energie, Angst vor dem Blackout, das Kneipensterben und über allem: der Klimawandel. Sie alle sind die Herolde des Untergangs.
War bislang die Endzeitstimmung Sache der religiös Engagierten, so ist es jetzt das Thema bei der bislang als politisch uninteressiert geltenden Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich hinter Gallionsfiguren wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer formieren. Wobei die Temperatur der Überzeugung und die damit verbundene Bereitschaft zum Martyrium hoch ist und einen geradezu parareligiösen Charakter angenommen hat.
Es gibt eine Glaubensüberzeugung – in wenigen Jahren ist die Erde zerstört durch Autofahrer und Fleischesser –, es gibt Missionare, und es gibt Kreuzzügler, die sich mit ganzem Einsatz von Seele und Leib um der Sache willen hinopfern, auf Autobahnen festkleben, sich gesellschaftlich stigmatisieren und sogar ins Gefängnis stecken lassen.
Die Rettung im Diesseits
Anders als der religiöse Endzeithype, der glaubt, entdeckt zu haben, dass es dem Ende entgegengeht und sich eher passiv auf das Unabwendbare vorbereitet, sind die parareligiösen Endzeitler voller Elan, das Ende zu verhindern – trotz ihrer defätistischen Selbsteinordnung etwa als „Letzte Generation“. Denn man will ja eigentlich nicht die letzte Generation der Menschheit sein, sondern nur durch die scheinbare Unerfüllbarkeit des Wunsches damit drohen, sie zu werden, wenn nichts geschieht.
„Wir kommen zusammen und leisten entschlossen gewaltfreien Widerstand gegen den fossilen Wahnsinn unserer Gegenwart. Wir sind der Überlebenswille der Gesellschaft! Wir haben noch zwei bis drei Jahre, in denen wir den fossilen Pfad der Vernichtung noch verlassen können“, schreiben die sogenannten Aktivisten auf ihrer Homepage „Letzte Generation“ und zitieren prominente Unterstützer wie UN-Generalsekretär António Guterres, der im vergangenen Jahr den Marschplan wie folgt festlegte: „Wir haben die Wahl: Kollektives Handeln oder kollektiver Suizid.“
Klare Ansage! Es geht also um ein säkulares „Rette deine Seele“. Wobei die Erfüllung der Forderungen nach Änderungen in der Gesellschaft die Rettung nicht ins Jenseits, sondern in das Diesseits verlegt. Mit präzisen Prognosen der Apokalypse: Massensterben aufgrund von Erderwärmung.
Das Zeugnis wird zur Zwangsbekehrung
Als katholischer Priester habe ich zunächst einmal Sympathie für alle, die nach ihren Überzeugungen leben und auch bereit sind, etwas für sie zu tun – zur Not unter großen persönlichen Opfern. Allerdings hat – abgesehen von der Tatsache, dass mein Blick sich eher auf das richtet, was nicht vergeht als auf die Verlängerung der Vergänglichkeit – meine Sympathie dort Grenzen, wo die Überzeugungstäterschaft das Zeugnis – griechisch „Martyria“ – verlässt und zur Zwangsbekehrung oder zur Zwangsetablierung einer Glaubenshaltung wird.
Denn das, was uns die meist jugendlichen Klimaradikalen offenbaren, ist weit über ihre Überzeugung hinaus ein apodiktisches Erzwingen von Maßnahmen, die ganz offensichtlich noch nicht gänzlich aus dem Reich der Glaubensvorstellungen in die Region der harten Tatsachen und von allen Wissenden gleichermaßen errechenbaren Prognosen vorgedrungen sind.
Die Szene der Klimaforscher offenbart nämlich eine erstaunliche Vielgestaltigkeit in den Auffassungen, Hypothesen und Prognosen, auch wenn sich diese nicht medial abgebildet finden. Sie reichen von extremen Bedenkenträgern bis zu nüchternen Bestandsaufnahmen, die das prognostizierte Horrorszenario ähnlich extrem relativieren.
Wer ihr Dogma nicht teilt, wird zum „Leugner“
Allgemein bekommen wir hingegen das Klimaproblem in Form eines Dogmatismus präsentiert, der uns in Gläubige und Leugner unterteilt. Entsprechend wird die Hypothese zur Doktrin und derjenige, der ihr nicht folgt, sondern sich anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen anschließt, zum „Leugner“ eines menschengemachten Klimawandels.
Er sieht sich – und sie sich natürlich auch – durch eine „maximale Störung der öffentlichen Ordnung“ („Letzte Generation“) zum Einlenken auch jenseits der Bekehrung gezwungen. Also: Zwangsrekrutierung.
Da bin ich als katholischer Priester allergisch. Denn dem Christentum widerspricht die unfreiwillige Zwangsbekehrung oder gar die Zwangstaufe zutiefst. Und wenn es irgendwann oder irgendwo eine solche Praxis gegeben haben sollte, war es ein Betriebsunfall. Allein der Begriff der „Zwangsbekehrung“ ist ein Widerspruch in sich, weil eben Zwang unfreiwillig ist und Bekehrung grundsätzlich aus dem freien Entschluss und Willen stammen.
Für die Überzeugungsarbeit kontraproduktiv
Ich halte es von daher – schon aus Gründen der Erfahrung in der Überzeugungsarbeit, die mein tägliches Brot ist – für kontraproduktiv, durch Störung der öffentlichen Ordnung zu etwas bewegen zu wollen, das für sich nicht den Charakter eines zwingenden Naturgesetzes beanspruchen kann.
Und was die „Letzte Generation“ betrifft, die sich so gerne aus pädagogischen Gründen allerorten an irgendetwas festklebt, würde ich ihren Aktivisten raten: Lasst es einfach! Entspannt euch und werdet gelassener, auch wenn es in eurem jugendlichen Elan schwerfällt, den Tunnelblick aufzugeben.
Und ich würde ihnen bei der Gelegenheit gerne mit G.K. Chesterton, dem humorigen englischen Literaten aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, entgegenhalten, was er im Gespräch mit endzeitlich gestimmten Zeitgenossen immer gerne ins Feld führte: dass er nämlich nicht wissen könne, ob die Welt alt oder jung sei.