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„Vienna Pride“ 2024

Die neuen Brot und Spiele fürs Regenbogen-Volk

Alle Jahre wieder kommen nicht nur Weihnachten, Halloween und Ramadan, sondern mittlerweile auch der Pride-Monat. Die 2015 in Wien montierten gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen sind längst zur Normalität geworden und auch die Farben der Regenbogen-Zebrastreifen verblassen allmählich. Justament müssen neue, Aufmerksamkeit generierende Projekte und Diversität bekundende Aktionen her!

Dabei hat sich das österreichische Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) dieses Jahr selbst übertroffen. Das von der Grünen Leonore Gewessler geführte Ministerium änderte das Profilbild seines „X“-Accounts (ehemals Twitter) pünktlich am ersten Juni in die sogenannte „Progress“-Flagge. Dies ist quasi eine upgegradete Pride-Flagge, die einen Keil enthält, der Trans-Personen sowie PoC („People of Colour“) präsentiert. Doch bei dieser zur Schau gestellten Tugendhaftigkeit bleibt es nicht.

Klimaministerium goes Drag

Unter dem Titel „BMK goes Drag“ postete das Ministerium eine queere Fotoreihe. Darauf zu sehen ist die Wiener Dragqueen Ryta Tale, die ihr „verstecktes Talent als Ministeriumsmitarbeiterin“ zeigt. Unter „versteckte Talente“ einer Sekretärin zählen für das BMK offensichtlich Nägel feilen, Blumen gießen, in einen Telefonhörer schreien und eine Pride-Fahne schwenken. Das Fotoshooting soll aufmerksam machen auf den vom Klimaministerium gestarteten Verein „BunterBund“, der LGBTQ-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst unterstützt. Der Verein tritt für einen Abbau von Stereotypen ein.

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Man fragt sich: Ist „BunterBund“ beziehungsweise dem BMK bewusst, dass die veröffentlichten „Dragqueen als Sekretärin“-Fotos von massiven Stereotypen nur so triefen? 

Klischee Nummer eins: Dass der dümmlichen Tussi-Sekretärin, die nichts kann außer Telefonieren, Kaffeeholen sowie Büroblumengießen und sich lediglich für ihre Gelnägel und ihr Makeup interessiert. 

Klischee Nummer zwei: Die Fotos richten sich gegen das eigene Klientel, indem sie suggerieren, queere Personen würden sich nur für ein aufgetakeltes Äußeres interessieren, nicht aber für seriöse Aufgaben, die Verantwortungsbewusstsein und Konzentration verlangen. Diese könnten Heteros verrichten, LGBTQ-Personen seien lediglich zur allgemeinen Bespaßung angestellt.

Ein sexualisiertes und fetischisiertes Frauenbild

Auch der Sexismus kommt nicht zu kurz: Die mit Highheels, engem Bleistiftrock, Bluse, Brille, Gelnägeln und blonder Hochsteckfrisur ausstaffierte Mitarbeiterinnen-Dragqueen entspricht einem sexualisierten und fetischisierten Sekretärinnen- und Frauen-Bild

„Verstehen Konservative keinen Humor?“, könnte die Gegenseite einwenden. Es ist aber anzunehmen beziehungsweise zu befürchten, dass das BMK mit dieser Aktion kein Spiel mit Klischees und Stereotypen intendierte. Ihm geht es allen Ernstes um einen Abbau von Letztgenannten. 

Das Brisante dabei ist, dass es genau die queere und woke Community ist, die sonst am schnellsten mit dem Urteil „Mikroaggression“ bei der Hand ist. Wehe, wenn ein Mann einer Frau Komplimente für ihr Äußeres macht, wenn jemand mit falschen Pronomen angesprochen wird, wenn nicht gegendert wird oder eine Person nach der Herkunft gefragt wird – dies alles fällt nicht nur unter Sexismus, Stereotypisierung, Transfeindlichkeit oder Rassismus, sondern wird auch als „Mikroaggression“ tituliert.

Doch den Opfer-Stempel haben die Queeren allein für sich gepachtet – wer käme auch auf die Idee, dass Cis-Heteros wie Frauen oder Sekretärinnen von queeren Mikroaggressionen betroffen sein könnten?

Über Diskriminierung kann man sich nicht mehr beklagen

Die Werbeaktion des BMK offenbart noch etwas ganz anderes: Wenn sich nicht nur unzählige Unternehmen, von Coca-Cola über die REWE-Group bis zur österreichischen Staatsoper, beim Pride-Month beteiligen, sondern sogar ein Ministerium, kann weder von Diskriminierung queerer Personen, noch von mutigem Aktivismus gesprochen werden. 

Wenn bei der am gestrigen Samstag stattgefundenen Wiener Regenbogenparade über 300.000 Personen mitlaufen, darunter heterosexuelle Influencer mit sechsstelligen Followerzahlen und ranghohe Politiker – in Wien gingen der Grünen-Vizekanzler Werner Kogler sowie die Parteichefs der Sozialdemokraten (SPÖ), Andreas Babler, und der Liberalen (NEOS), Beate Meinl-Reisinger, mit –, wenn sich auch der Verkehrsverbund Wiener Linien in Form von Pride-Fähnchen an den Straßenbahnen beteiligen, kann sich niemand über angebliche strukturelle Benachteiligung und Rechtelosigkeit beschweren.

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Mit Steuergeldern gefördert

Zu der mit Steuergeldern gesponsorten „Vienna Pride“ gehörte auch das „Pride Village“, das vergangenes Wochenende am Rathausplatz stattgefunden hat. Dieses bietet unter anderem Kinderschminken, Zaubershow, „Pride-Celebration“ mit dem Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) und die Siegerehrung des „Pride Run Vienna“ an. 

Die Regenbogenparade mit den zugehörigen Seitenveranstaltungen gleicht mittlerweile eher einem Fasching für Erwachsene mit Fetisch, einer Riesen-Party, auf der sich das durch böse gesellschaftliche Normen und Zwänge geknechtete Ich für einen Nachmittag in ein geschlechterloses, imaginäres Glitzerwesen verwandeln kann. Es sind die neuen, von Politikern und Medienstars geförderten, Brot und Spiele fürs Volk.

 

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