Meinungsmache mit „Analysen“

Der Zürcher Tages-Anzeiger wird als „linksliberal“ beschrieben, was auch immer das sein soll. Sicher ist: Im Zweifelsfall stellt sich die Redaktion geschlossen hinter linke Themen wie Gendersprache und Diversität, sie macht mobil gegen den menschengemachten Klimawandel und ist ein Sprachrohr für die Anliegen von LGBTQ.
Hin und wieder gibt es Ausreißer. Zum Beispiel diesen Beitrag, in dem zarte Kritik am Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und dessen Senderkette laut wird. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört zu den Einrichtungen, die der Tages-Anzeiger sonst durch alle Böden schützt, weil seine Journalisten ein ähnliches Weltbild haben.
Klare Feindbilder
Es geht im Text um die Frage, ob das SRF entgegen seinen publizistischen Leitlinien Meinungen verbreitet statt objektiver Information. Aufmerksame Beobachter halten die Frage für rhetorisch. In Anmoderationen, in TV-Dokumentationen, im Off-Text in Radioreportagen: Es wird immer wieder offensichtlich, dass die gebührenfinanzierten Sender sehr viel mehr wollen, als nur Bericht zu erstatten.
Manchmal subtil, meist unüberhörbar werden Feindbilder vermittelt: Donald Trump, die SVP in der Schweiz, die AfD in Deutschland, die FPÖ in Österreich, reiche Leute, Klimawandelzweifler und Menschen, die an zwei Geschlechter glauben. Es ist mit der Kraft von Bild und Ton einfach, sich vordergründig neutral zu geben und zwischen den Zeilen klar zu vermitteln, was man wirklich denkt.
Der Tages-Anzeiger macht sich in diesem Fall verdient, weil er einen interessanten Aspekt in der Mechanik offenlegt. Als öffentlich-rechtliche Station, finanziert von Zwangsgebühren aus jedem Haushalt, sind die Sender vom SRF nämlich wirklich zurückhaltend, was Kommentare angeht. Aber das hilft leider nicht.
„Analyse“ statt Kommentar
Es kommt zwar sehr selten vor, dass ein SRF-Journalist vor der Kamera unter dem offiziellen Etikett „Kommentar“ offen sagt, was er denkt. Stattdessen sprechen die Radio- und TV-Macher einfach von „Analysen“, oft auch von „Einordnung“ oder „Einschätzung“. Basierend auf einem Ereignis geben sie vor, dem Publikum nun gleich über die reine Berichterstattung hinaus Hintergrundwissen zu vermitteln.
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Was so als Mehrwert verkauft wird, sind in Wahrheit nichts anderes als kommentierende Einschübe. Nach der Münchner Sicherheitskonferenz klang das dann beispielsweise auf Radio SRF in den Worten des US-Korrespondenten so: Donald Trump habe mit seinem Verhalten „den US-Interessen geschadet“. Das liege daran, dass er „ideologiegetrieben statt interessenfokussiert“ sei.
Schauen wir mal großzügig darüber hinweg, dass Trump gar nicht in München war, sondern seinen Vize J. D. Vance entsandt hatte: Was könnte kommentierender sein als diese Adjektive? Zumal die angebliche „Analyse“ auch inhaltlich falsch ist. Man kann Donald Trump vieles vorwerfen, aber kaum, dass er „ideologiegetrieben“ ist. Wenn es jemanden gibt, der frei von Ideologien nur Interessen verfolgt, dann ist es der US-Präsident.
Keine Fakten, keine Argumente
Mit diesem Beispiel konfrontiert, wollte man bei SRF nicht auf den konkreten Fall eingehen, sondern verlautbarte allgemein, man stelle niemals einfach Behauptungen in den Raum, „ohne dass dafür auch die notwendigen Fakten und Argumente dargelegt werden“.
Nur gab es danach keinerlei Fakten und Argumente dafür, dass die neue US-Regierung mit einer Rede zugunsten der Meinungsfreiheit gegen die Interessen des eigenen Landes gehandelt hat. Was wirklich geschah: Ein Korrespondent legte kurzerhand fest, dass das, was nicht mit seinem Weltbild übereinstimmt, doch sicher schlecht sein muss für ein ganzes Land. Und er teilte das dem Publikum nicht als seine persönliche Einschätzung mit, sondern als unumstößliche Tatsache.
Was man im Übrigen auch nie tue, so das SRF weiter in der Reaktion auf die Vorwürfe: politische Forderungen ergreifen. Was genau ist es aber, wenn eine Radiojournalistin – wiederum in einer „Analyse“ – davon spricht, dass Europa „weitere Sanktionen gegen Russland ergreifen“ müsse? Und gefälligst die „eingefrorenen russischen Vermögenswerte der Ukraine“ überlassen soll? Wenn das keine Forderungen sind, was dann?
Beseelt von der eigenen Haltung, die für die Journalisten Realität ist
Vielleicht muss man in Bezug auf das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen in der Schweiz die Küchentischpsychologie zu Hilfe nehmen. Es ist durchaus möglich, dass man dort solche Beispiele – von denen es unzählige gibt – wirklich nicht als Verletzung der eigenen Richtlinien wahrnimmt. Weil die politische Haltung, die dahintersteht, schon so sehr Teil vom SRF ist, dass sie nicht als unausgewogen oder manipulierend wahrgenommen wird. Sondern als nackte Wahrheit.
Trump ist böse, Rechte sind eine Gefahr für die Demokratie, die Klimaziele müssen erreicht werden: Das alles spielt für den faktischen Staatssender in derselben Liga wie die Schwerkraft, der Sonnenaufgang am Morgen und die Tatsache, dass Wasser nass ist. Naturgesetze eben, die keinen Raum für Zweifel lassen. Beseelt von dieser Überzeugung, merken SRF-Journalisten nicht einmal mehr, dass sie gerade Hirnwäsche am Publikum betreiben. Aus ihrer Sicht geben sie schließlich nur Selbstverständlichkeiten wieder, die doch kein geistig gesunder Mensch hinterfragen kann.
Ein Korrektiv dazu gibt es nicht. Wer es sich als Journalist nicht so einfach machen will und Zweifel hat, der hat bei SRF schon längst Reißaus genommen oder sich aufs Schweigen bei der Redaktionskonferenz verlegt. Die Omertà der Gutmenschen ist eine mächtige Waffe. In diesem Fall bezahlt vom Bürger.
Kommentare
Lieber Herr Millius
Wenn ich Ihren Artikel so lese, habe ich ein bisschen, sie machen das Gleiche, dass Sie anderen vorwerfen. Sie pflegen auch eifrig ihre Feindbilder wie LGBTQ oder den verrückten Herrn Trump verteidigen (ich habe mir meine Meinung gebildet als ich seine Rede zur Lage der Nation gehört habe)
herzliche Grüße aus Wien
@Thomas Kovacs Stefan Millius verteidigt in dieser Kolumne nicht Donald Trump, er kritisiert die SRF-Berichterstattung, u.a. über Donald Trump. Lesen genügt eben nicht, man muss das Gelesene auch verstehen können. Grüsse nach Wien.
Dito für Deutschland, aber das ist eh klar. Allein die Rundfunkgebühren könnten ins Wanken geraten, der Widerstand dagegen ist jedenfalls beachtlich.