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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Weg mit den Kindern, fordert die kinderlose Kolumnistin

Es gab Zeiten, da wurden Frauen schief angeguckt, wenn sie freiwillig auf Nachwuchs verzichteten. Unsere Gesellschaft hat diese überwunden. Kinder sollte man nicht aufgrund von gesellschaftlichem Druck bekommen, sondern weil man sie möchte. Alles andere sei keine gute Voraussetzung, heißt es. Welche Gesellschaft sich besser behauptete, werden künftige Historiker beurteilen müssen.

Doch heute gibt es auch das andere Extrem. Verena E. Brunschweiger, laut Eigenbeschreibung Autorin, Aktivistin, Feministin und natürlich kinderlos, plädiert in ihrer Kolumne im Schweizer Nachrichtenportal nau.ch dafür, Frauen mit 50 eine Prämie auszurichten, wenn sie auf Kinder verzichtet haben. Die Schallplatte, auf der sie dieses Lied singt, hat einige Kratzer, sie läuft seit mehreren Jahren. Schon 2019 stellte sie dieselbe Forderung.

Zunächst erklärt uns die Kolumnistin, warum es inzwischen problemlos möglich sei, auf weiteren Nachwuchs zu verzichten. Immer mehr Arbeiten seien automatisiert, Roboter erledigen viele Jobs, die Künstliche Intelligenz werde diesen Prozess noch beschleunigen. Wozu überhaupt noch jemand arbeiten soll, wenn die Menschheit mangels nächster Generationen ausstirbt, erklärt sie nicht.

Menschen als Schädlinge

Und nun zum „Wieso“. Da geht es zunächst natürlich um die Nachhaltigkeit. Menschen verbrauchen Ressourcen und belasten die Umwelt – je weniger davon es gibt, desto besser. Denn: Klimaschutz ist schön und gut, aber wenn die Weltbevölkerung weiter anwächst, hinken die Maßnahmen dem Problem stets hinterher, lautet die These. Der Mensch sei ein Schädling, und ohne ihn gedeihe die Erde besser – wozu auch immer.

Aber auch ganz profane Argumente sprechen für den Verzicht auf Nachwuchs, findet Brunschweiger: „Je dichter man seinem Nachbarn dauerhaft auf der Pelle zu sitzen gezwungen ist, desto mehr wächst die Wahrscheinlichkeit, ihn irgendwann als reines Hindernis zu betrachten.“

 

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So habe ich das noch gar nie betrachtet. Ich hatte zwar im Lauf meines Lebens schon den einen oder anderen Nachbarn, bei dem ich mir gewünscht habe, er wäre gar nicht erst zur Welt gekommen. Aber die Analyse ist natürlich völlig korrekt: Habe ich gar keine Nachbarn mehr, weil ich der letzte Mensch auf Erden bin, treten erst gar keine Konflikte mehr auf.

Keine Menschen – keine Kriege

Von Satz zu Satz wird die Forderung schlüssiger. Hier beispielsweise: „Niedrigere Geburtenraten bedeuten, dass es für autoritäre politische oder religiöse Führer schwieriger wird, Völker im Geburten- oder Ressourcenkrieg gegeneinander zu hetzen.“ Das ist korrekt. Hat ein Ayatollah kein Volk, wird es schwierig, dieses in den Krieg zu schicken. Wobei es vermutlich schwierig sein dürfte, die iranische Führung für eine Prämie für Kinderlosigkeit zu begeistern.

Sogar wissenschaftlich sind die Ausführungen der Kolumnistin belegt. Sie verweist auf einen Bericht, der nachweise, dass das Bevölkerungswachstum für alle großen Krisen unseres Jahrhunderts verantwortlich ist, die da sind: Ressourcenmangel, Massenartensterben, Erderwärmung, Krankheiten und einige mehr. Absender dieser Botschaft ist der australische Think Tank „Commission for the Human Future“, den natürlich jeder kennt und dessen Analysen jede vernünftige Regierung selbst auf der anderen Seite des Globus blind folgt.

Letztlich, erfährt der gebannte Leser, müsse „die Schonung der Erde belohnt werden“. Ebenso wie die „erfolgreiche Verhütung“. Denn ungeschützter Sex sei „keinerlei Leistung“. Auch da lässt sich schwer widersprechen. Wobei man darüber diskutieren könnte, ob Sex allgemein nach dem Leistungsprinzip beurteilt werden sollte. Aber darüber hinaus ist es gar keine Frage, dass der nächste Friedensnobelpreis posthum Julius Fromm verliehen werden sollte, der 1916 das „weltweit erste Kondom ohne störende Naht“ auf den Markt brachte.

Kommt nun die „Abtreibungsprämie“?

Es wird wohl allmählich sichtbar: Nur Sarkasmus hilft noch. Den individuellen Wunsch nach Kinderlosigkeit nicht nur zu respektieren, sondern mit Geld zu belohnen: Die Idee ist zu grotesk, um ernsthaft diskutiert zu werden. Man muss noch nicht einmal technische Faktoren wie die Finanzierbarkeit der Altersvorsorge ins Feld führen, um zum Schluss zu kommen, bezahlter Verzicht auf Nachwuchs sei kein grandioser Vorschlag.

Wer mit der Rettung der Natur argumentiert und die Natur dafür aushebeln möchte, dreht sich im Kreis. Der Wunsch nach Fortpflanzung gehört zu den natürlichen Trieben des Menschen und dient dessen Erhaltung. Nicht alle verspüren ihn. Aber das gehört weder bestraft noch belohnt. Wer bitte verzichtet auf Kinder, um der Welt etwas Gutes zu tun? Die Motive sind meist ganz andere. Darunter gibt es sicher auch ehrbare, aber keine, die nach einer Prämie rufen.

Erstaunlich, dass Verena E. Brunschweiger nicht konsequenterweise auch gleich eine Abtreibungsprämie fordert. Das Ergebnis wäre ein lückenloser Kreislauf: Staaten, die Abtreibungen vereinfachen und fördern und Bürger, die daraus ein Geschäftsmodell machen. Vielleicht würden damit auch Vehikel wie Bürgergeld und Sozialhilfe schon bald unnötig. Und ungeschützter Sex wäre – entgegen der Aussage der Kolumnistin – plötzlich eben doch eine Leistung, für die sogar Geld winkt, wenn man das Bestehen des Ergebnisses nur „rechtzeitig verhindert“.

Aber solche scherzhaften Anregungen sind heutzutage eine gefährliche Sache. Denn die Realität überholt die Satire immer wieder. 

 

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