Kolumne „Ein bisschen besser“

Wie meine Frau damit umgeht, wenn ich anders ticke

Zwischen Himmel und Erde gibt es noch anderes als richtige oder falsche Politik. An Tagen wie diesen hilft diese Erkenntnis weiter.

Von Judith Wagner & Oliver Stock

Vorschau — Blick auf einen Gleitschirmflieger: Das Töchterchen fragte, warum der Mann vom Himmel gefallen sei

© Judith Wagner Fotografie

Blick auf einen Gleitschirmflieger: Das Töchterchen fragte, warum der Mann vom Himmel gefallen sei

© Judith Wagner Fotografie

Meine Frau Judith und ich sind eine von diesen eher seltenen Paarkombinationen, wo sie mehr den Grünlinken zuneigt und ich nicht so. Frisch, fromm, fröhlich, frei würde ich von mir leise sagen, und Judith würde bei „frisch“ und „fromm“ ihre Zweifel anmelden, aber deswegen habe ich es ja auch nicht laut gesagt.

Was ich dagegen laut sagen will, ist, dass wir unterschiedlichen Lagern angehören, obwohl wir uns das Lager teilen, und damit eigentlich ein Vorbild sind für diese Republik.

Wenn die politische Einstellung stört

Ein Kollege von mir schrieb neulich, „viele progressiv eingestellte Frauen“ klagten darüber, dass sie keinen adäquaten Partner fänden. Er nannte das immer öfter zu beobachtende Phänomen „unfreiwilliger Zölibat aus politischer Frustration“, was ich lustig fand, und es Judith so vorlas, wie Männer Meinungen vorlesen, die ihnen gefallen, die sie aber sich selbst nicht trauen, auszusprechen. Meine Frau war leicht genervt. Ich fragte sie, ob meine politische Einstellung sie störe, und sie sagte frei heraus „ja“.

An dieser Stelle ist es ein bisschen besser, umgehend abzuschweifen. Mir fällt eine Szene ein, jüngst, als noch Ferien waren, am Strand: Ein Gleitschirmflieger streifte durch die Luft, senkte sich in immer enger werdenden Kurven zum Strand hinunter und landete federnd zwischen Handtüchern und Sonnenschirmen im Sand. Judith faszinierten die Farben des Schirms und der drahtige Typ an den Leinen. Ich hatte Respekt vor der Punktlandung. Und das Töchterchen fragte, warum der Mann vom Himmel gefallen sei. Die Hündin schaute nicht mal auf.

Ein Vorbild für diese Republik

So hatten wir alle vier eine andere Sicht auf das Gleiche und machten uns unseren Reim darauf: Judith schoss ein Foto. Ich zog den Bauch ein, um drahtiger auszusehen. Die Kleine weiß jetzt, dass Menschen nicht nur in den Himmel kommen, sondern manchmal auch wieder zurück.

Die weise Hündin schlief weiter, ihr Instinkt sagte ihr längst, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde als Menschen und Politiker, weswegen auch sie ein Vorbild ist für diese Republik.

› Kennen Sie schon unseren Corrigenda-Telegram- und WhatsApp-Kanal?

Judith Wagner, Jahrgang 1978, hat Kommunikationsdesign in Düsseldorf studiert und arbeitet seit 2005 als Fotografin in den Bereichen People, Corporate und Lifestyle. „Ich glaube: Das Normale ist schön. Das Authentische wirkt, aber es braucht die richtige Perspektive und das richtige Licht. Ich mache keinen Kitsch, aber Hässlichkeit interessiert mich nicht. Die braucht mich nicht“, sagt sie.

Oliver Stock, Jahrgang 1965, ist Herausgeber und Chefredakteur von Business Punk. Der studierte Volkswirt und Historiker sowie Autor mehrerer Bücher kennt die Welt der Politik, der Startups und Unternehmen: Als Journalist arbeitet Stock für Business Punk, Focus online, die Schweizer Weltwoche und den Börsianer aus Wien. Er hat viele Jahre seines Berufslebens „auf der anderen Seite des Schreibtischs“ verbracht: als Sprecher in der Politik und von Konzernen.

Das Paar lebt mit seinen Kindern in Düsseldorf und veröffentlicht Deutschlands einzige Familienkolumne.