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Kolumne „Ein bisschen besser“

Was wäre, wenn

Als ich jetzt das Töchterchen aus dem Kindergarten abgeholt habe, sagte sie: „Es wäre mir lieber, wenn Mama mich abholte.“ Ich war baff. Nicht vom Inhalt. Zweijährige sind nicht als Diplomatinnen geboren. Sondern von der Form: korrekter Konjunktiv. Und das in dem Alter!

Meine Frau Judith und ich zählen, soweit ich das sagen kann, nicht zu denen, die sonst glauben, ihre Nachkommen seien Überflieger. Wir kennen natürlich ein paar Eltern, die das so sehen. Solche, die Ärzte und Gutachter bemühen, wenn der Sprössling nicht automatisch eine Klasse wegen Hochleistung überspringt. Nein, so sind wir nicht. Wir haben schon die eine oder andere Delle mit der Kinderschar gemeinsam durchschwungen, und wenn das ziemlich sicher letzte Töchterchen meinetwegen die neunte Klasse zweimal machen sollte, gäbe es trotzdem ein Zeugnis-Essen beim Griechen.

Die unschönen Gebrauchsspuren des Konjunktivs

Womit wir wieder beim Konjunktiv wären. „Manchmal“, sage ich zu Judith, „wäre ich gern wieder erst zwei Wochen mit dir zusammen. Dann wäre ich so knallverliebt, dass die Waschmaschine kaputtgehen könnte und ich es nicht merkte.“ Die kaputte Waschmaschine könnte sich gerade zu einem großen Thema bei uns entwickeln, weil wir seit zehn Tagen überlegen, ob es günstiger sei, einen Monteur zu rufen oder eine neue zu kaufen. 

Allein vom Überlegen würde sie nicht heile, sagt Judith, und sie merke doch – verliebt hin oder her –, dass mir die Waschmaschine im Grunde völlig schnuppe sei, weil ich keine Entscheidung träfe. Ja, denke ich und behalte es für mich, so klängen sie, die unschönen Gebrauchsspuren des Konjunktivs.

Die wahren Möglichmacher

Es gebe ja Konjunktivhasser, erkläre ich jetzt, solche, die lautstark alles Könnte-Sollte-Hätte-Würde verachteten. „Sie wissen nicht, was ihnen entgeht“, fahre ich in meinem Vortrag fort. Sie seien Gegenwartsfetischisten, während Konjunktivliebhaber wie wir doch die wahren Möglichmacher seien. Wir wüssten, es sei ein bisschen besser, groß zu denken, denn kleiner werde alles irgendwann von allein. Judith schaut an mir hinab, und anderen würde vielleicht der Gedanke kommen, wir redeten über Sex, aber das machen auch wir nicht immer.

Wir sind eigentlich so wie alle Frauen und Männer, Väter, Mütter und Eltern. Vielleicht entwickle sich das Töchterchen doch zu einer Überfliegerin, sage ich jetzt stolz zu meiner Frau. Sie nickt und verspricht, nächstes Mal das Töchterchen vom Kindergarten abzuholen, wenn nichts dazwischenkomme.

 

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