Rambo-Zambo
An Karneval, da sind sich meine Frau Judith und ich einig, kannst du entweder „all in“ oder „all out“ gehen. Wir sind unserem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz dankbar, dass er diese kernige Poker-Regel wieder reaktiviert hat, ich finde sie klingt so nach Bourbon und Zigarette. „Rambo-Zambo“ hat er auch gesagt, als er seine Wahlergebnisse bekommen hatte, und alle zu ’nem echten Hack zusammenrufen wollte. Da war er nicht weit weg von der Bazooka, Achtziger eben.
Judith und ich jedenfalls finden es ein bisschen besser, in diesen Tagen „all out“ zu gehen. Wir lassen die Pappnase zu Hause und machen eine Reise. Wir stellen den Kompass auf Süd-Südost, tanken die schwere Karre voll, schnallen das Töchterchen an, Judith schmiert Stullen, und ich tune die Boxen auf Highway to Hell. Auch achtziger, aber immer noch gut. „Baby, lass uns ein Roadmovie drehen“, sage ich zu Judith und ihre Augen funkeln.
„Mir hatte ein technisches Hängerle“
In der Wirtschaft, wo wir die erste Nacht halten, kommt das Essen sehr nacheinander. „Mir hatte ein technisches Hängerle“, entschuldigt sich die schwäbische Wirtin. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der „All in“-Kanzlerkandidat, nachdem er mit seinem Koalitionspartner ein paar Verhandlungsnächte hinter sich hat, demnächst morgens mal einräumen muss: „Wir haben ein technisches Hängerle.“
> Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge
Bei der Bahn fände ich so ein Hängerle auch sympathischer als die ständige „Störung im Betriebsablauf“. „Die Szene haben wir im Kasten“, sagt Judith, als wir weiterfahren.
So möchte ich auch dahinscheiden
Die andere Szene spielt auf einem Bergfriedhof mit eisernen Kreuzen irgendwo in den Alpen vor der Abenddämmerung. Ich mag diese Orte, schlendere melancholisch von Grab zu Grab und erschrecke über alle die, die jünger als ich schon tot sind. Ein Herr Obergerichtsrat wird auf seinem Grabstein gewürdigt: „Von der Aufklärung zur Verklärung“ habe sich sein langes Leben gestaltet, steht dort, und ich rufe: „Judith, komm gucken.“
Als sie da ist, erkläre ich ihr, dass ich so auch dahinscheiden möchte. „Na dann dauert es noch“, sagt sie froh, „du bist ja noch nicht mal bei der Aufklärung.“ Wir haben dann die ganze Nacht Rambo-Zambo gemacht, Judith, das Töchterchen und ich. Und es gab keinerlei technische Hängerle.
Kommentare