Denken ohne göttlichen Funken
Diese Kolumne wurde von mir selbst verfasst. Ich hätte sie auch von ChatGPT schreiben lassen können. Wäre sie dann ganz anders, wäre sie besser? Es sind viele Fragen, die man sich aktuell im Zusammenhang mit der KI und ihrem Einfluss auf das menschliche Denken und die Kreativität stellt.
Die KI kann nicht von sich aus grundlegend neue Ideen hervorbringen, sondern nur die menschliche Kreativität durch Schnelligkeit und technische Durchführung unterstützen. Sie kann diese Kreativität aber auch hemmen, „vermathematisieren“ oder gar direkt bedrohen.
Nicht nur der Aufschwung der Chatbots macht uns deutlich, dass die KI sich immer stärker auf unser Leben auswirkt. Es ist uns nicht bewusst, wo bereits wir überall mit KI in Kontakt treten. Durch ihre Effizienz ist sie für uns unverzichtbar.
Dass diese rasante Entwicklung auch Sicherheitsrisiken mit sich bringt, die man im Voraus nicht einschätzen kann, wird zu wenig diskutiert. Doch, selbst Tech-Experten wie Elon Musk und Apple-Mitbegründer Steve Wozniak fordern mittlerweile ein Moratorium, um die Folgeschäden künstlicher Intelligenz abzuwägen.
Als Taxifahrer den Stadtplan auswendig kannten
Die künstliche Intelligenz stellt aber nicht nur Risiken im Bereich der Sicherheit dar, sondern auch dem der Macht über unser Denken. Die Algorithmen werden von sehr wenigen Akteuren bestimmt, und diese gewinnen absehbar Einfluss auf die Denkstrukturen weltweit. Das befürchten selbst „woke“ Intellektuelle, indem sie die Algorithmen auf „die weißen Männer in den USA“ zurückführen und eine Notwendigkeit formulieren, die KI zu „dekolonisieren“. Es gibt also Bedenken einer einseitigen Manipulation durch die Algorithmen. Der Verlust von Wissen, Fakten, Kulturen und Sprachen, die nicht in die KI integriert werden, wäre dabei eine reale Gefahr.
Nach Sicht des israelischen Autors Hariri werden der Mensch und die Maschine irgendwann verschmelzen und die Smartphones unser zweites „Hirn“ sein. Im Hinblick auf die Abhängigkeiten von der Technologie, die wir bereits heute haben, muss man diese Sicht für keine reine Dystopie halten.
Die Präsenz der künstlichen Intelligenz in unserem Leben drückt bereits eine einfache Alltagskreativität zurück. Ein Taxifahrer kannte früher den Stadtplan auswendig. Heute fährt ein Uber-Fahrer streng nach dem Navigationssystem. Nicht selten passiert es, dass er dadurch beim Fahren viel mehr Zeit braucht.
Papst Franz in weißer Street-fashion-Jacke
Sicher kann man einwenden, dass auch durch den Taschenrechner das Kopfrechnen zwar nachgelassen habe, man aber Zeit für komplexere Aufgaben gewann. So auch bei der KI: Sie solle repetitive Aufgaben übernehmen, damit der Mensch effizienter wird. Dass sich irgendwann aber das menschliche Denken den Vorgaben und Prämissen der KI anpassen und nur noch Fähigkeiten entwickeln würde, die der Logik der Maschine entsprechen, ist dabei die Gefahr. Schüler schreiben ihre Aufsätze längst mit Hilfe von ChatGPT. Wo man früher ein paar Stunden für ein solides Referat in Ethik oder Religion brauchte, kann ein Schüler heute aus Zeitgründen oder Bequemlichkeit dieses schreiben lassen und leicht anpassen.
Wir hören derzeit viel über die „KI-Kunst“. Das hippe Bild von Papst Franziskus in einer voluminösen weißen Street-Fashion-Jacke, das in den vergangenen Wochen viral ging, war auf eine solche zurückzuführen – und immerhin eine kreative Idee. Viele hielten es zunächst für echt. Der KI-Bildgenerator Midjourney, der dieses kreierte, hat daraufhin die kostenfreie Version eingestellt.
Aber abseits von solchen „Späßchen“ soll die KI-Kunst auch große Kunst können. Sie kann anhand von 346 Rembrandt zugeschriebenen Gemälden einen neuen „Rembrandt“ anfertigen oder ein ganz neues fiktives Portrait kreieren. Ein solches – das Bild von „Edmond de Belamy“ – wurde vom Aktionshaus Christie’s für umgerechnet 380.00 Euro versteigert. Doch kann man es überhaupt Kunst nennen?
KI kann nie schöpferisch sein
Die KI-Bilder bleiben immer ein Ergebnis vom Rechnen und nie von einer echten künstlerischen Expression, die mit Gedanken, Erfahrungen und Emotionen zu tun hat. Die KI kann auch ein Gedicht schreiben, aber Poesie wird es nie sein. Diese hat nämlich mit Fragen und Suchen und nicht mit Logik und Kausalitäten zu tun.
Die künstliche Intelligenz ist daher nicht im Stande, den „göttlichen Funken“ im Menschen zu ersetzen. Es kann aber sein, dass die steigende Präsenz des Digitalen uns immer mehr in ein „More Geometrico“ hineinzieht, anstatt zur Individualität und Brillanz.
Die künstliche Intelligenz kann ein nützliches Werkzeug sein, das unsere Kreativität katalysiert. Sie kann aber nicht schöpferisch sein. Sie steht für eine Welt, wo „der göttliche Funke“ immer weniger funkt. Eine Alternativstrategie wäre, lieber auf die echte menschliche Kreativität zu setzen und diese mehr zu fördern.
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