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Demokratiekrise

Wir haben keine echte Demokratie mehr, sondern eine Parteienherrschaft

In einem totalitären System sind die Bürger der Willkür des Staates und der Staatsgewalt unterworfen, ihre Rechte existieren nur auf dem Papier. In China, dem Ursprungsland der Covid-Pandemie, konnte man beobachten, wie heute unter dem Vorwand der „Volksgesundheit“ (einem Begriff aus der NS-Zeit) in einem totalitären Staat mit Kritikern umgegangen wird: Jene Labormitarbeiter, die öffentlich machten, dass es eine Laborpanne gegeben habe, verschwanden plötzlich und tauchten nie wieder auf.

Jeder, der zu Beginn von einem gefährlichen Virus sprach und die Verharmlosung der Regierung kritisierte, wurde verhaftet oder verschwand. Dann kippte die Regierung ins andere Extrem, versuchte eine „Null-Covid-Strategie“ und verhängte jahrelang Ausreisesperren, monatelange rigide Lockdowns. Menschen wurden isoliert, drangsaliert, viele nahmen sich das Leben oder verhungerten in ihren Wohnungen. Ein Alptraum.

Eine funktionierende Demokratie hingegen ruht nach dem Prinzip der Gewaltenteilung auf mehreren Säulen: auf der Gesetzgebung und der politischen Entscheidungsfindung im Parlament als Legislative, der Justiz als Gerichtsbarkeit in der Judikative und den Vollzugsorganen, der Exekutive. Als „vierte Gewalt“ werden gemeinhin die Medien angesehen, sie dienen der Kontrolle der Macht.

Doch diese Balance, dieses „Checks and Balances“, ist offenkundig aus dem Gleichgewicht geraten. Sichtbar wird dies an zwei unübersehbaren Tendenzen: der Entwicklung der Demokratie zur „Demokratur“ und von der Meinungsfreiheit zur Zensur.

Der Rückbau hat bereits vor vielen Jahren eingesetzt

In einer Demokratie ist das Volk der eigentliche Souverän, daher steht am Beginn vieler Verfassungen, dass das Recht vom Volk ausgeht. Doch der Wille des Volkes wird zunehmend unterdrückt, seine Grundrechte werden eingeschränkt, die totalitären Tendenzen immer offenkundiger.

Es bleibt aber nicht bei der Ausschaltung des Souveräns, des Volkswillens. In einem weiteren Schritt werden die gewählten Volksvertreter, die Parlamente, umgangen, indem sich die Regierungen weitreichende Befugnisse sichern, ohne das Parlament zu befassen. Doch auch dabei bleibt es nicht, sondern in einem letzten Schritt werden dann die souveränen Nationalstaaten und deren Regierungen entmachtet: Internationale Organisationen als eine Art „Weltregierung“ setzen sich unter einem Vorwand über die gewählten Regierungen, Parlamente und die Verfassungen der Nationalstaaten hinweg.

Und dies mit Zustimmung eben jener Regierungen, die somit entmachtet werden. Genau dies ist der eigentliche Kern des „Pandemievertrages“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und diverser Vorstöße der EU-Kommission.

Der Rückbau von Demokratie und Rechtstaatlichkeit hat bereits vor vielen Jahren eingesetzt. In einer Demokratie geht die Macht im Staat, wie erwähnt, vom Volk aus. Dies geschieht durch Volksentscheide, das sind Wahlen oder Volksabstimmungen, in denen direkt oder indirekt über politische Angelegenheiten entschieden wird. Die Volksvertreter sind dazu da, im Interesse und zum Wohl des Volkes zu agieren. Die Regierungen sind Vollzugsorgane, sie gehören zur Exekutive. Das bedeutet, das Parlament macht die Gesetze, die die Regierung mithilfe des Beamtenapparates umzusetzen hat. Dies alles ist in den Verfassungen demokratischer Staaten grundgelegt und sollte daher auch in der Realität so um- gesetzt werden. Sollte.

Abgeordnete sind nur auf dem Papier frei

Betrachtet man die Realpolitik in den meisten demokratischen Staaten, auch in Westeuropa, funktioniert die Sache mittlerweile gänzlich anders. Es sind die Regierungen, nicht das Parlament, die in der Realität die Gesetze machen. Unterstützt werden sie von den Beamten ihrer Ministerien, die die Gesetze ausarbeiten. Die Regierungsparteien machen also dem Parlament einen Vorschlag, der üblicherweise angenommen wird, da die Regierung dort meist die Mehrheit der Sitze hat.

Auf dem Papier sind die Abgeordneten zwar frei in ihrer Entscheidung, können also auch gegen die Regierung stimmen, doch tun sie das in der Realität sehr selten. Wir sehen hier also bereits den Ansatz einer Auflösung und Vermischung der Gewaltenteilung: Die eigentliche Exekutive wird de facto zur Legislative, da die Abstimmungen im Parlament nur eine Formsache sind. Die Debatten dienen dazu, den Schein eines Parlamentarismus zu wahren.

Gudula Walterskirchen: „Systemversagen“

Dazu kommt, dass der Großteil der Abgeordneten mittlerweile aus dem Bereich der Parteien, Verbände und der Beamtenschaft stammt. Somit sind sie auch in ihrem Brotberuf – so sie einen solchen überhaupt ausüben – von ihren Parteien oder der Politik abhängig. Das freie Mandat ist somit eine Fiktion.

Wir haben also, was das politische Personal und die Gesetzgebung betrifft, keine echte Demokratie mehr, sondern eine Partitokratie, also eine Parteienherrschaft. Die Wähler haben zwar zu den Wahlterminen die Möglichkeit, einer Partei ihre Stimme zu geben, ansonsten haben sie kaum Einfluss auf das Geschehen und die sie vertretenden Personen. Nicht nur der Wähler wird ignoriert, was das politische Personal betrifft, sondern mitunter auch der Wille der Parteimitglieder.

„Unser neuer, (nicht gewählter) Premierminister“

Ein Beispiel dafür sind die Vorgänge in Großbritannien, einem Land, das sich immer sehr viel zugute hielt auf sein starkes Persönlichkeitswahlrecht. Seit Oktober 2022 hat das Land mit Rishi Sunak den zweiten Premierminister in Folge, der niemals zur Wahl stand und den seine eigene Partei, als es wenige Wochen zuvor um die Nachfolge von Boris Johnson ging, abgelehnt hatte.

Der auflagenstarke Daily Mirror titelte spöttisch: „Unser neuer, (nicht gewählter) Premierminister“ und fragt: „Wer hat Sie gewählt?“ Eine andere Zeitung, der schottische Daily Record, titelte gar: „Tod der Demokratie“.

Nun ist es an sich nicht ungewöhnlich, dass nach dem Rücktritt eines Premierministers inmitten der Legislaturperiode ein Minister seines Kabinetts das Amt übernimmt. Sehr ungewöhnlich ist jedoch, dass dieser ohne Wahlen und ohne jemals kandidiert oder von einer Partei nominiert worden zu sein, einzig vom Präsidenten bestellt wird. Dies war in Italien der Fall, als der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi von Präsident Sergio Mattarella zum Ministerpräsidenten ernannt wurde – ohne vorherige Wahl oder die Nominierung durch eine Partei. Draghi trat als Manager an, der das Land aus der Wirtschaftskrise führen sollte. Er entwickelte jedoch bald autoritäre Züge: So etwa rief er 2020 den Notstand aus, was ihm weitgehende Vollmachten verschaffte, und verlängerte diesen immer wieder, auch über die verfassungsmäßig zulässige Zeitspanne hinaus.

Das Beispiel Italien hat gezeigt, wie rasch es möglich ist, demokratische Systeme auszuhebeln und einen kalten Putsch von oben durchzuführen. Es ist ganz einfach: Die Menschen müssen nur genug Angst haben. Ein anderes Beispiel ist Österreich, das 2022 im Demokratiereport der Universität Göteborg von einer freien und liberalen Demokratie auf eine „Wahldemokratie“ herabgestuft wurde gleich wie Ghana, Trinidad und Tobago.

Offenbar völlig zu Recht. Während der Pandemie ging die Regierung zunehmend dazu über, per Verordnungen, also ohne parlamentarische Debatte oder Beschlüsse, weitreichende Zwangsmaßnahmen umzusetzen: Hausarreste für die gesamte oder Teile der Bevölkerung, Zutrittsbeschränkungen und andere Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte.

Bundesheer im Einsatz gegen das Volk?

Etliche Verordnungen wurden danach vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig aufgehoben. Aus diesen Erfahrungen lernte die konservativ-grüne Regierung. Sie erarbeitete 2022 ein „Krisensicherheitsgesetz“, das angeblich der besseren und schnelleren Koordination und Reaktion im Krisenfall dienen sollte. Doch verbarg sind dahinter eine viel weitreichendere Agenda: Hinter dem sperrigen Titel steckte ein massiver Anschlag auf die Demokratie.

Das Gesetz sah vor, dass die Regierung im Krisenfall Zwangsmaßnahmen, etwa Grundrechtseinschränkungen wie Lockdowns, per bloßer Verordnung durchsetzen kann. Das Parlament oder der Verfassungsgerichtshof hätten keine Möglichkeit mehr, korrigierend einzugreifen. Was eine „Krise“ ist, legt die Regierung selbst fest. Im Wortlaut hieß es im Text des Entwurfs: „Die Bundesregierung ist ermächtigt (…) das Vorliegen einer Krise festzustellen.“

Als Beispiele für Krisen wurden genannt: eine Gefahr für die Gesundheit, die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die Umwelt oder das wirtschaftliche Wohl. Bei diesen schwammigen Formulierungen gäbe es dann Krise in Permanenz. Um einem Volksaufstand vorzubeugen oder diesen niederzuhalten, hatte der Gesetzesentwurf ebenfalls eine Lösung, für die sogar die Verfassung geändert werden sollte: Österreich ist ein neutrales Land, das österreichische Bundesheer dient laut Verfassung ausschließlich der Landesverteidigung und der Hilfe im Katastrophenfall, also bei Lawinenabgängen, Hochwasser und dergleichen.

Das sollte sich ändern, das Heer sollte allgemein „in Krisen“ im Inland und sogar vorsorglich eingesetzt werden. Als „Krise“ würde dann auch die Gefährdung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung gelten.

Bisher war dies alleinige Aufgabe der Polizei. Dies würde bedeuten, dass das Heer dann auch gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden dürfte – nach freiem Ermessen der Regierung. Im Jahr 2022 übte das Bundesheer gemeinsam mit Milizverbänden bereits den Einsatz gegen Demonstranten. Nun ist es sicher gut und richtig, auf akute Krisenfälle gut vorbereitet zu sein.

Doch die zentrale Frage ist: Wozu brauchte es dieses Attentat auf Demokratie und Grundrechte überhaupt? Krisenpläne kann man ja auch erstellen, ohne die Demokratie und die Gewaltenteilung aufzugeben?

Eine offene Wunde in Österreichs Geschichte

Österreich hat diesbezüglich eine sensible Geschichte: Im Jahr 1933 hebelte der christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß die Demokratie aus. Dazu nützte er das „Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz“ von 1917. Anlass war, dass in der damaligen dramatischen Wirtschaftskrise die Opposition die Zustimmung zu einem dringend benötigten Kredit des Völkerbundes verweigerte. Das Gesetz erlaubte es der Regierung, im Krisenfall ohne Parlament mit bloßen Verordnungen zu regieren. Es war der Beginn der Kanzlerdiktatur, einer Phase der österreichischen Geschichte, die noch heute die Gemüter erregt – speziell jene der Sozialdemokraten.

Dazu kommt, dass im Jahr 1934 dann das Bundesheer ausrücken musste, um den gewaltsamen Aufstand der Sozialdemokraten niederzuschlagen. Eine offene Wunde bis heute. Seit damals war es ein Tabu, dass das Heer jemals wieder gegen Zivilisten vorgehen dürfe.

Das „Krisensicherheitsgesetz“ war somit ein Vorstoß, sowohl die Legislative als auch die Judikative auszuschalten, und dies nach freiem Ermessen der Regierung. Die Exekutive hätte dann die alleinige Macht. Dies bedeutete nichts anderes als das Ende demokratischer Verhältnisse und die Etablierung eines autoritären Systems.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch „Systemversagen“, das im März 2023 im Seifert-Verlag erschienen ist und den wir mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag veröffentlichen.

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Kommentare

Kommentar
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Klaus Joachim Holz
Vor 1 Jahr 6 Monate

Guter Artikel mit einer Sicht, die ich schon lange habe. Der ehemalige amerikanische Journalist Don Jordan (o.ä.) hat einmal gesagt, er kenne keinen Staat, wo die Parteien eine solch dominierende Rolle spielten wie in Deutschland. Im übrigen wird der "Souverän" gerade abgeschafft. Ein deutsches "Volk" soll es nicht mehr geben, nur noch deutsche "Staatsbürger".

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Klaus Joachim Holz
Vor 1 Jahr 6 Monate

Guter Artikel mit einer Sicht, die ich schon lange habe. Der ehemalige amerikanische Journalist Don Jordan (o.ä.) hat einmal gesagt, er kenne keinen Staat, wo die Parteien eine solch dominierende Rolle spielten wie in Deutschland. Im übrigen wird der "Souverän" gerade abgeschafft. Ein deutsches "Volk" soll es nicht mehr geben, nur noch deutsche "Staatsbürger".