Warum die Gen Z so wählt
Es mangelt nicht an Erklärungsversuchen zum Wahlverhalten der Generation Z. Aber außer (Jung-)wählerbeschimpfung und der Beeinflussung durch TikTok fällt wenigen etwas ein. Der WDR klingt mehr als nur hilflos bei der missglückten Analyse: „Verunsicherung und Unzufriedenheit spielten populistischen Parteien in die Hände.“
In Wahrheit liegt das Wahlergebnis an einem Generationenkonflikt, der in seiner Tragweite in Deutschland noch kaum erfasst wurde. Die Gen Z, also die jungen Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind und mit dem Smartphone in der Hosentasche aufgewachsen sind, hat keinen Grund mehr, nach den alten Paradigmen der Generationen vor ihr Politik zu beobachten und Politik zu machen. Denn, und das ist die grundlegende Erfahrung: Früher war mehr Lametta. Deutlich mehr. Jegliche politische und kulturelle Entwicklung der letzten Jahrzehnte war vor allem für die Jungen nachteilig und wirkt sich besonders auf die unter 25-jährigen von heute aus.
In eine unsichere Zukunft geworfen
Die Gen Z hat nichts bekommen, sondern sieht sich in eine unsicher scheinende Zukunft geworfen. Und das gleich im mehrfachen Sinne. Am offensichtlichsten ist das vielleicht noch beim Rentensystem, das in eine komplette Farce ausartet. Jeder weiß, dass das System nicht funktioniert, das schon jetzt über 100 Milliarden an zusätzlichen Steuergeldern benötigt. Laut IW Köln kamen 2020 „auf 100 Beitragszahler 57 Rentner; im Jahr 2030 dürften es 67 sein, im Jahr 2050 etwa 77“. Und das bei günstiger demografischer Entwicklung, nach der es tatsächlich aber gar nicht aussieht.
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Die Massenmigration entspannt die Lage nicht, sondern frisst nur Ressourcen und Sicherheit. Wer in Zeiträumen von dreißig, vierzig Jahren denkt, kommt oft allein aus wirtschaftlichen Gründen auf den Gedanken, dass Abschiebungen im großen Stil Teil der Lösung sein müssen. Messerstechereien im Nahverkehr, auf dem Schulhof und an öffentlichen Orten treffen überproportional die junge Generation. Und die Erfahrung zeigt, dass weniger Menschen eine Familie gründen, wenn die Gesellschaft immer fremder wirkt.
Das Paradigma der Boomer hat ausgedient
Zoomer haben deswegen nichts zu verlieren, weil schon alles weg ist, was die Generationen vorher trug. Es wirkt, als sei die Grundlage für den alten Wohlstand, für Frieden und Sicherheit dahin – was früheren Generationen selbstverständlich war, ist weg.
Selbst das Klimaschutznarrativ passt dazu. Frühere Generationen haben sich in ihrer Gier weder um Familie, Schönheit noch um die Umwelt gekümmert. Das ist so offensichtlich wie banal. Dass die meisten Klimaaktivisten sich seltsamerweise monokausal auf das Thema CO2 stürzen und dabei meistens totalitäre Fantasien entwickeln, tut dem grundsätzlich wichtigen Umweltschutz ja keinen Abbruch. Denn die Fundamentalkritik bleibt auch hier: Das Paradigma der Boomer, nur Wille und individuelle Begierde seien die Bezugspunkte von Politik, Wirtschaft und Kultur, hat ausgedient.
Für die AfD ist ihr Ergebnis bei den Jungwählern eigentlich eher eine Enttäuschung. Da wäre mehr drin gewesen. Noch im April gaben laut der Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“ über 20 Prozent der 14- bis 29-Jährigen an, die AfD wählen zu wollen. Die Grünen haben hingegen zwei Drittel ihrer Jungwähler seit 2019 verloren. Den jungen Menschen ist das Hemd anscheinend näher als die Hose: Nicht zu Unrecht scheinen sich Jugendliche in Pforzheim, Nürnberg, Halle oder Berlin mehr vor Messern auf dem Schulhof als vor einem steigenden Meeresspiegel zu fürchten.
Familie gründen, etwas wagen, seine Identität finden und Tugenden üben
Wir Zoomer haben aber noch eine Chance, und darauf deutet unübersehbar der Trend des Wahlverhaltens meiner Generation: Wir können das, was die letzten drei Generationen vergessen, versteckt oder gezielt zerstört haben, wiederfinden und aufbauen. Familie, Nation und Tradition. Verwegenheit, Identität und Tugend. Das sind die Werte, mit denen Zukunft geht, das ist das überzeitlich Gültige, womit ein Staat zu machen ist. Eine gute Radikalität ist dabei vonnöten.
Denn ein bisschen haben die Boomer auch recht: Manchmal müssen wir anpacken, statt zu jammern. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
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