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EU-Parlamentswahl

Erfolg für AfD und FPÖ: Hier sprechen die jungen Wähler

Hört man sich in der AfD um, wie die Partei ihren Erfolg bei den ganz jungen Wählern der vor vergangenes Wochenende geschlagenen EU-Parlamentswahl erklärt, erhält man eine Vielzahl von Antworten. Aber die Frage nach dem Warum ist durchaus relevant. Denn entgegen der bisher weit verbreiteten Annahme, wonach junge Wähler – und bei der Europawahl durften erstmals auch 16-Jährige abstimmen – je jünger sie sind, desto mehr linksprogressiver wählen, war es diesmal anders.

Tatsächlich haben AfD und FPÖ bei den unter 25-Jährigen mehr als je zuvor punkten können. Für die AfD stimmten am vergangenen Sonntag 16 Prozent der 16- bis 24-Jährigen. Vor fünf Jahren waren es gerade einmal fünf Prozent der 18- bis 24-Jährigen gewesen. In der AfD erklärt man sich diesen Zuwachs vor allem anhand von vier Punkten: 

  • Rebellion und kontra sein: Es ist cool, gegen den linken Mainstream, gegen die Lehrer, die Eltern usw. zu wählen.
  • Negative Erfahrungen mit Einwanderern: Multikulti als Heile-Welt-Vision zerschellt an der Betonwand der Realität.
  • Die AfD etabliert sich: Für unter 25-Jährige gehört die AfD „schon immer“ zum Parteiensystem dazu, sie ist eine zur Wahl stehende Partei wie jede andere auch.
  • Anderes Medienverhalten: Junge Menschen informieren sich anders, sind weniger empfänglich für die Meinungsmache klassischer Medien.

FPÖ: Erfolg ohne Strategie

Hinzu kommt: Die AfD wirbt intensiv für sich in sozialen Medien. Ihr Spitzenkandidat Maximilian Krah, aber auch andere AfD-Politiker bespielen im Gegensatz zu Funktionären der etablierten Parteien beispielsweise TikTok mit einigem Erfolg.

Die FPÖ geht weniger gezielt vor. Sie ist seit Jahren schon eine etablierte Kraft vor allem in neuen Medien. Ein Parteisprecher sagt auf Corrigenda-Anfrage kurz und bündig: „Wir haben keinen speziellen Jugendwahlkampf betrieben. Wir generieren jedoch viele Stimmen und Sympathie über die sozialen Medien.“

Bei den Wählern unter 30 liegen in Österreich die Christdemokraten (ÖVP) und die Sozialdemokraten (SPÖ) mit jeweils 20 Prozent gleichauf. Knapp dahinter mit 19 Prozent folgt die FPÖ. Der große Verlierer der EU-Wahl in der Alpenrepublik sind die Grünen. Gaben bei der vergangenen EU-Wahl im Jahr 2019 noch 28 Prozent der unter 30-Jährigen ihre Stimme den Grünen, waren es 2024 nur mehr zwölf Prozent. Der eigentliche Gewinner ist die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ). Diese konnte zehn Prozent der jungen Wähler für sich gewinnen. 2019 wurde sie lediglich von einem Prozent der Jungen gewählt.

Entscheidende Themen: Massenmigration, christliche Werte, Genderideologie

Was aber sagen junge Wähler der rechten Parteien über ihre Motive? Corrigenda hat mit fünf jungen Erwachsenen unter 25 Jahren gesprochen. Aufgrund zu erwartender sozialer und wirtschaftlicher Repressionen und negativer Folgen sprechen sie anonym, der Redaktion sind tatsächliche Namen, Alter und Wohnort der Befragten bekannt. Vielfach decken sich die Wahlmotive der unabhängig voneinander befragten jungen Leute.

Emilia – wir nennen sie hier so – hat zum ersten Mal AfD gewählt. Das entscheidende Thema war für die 24-jährige Katholikin das Thema Abtreibung. Bei der EU-Wahl 2019 gab sie der Kleinpartei „Bündnis C – Christen für Deutschland“ ihre Stimme. Doch Kleinparteien zu wählen, hält die Studentin der Geschichte und Kunstgeschichte mittlerweile für eine verschwendete Stimme. „Das nächste Naheliegendste ist die AfD, denn die CDU will zwar die aktuelle Abtreibungsregelung beibehalten, weshalb man sie wählen könnte, aber wir haben ja gesehen, was die CDU in der Vergangenheit in diesem Land angerichtet hat“, erklärt sie.

Freudige Gesichter bei Tino Chrupalla und Alice Weidel nach der EU-Wahl. 16 Prozent der unter 25-Jährigen stimmten vergangenen Sonntag für die AfD

Bei der vergangenen Bundestagswahl hatte Emilia noch CDU gewählt, aber nur, um eine grün-rote Regierung zu verhindern. In ihrer Familie sei die Studentin die Einzige, die AfD gewählt habe.

„Die AfD ist von allen schlechten Parteien die beste Wahl“

Weitere ausschlaggebende Punkte für ihre Wahlentscheidung waren Migration und Sicherheit. Sie denkt, dass Immigranten mit Werten konfrontiert werden müssten, damit sie sich hier integrieren könnten. Wenn sie dies nicht tun wollten, sollten sie abgeschoben werden. Das traut die Studentin am ehesten der AfD zu. Die Jugend heute suche Werte und Sinn, meint sie. „Und was findet sie heutzutage? Den Islam. Man versteht in diesem Land den Islam noch nicht ausreichend als Gefahr.“

„Ich stehe nicht hinter jeder einzelnen Aussage von Parteimitgliedern“, rechtfertigt sie sich. Wie jede junge Partei sei die AfD auch gerade dabei, einen Reinigungsprozess zu durchlaufen. „Wenn man zu einer seriöseren Partei heranwächst, werden die unseriösen Leute rausgeschmissen“, ist Emilia überzeugt. Ihr sei auch bewusst, dass das Christentum „nicht sonderlich in der AfD verankert“ sei. Aber: „Die AfD ist von allen schlechten Parteien die beste Wahl.“

 

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Eines möchte Emilia auch loswerden: ihren Ärger über die Medien, ganz besonders über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser sollte abgeschafft werden, findet sie und denkt, dass das die AfD angehen würde. „Die Medien verkaufen einen für dumm, weil sie ständig die Herkunft von Tätern verdecken“, argumentiert sie. Deshalb habe sie „irgendwann aufgehört, aktiv die Medien zu verfolgen“.

„Das Spiel möchte ich nicht mehr mitspielen“

Der 24 Jahre alte Michael nennt zwei Gründe, warum seine Stimme die AfD erhielt: „Die Partei hat die besseren Zukunftskonzepte für die drei großen Themen der Zukunft: Gesellschaft/Familie, Migration und Wirtschaft.“ Die Partei stehe für Familie, Lebensschutz, aber positioniere sich deutlich gegen die Transgenderideologie.

Bei der Migration könne sie Schlimmeres verhindern und die Identität Europas wahren. Bei der Wirtschaftspolitik sei die AfD-Linie zwar noch etwas uneindeutig, doch die Partei habe „das Problem der überbordenden Sozialleistungen, der demografischen Ungerechtigkeit des Pensionssystems und der einschnürenden Bürokratisierung sowie Zentralisierung“ erkannt.

Der zweite zentrale Punkt für die Wahlentscheidung des Bayern, der zuvor auch schon für die Union gestimmt hat: 

„Das politische Establishment, die Intelligenzija und der öffentlich-rechtliche Rundfunk halten die eigens aufgestellten demokratischen Spielregeln für den politischen Diskurs nicht ein. Selbst selbstverständliche Dinge werden der AfD verwehrt. Dieser Verstoß gegen die für sakrosankt erklärten politischen Spielregeln ist ein unverzeihlicher Bruch – aus rein ideologischen und politischen Gründen. Das Spiel möchte ich nicht mehr mitspielen.“

Die Corona-Politik der alteingesessenen Parteien hätte ebenso dazu beigetragen, dass er sich für die AfD interessiere. In Sachen Migration weiß der 24-Jährige zu berichten: 

„Wie jeder in meiner Generation erlebe ich, wie eine bestimmte demografische Gruppe vor allem aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum für dauerhafte soziale Probleme im öffentlichen Raum sorgt: Sei es die gezielte Provokation durch Jugendliche in der U-Bahn, die Bedrohung der eigenen Schwester und Familie durch Ausländer, der aggressive politische Islam, der Jugendliche mit dem Messer, rücksichtslose Männer oder der komplette Unwillen bestimmter Gruppen, sich auch nur ansatzweise zu integrieren.“

„Wir müssen die Massenmigration verhindern“

Der 2005 geborene Andreas hat am Sonntag zum ersten Mal an einer bundesweiten Wahl teilgenommen – und für die FPÖ gestimmt. „Die Entscheidung für die FPÖ fiel einen Tag vor der Wahl, da ich zwischen NEOS und FPÖ geschwankt bin.“ Die NEOS sind das FDP-Pendant in Österreich. Der Burgenländer erzählt: „Für die FPÖ habe ich mich aufgrund ihrer gesellschaftskonservativen Werte wie zum Beispiel ihrer Meinung zu Abtreibung, zur Ehe und zur LGBTQIA+-Ideologie entschieden. Auch Migration war ein großes Thema. Die Anbiederung an Russland und der Populismus hätten mich aber fast die NEOS wählen lassen.“

Auch er habe mit Migranten schon schlechte Erfahrungen gemacht, dies habe seine Wahlentscheidung aber nicht maßgeblich beeinflusst. Jedoch sieht er in der demografischen Verschiebung einen Trend, der aufgehalten werden müsse, und da sei die FPÖ am klarsten positioniert. „Wir müssen die Massenmigration verhindern und die degenerierte hedonistische Gesellschaft auf allen Ebenen angreifen.“

Die sozialen Medien spielen eine Rolle

Bei Mateos Wahlentscheidung hat TikTok eine wichtige Rolle gespielt. Der Wiener mit serbisch-rumänischen Wurzeln folgt auf der App keinen Politikern oder parteinahen Influencern. Aber dem 20-Jährigen, der gerade sein Abitur bestanden hat, werden durch den Algorithmus sehr viele Kurzvideos von sowohl FPÖ-Gegnern als auch FPÖ-Befürwortern angezeigt. „In den sozialen Medien gibt es viele Ausländer, die für die FPÖ sind. Auf TikTok sagen sie zu anderen Ausländern: ‘So könnt ihr euch nicht benehmen. Wir sind in dieses Land gekommen, wir haben Regeln hier, wir dürfen hier leben, arbeiten. Es ist ein Minimum an Respekt, dass man versucht, sich gut zu integrieren’“, berichtet Mateo.

FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky: Seine Partei ist seit Jahren eine feste Größe in sozialen Medien

Er erzählt von den Meinungskämpfen zwischen Linken und Rechten, die auf der App stattfinden. Die Fans der als rechtspopulistisch eingeordneten Partei würden Beiträge oft mit einem blauen Herz und dem Spruch „Sei schlau, wähle blau“ kommentieren.

Viele TikTok-User haben dazu aufgerufen, wählen zu gehen. Einige haben davor gewarnt, dass bei den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien oft bewusst Inhalte weggelassen würden.

In einem TikTok-Video wurden Zitate von verschiedenen FPÖ-Politikern vorgelesen, die einen NS-Zusammenhang aufweisen. „Da gab’s dann einen Stitch (ein Reaktionsvideo, Anm. der Red.) dazu, in dem gesagt wurde, dass nicht alle von der FPÖ so sind, es aber trotzdem einige rechtsextreme Politiker in der FPÖ gibt.“ Das hat Mateo verunsichert. Er dachte sich dann aber: „Man muss nicht mit allem zu 100 Prozent übereinstimmen, was die Partei sagt oder tut.“

Auf den sozialen Medien bekäme man oft mit, dass das Einwanderungsproblem immer größer werde, die Kriminalität zunehme und sich Menschen vermehrt unsicher fühlten. Das war der ausschlaggebende Grund, warum Mateo jetzt bei der EU-Wahl das erste Mal bei Wahlen der FPÖ seine Stimme gab.

„Ich bestätige voll das FPÖ-Klischee“

„Ich bestätige voll das FPÖ-Klischee“, sagt Sofie und lacht. Die 25-Jährige ist nämlich bereits Mutter von zwei Kindern, hat eine Lehre im Einzelhandel absolviert und dann das Abitur nachgemacht. Bisher hat sie immer die österreichischen Christdemokraten (ÖVP) gewählt, genau wie ihre Eltern.

„Als ich jünger war, hab’ ich gedacht, dass ich mich spitze auskenne, wenn ich mir zwei Elefantenrunden anschaue. Und dann habe ich voll überzeugt die ÖVP gewählt“, erzählt sie. Doch diesmal sei sie zu dem Entschluss gekommen: Wenn gewisse Probleme verharmlost oder beschönigt werden, werde das zu noch mehr Problemen in der Zukunft führen.

Die kritischen Themen sind für Sofie Abtreibung, die Transgenderideologie und Migration. „Da schienen mir die FPÖ die Einzigen zu sein, die wirklich diese Themen ansprechen und sagen, es gibt Richtig und Falsch und die diese Härte haben“, erklärt die junge Frau. In der Politik bräuchte man Menschen, die die Härte besitzen, Dinge beim Namen zu nennen und durchzugreifen. Sie habe die FPÖ aber „mit Bauchweh“ gewählt. Aber nicht zur Wahl zu gehen oder ungültig zu wählen, sei für sie „keine Option“ gewesen.

Parteiensystem könnte in Zukunft auf den Kopf gestellt werden

Dass rechte Parteien zusehends auch österreichweit junge Wähler für sich gewinnen, ist für sie zweifellos ein Erfolg. Allerdings wird dieser getrübt durch die demografische Zusammensetzung das Wahlvolkes, wie ein Blick auf die Statistik des deutschen Bundeswahlleiters zeigt. Denn der Anteil der 16- bis 29-Jährigen beläuft sich gerade noch auf 14,6 Prozent. Der Anteil der über 65-Jährigen ist mit 28,7 Prozent doppelt so hoch. Und letztere haben überdurchschnittlich oft Union und SPD gewählt.

Die geburtenstarken Jahrgänge in Deutschland sind inzwischen 60 bis 70 Jahre alt. Das bedeutet: Binnen der nächsten zwei bis drei Jahrzehnte wird der Großteil von ihnen verstorben sein. Dann steigt der Anteil der jüngeren Wähler im Verhältnis deutlich an. Das Parteiensystem könnte dann vollends auf den Kopf gestellt werden.

 

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Kommentar
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Andreas Graf
Vor 2 Monate 3 Wochen

Das Resümee am Schluss ist für die hippen Jungwähler der AfD leider nur ein schwacher Trost. Bis die graumelierten Herren der "Altparteien" das Zeitliche gesegnet haben ist Deutschland vollkommen an die Wand gefahren. Wir bräuchten schon eine frühere Lösung. An eine Revolution möchte ich gar nicht erst denken. Wer allerdings vor der Migration große Angst hat, der wird letztlich auch vor einer Revolution keine Skrupel mehr haben. Es zeigt sich immer mehr, die verweichlichten wohlstandsverwöhnten Christen waren und sind zu zaghaft und feige. Nicht umsonst ist eine der vier Kardinaltugenden die Tapferkeit. Davon sind wir meilenweit entfernt. Von der Klugheit ganz zu schweigen.

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Karl Hammer
Vor 2 Monate 3 Wochen

Herr Graf, ich befürchte Sie haben Recht. Wenn sich hier noch was zum besseren wendet, dann nur, wenn auch die sogenannten Boomer ihren Teil dazu beitragen. Und wenn sie ihren Kindern und Enkeln zuhören, ist das durchaus noch möglich.

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Wurt Kroizinger
Vor 2 Monate 2 Wochen

Der "Reinigungsprozess", der laut der befragten "Emilia" in jungen Parteien eben normal sei, hat bei der AfD bisher dazu geführt, dass alle Gemäßigten die Partei verließen und die Partei sich immer weiter radikalisierte. Schöne "Reinigung".

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Andreas Graf
Vor 2 Monate 3 Wochen

Das Resümee am Schluss ist für die hippen Jungwähler der AfD leider nur ein schwacher Trost. Bis die graumelierten Herren der "Altparteien" das Zeitliche gesegnet haben ist Deutschland vollkommen an die Wand gefahren. Wir bräuchten schon eine frühere Lösung. An eine Revolution möchte ich gar nicht erst denken. Wer allerdings vor der Migration große Angst hat, der wird letztlich auch vor einer Revolution keine Skrupel mehr haben. Es zeigt sich immer mehr, die verweichlichten wohlstandsverwöhnten Christen waren und sind zu zaghaft und feige. Nicht umsonst ist eine der vier Kardinaltugenden die Tapferkeit. Davon sind wir meilenweit entfernt. Von der Klugheit ganz zu schweigen.

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Karl Hammer
Vor 2 Monate 3 Wochen

Herr Graf, ich befürchte Sie haben Recht. Wenn sich hier noch was zum besseren wendet, dann nur, wenn auch die sogenannten Boomer ihren Teil dazu beitragen. Und wenn sie ihren Kindern und Enkeln zuhören, ist das durchaus noch möglich.