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Düstere Perspektiven für das Heilige Land

Ach Herr, wie zahlreich sind meine Feinde!

Acht Monate nach dem grauenvollen Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel, der Geiselnahme von 230 Menschen und angesichts des israelischen Kriegszugs im Gazastreifen mit allen schrecklichen Folgen für die Zivilbevölkerung gibt es nicht den geringsten Grund zu Optimismus. In diesem Punkt sind sich Nahostexperten in aller Welt, so gut wie alle Israelis, aber auch die meisten Palästinenser sowie die christlichen Kirchen in Jerusalem einig. Fast alle erwarten, dass das Blutvergießen noch lange nicht vorbei ist. Schließlich beteuern Hamas-Führer, dass sie bis zur „Befreiung Palästinas“ kämpfen wollten; und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verspricht, solange Krieg zu führen, bis „die Hamas zerschlagen ist“.

An eine Zweistaatenlösung, für die sich fast die ganze Welt, so auch Deutschland, einsetzt, glaubt im Heiligen Land derzeit wirklich so gut wie niemand. Morgenluft wittern angesichts der wachsenden Isolation Israels vor allem die Islamisten – während die ohnehin schwache Friedensbewegung ratlos und ohnmächtig scheint angesichts des barbarischen Hamas-Anschlags und der Schrecken des Krieges im Gazastreifen.

„Am Ende heißt es immer, die Juden sind schuld“

Gedeckter Tisch, leere Plätze: Improvisiertes Mahnmal für das Schicksal der Geiseln am Kunstmuseum Tel Aviv, Mai 2024

„Wir sind langsam müde zu argumentieren, auf unser Existenzrecht, unser Recht auf Verteidigung zu verweisen, das interessiert doch niemanden“, sagt etwas bitter lächelnd der Unternehmer und langjährige Spitzenfunktionär der internationalen Zionisten-Bewegung, Roby Spiegel, bei dem Gespräch im Herzen Tel Avivs, einen Steinwurf vom belebten Dizengoff-Platz entfernt. „Wir haben so oft unsere Bereitschaft zu Kompromissen, zum Frieden bewiesen, aber das Ergebnis ist immer gleich: Am Ende heißt es immer, die Juden sind schuld.“ Viele Israelis hätten spätestens am 7. Oktober erkannt, wie sinnlos alle Bemühungen um Frieden sind, meint Spiegel, der mit den Spitzenpolitikern des Landes auf Du und Du steht und bestens vernetzt ist. „Die Araber werden uns niemals erlauben, ein normaler Staat zu sein.“

Pfarrer Joachim Lenz

„Es sind zwei traumatisierte Völker, die sich gegenseitig nicht verstehen können. Es gibt im Herzen der Menschen keinen Platz für das Mitleiden mit den anderen“, beschreibt der deutsche Propst der Erlöserkirche in Jerusalem, Pfarrer Joachim Lenz, die Gefühlslage von Israelis und Palästinensern. Der Geistliche, der viele Jahre für die EKD die evangelischen Kirchentage organisierte, berichtet in seinem Büro wehmütig, dass angesichts des Krieges nur ein Bruchteil der im Mai üblichen Besucherzahlen bei Gottesdiensten und Veranstaltungen da sind. Nicht selten seien es nur eine Handvoll Menschen, die sich am Sonntagvormittag im Hauptschiff der neuromanischen Basilika einfinden.

„Viele haben geplündert und vergewaltigt“

„Am 7. Oktober haben auch normale Menschen aus Gaza, die nicht zur Hamas gehören, geplündert und vergewaltigt“, betont die israelische Politologin Tamar Herman in einem Interview und begründet damit auch den Zorn vieler Israelis auf die Bevölkerung von Gaza. „Es ist sehr einfach in London, Washington oder Oslo zu sitzen und bei dieser Frage nur eine Seite zu sehen.“

Wie tief die Empörung vieler Israelis ist, belegt eine kürzlich durchgeführte Umfrage, der zufolge 70 Prozent der Israelis Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ablehnen. „Für die meisten Israelis sind alle Bewohner Gazas Feinde“, sagte Herman. Ursache dafür ist auch das Gefühl, von den etwa 120.000 Palästinensern, die vor dem 7. Oktober in israelischen Baufirmen, Restaurants, Geschäften, landwirtschaftlichen Betrieben oder bei Familien beschäftigt waren, aufs Übelste verraten worden zu sein.

Palästinensische Gastarbeiter als Spitzel

Die Hamas hatte nachweislich bei ihrem Überfall detailreiche Berichte vieler Palästinenser genutzt, die im Grenzgebiet gearbeitet und akribisch notiert hatten, wo sich Wachleute aufhielten, wo sich Schutzräume befanden, wie viele Menschen, wie viele Frauen und Kinder in den verschiedenen Häusern lebten.

Israelis berichteten im Fernsehen konsterniert, dass sie fest davon überzeugt gewesen waren, nach vielen Jahre ein sehr freundliches, vertrauensvolles Verhältnis zu den arabischen Gastarbeitern entwickelt zu haben; niemals hätten sie gedacht, dass diese Palästinenser sich als willige Spitzel und Komplizen der Terroristen entpuppen würden.

Unvergessen ist in Israel auch, dass es in den Tagen nach dem 7. Oktober Jubelfeiern im Westjordanland und im Gazastreifen gab, auf den Straßen Süßigkeiten verschenkt wurden, wie das in der arabischen Kultur an Festtagen üblich ist. Ähnliches wurde damals auch aus New York, Berlin, Brüssel oder Marseille berichtet.

„Die Ratlosigkeit hier ist überall sehr groß“, meint der Geschäftsführer des Pilgerhauses Tabgha am See Genezareth, Georg Röwekamp. Der gebürtige Duisburger ist ein profunder Kenner des Heiligen Landes. „Für die Extremisten beider Seiten war der 7. Oktober Wasser auf die Mühlen ihrer Ansichten“, äußert er bedrückt beim Spaziergang vor der malerischen Kulisse des biblischen Ortes. Auch das geschichtsträchtige Pilgerhaus leidet unter dem Krieg, vor allem aus Deutschland kommen nur noch wenige Gäste.

Dr. Georg Röwekamp

Die Palästinenser-Organisationen betrachteten den gelungenen Überfall, das Blutbad im israelischen Grenzgebiet als einen „großen Erfolg“ in ihrem „Befreiungskampf“. Insgesamt wurden mehr als 1.300 Menschen bei dem Anschlag ermordet, darunter Hunderte junge Teilnehmer eines Musikfestivals, Hunderte Kinder, Jugendliche, Frauen und alte Menschen in Kibbuzen und Dörfern. Viele wurden grausam gequält und brutal vergewaltigt, ihre Leichen geschändet. Dazu verschleppten die Hamas-Kämpfer 239 Menschen als Geiseln.

Flehentliche Bitte: Wandbild „Bring us home now!“ am informell so benannten „Platz der Geiseln“, Stadtzentrum Tel Aviv, Mai 2024

In Israel waren der Schock, das Entsetzen und der Schmerz unbeschreiblich. Nicht nur für die politische Rechte, die Koalitionspartner Netanjahus, waren die entsetzlichen Ereignisse nur ein weiterer Beweis für die Unmöglichkeit, mit Arabern Frieden zu schließen.

Friedensbewegung: Traumatisiert und misstrauisch

Auch in der Friedensbewegung seien viele Menschen „geradezu traumatisiert“, das gegenseitige Misstrauen habe enorm zugenommen, so Röwekamp. „Umso mehr bewundere ich diejenigen, die sich auch jetzt nicht entmutigen lassen.“ Empathie zu empfinden für die jeweils andere Seite sei schwerer geworden: „Beide Seiten glauben, ein Monopol auf Leid und Schmerz zu haben.“

Es sind nicht nur die Menschen in Israel und den Palästinenser-Gebieten, die von einem tiefen Pessimismus geprägt zu sein scheinen und sich sogar vor einer weiteren Zuspitzung der Lage fürchten – sowohl im Land selbst als auch im gesamten Nahen Osten.

Niemand weiß derzeit, wie die Zukunft der 2,3 Millionen Bewohner des Gazastreifens angesichts der verheerenden Zerstörungen im Krieg und der ungeklärten politischen Lage aussehen soll. Im Westjordanland und Jerusalem hat sich die wirtschaftliche Lage seit Oktober enorm verschlechtert.

Krieg schadet allen

Vor dem Hamas-Massaker arbeiteten in Israel etwa 150.000 Palästinenser aus dem Westjordanland, aus dem Gazastreifen etwa 35.000. Heute kommen aus Judäa und Samaria, wie die Israelis das Westjordanland alttestamentarisch nennen, nur noch wenige tausend Palästinenser mit einer Arbeitserlaubnis nach Israel, aus dem Gazastreifen niemand mehr.

Gewöhnlich drängeln sich hier die Massen: Partie in der Jerusalemer Altstadt

Der Tourismus ist angesichts der Wirren fast völlig zum Erliegen gekommen. Die Altstadt von Jerusalem mit ihren vielen hundert Geschäften für Souvenirs und Keramik, Kunstgegenstände und Devotionalien, Gewürzen und Kleidung sowie den unzähligen Cafés, Restaurants und Falafel-Ständen wirkt gespenstisch leer, fast ausgestorben.

„Wir gehen kaputt, lange können wir das nicht mehr durchhalten“, klagt Ladenbesitzer Mohamed Hassan Batajne. Bei dem 62-jährigen stapeln sich neben den Gewürzkörben die Schachteln mit Datteln.

Auch die Israelis leiden unter dem Ausbleiben der Touristen. Die zahlreichen Hotels in Tel Aviv und Haifa werden von den mehr als 120.000 Menschen genutzt, die wegen der ständigen Raketenangriffe der Hisbollah, den Verbündeten des Iran im Libanon, aus dem Norden Israels fliehen mussten.

Furcht vor Flächenbrand in Nahost

Die militärisch brisante Lage im israelisch-libanesischen Grenzgebiet wie auch der massive Raketen- und Drohnenangriff Irans auf Israel im April nähren die Furcht vor einem Flächenbrand in Nahost, vor dem seit Monaten die halbe Welt warnt – angefangen von Papst Franziskus und Bundeskanzler Olaf Scholz bis hin zu US-Präsident Joe Biden und UN-Generalsekretär Antonio Guterres.

Selten sei die Zukunft so pessimistisch beurteilt worden wie derzeit, schrieb der Islamwissenschaftler Guido Steinberg (Berlin) im Cicero. Der „neue Pessimismus“ sei auch deshalb angebracht, weil der 7. Oktober und der Krieg im Gazastreifen mit krasser Deutlichkeit zeigten, „wie unversöhnlich sich Israelis und Palästinenser gegenüberstehen“.

Die USA und die EU-Staaten setzen sich vehement für eine Zweistaatenlösung ein. Seit Jahrzehnten schon gilt sie als der Schlüssel für einen dauerhaften Frieden in der Region. In Israel allerdings gibt es nur sehr wenige Stimmen, die die baldige Existenz eines palästinensischen Staates neben Israel für vorstellbar halten. Insbesondere, weil entscheidende Protagonisten des Konflikts auf beiden Seiten eine solche Lösung explizit ablehnen.

Diese Woche entschloss sich Slowenien, den nichtexistierenden Palästinenserstaat anzuerkennen. Im Mai hatten diesen Schritt mit Norwegen, Irland und Spanien schon drei andere europäische Länder getan, so dass gegenwärtig 146 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Palästina als unabhängigen Staat anerkennen, darunter mit China und der Russischen Föderation zwei der fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat. Unerwartet realistisch reagierte das Auswärtige Amt in Berlin: Ein Palästinenserstaat sei doch nur am Ende eines gelungenen Friedensprozesses denkbar, nicht davor.

Isolation Israels nimmt zu

Das weltweite Drängen auf eine Zweistaatenlösung, von der niemand so recht weiß, wie sie sich verwirklichen ließe, verschärft die Isolation Israels. Weltweit demonstrieren die nicht selten völlig enthemmten Feinde Israels und die linken Freunde islamistischer und anderer Terrororganisationen auf Straßen, Plätzen und in Universitäten gegen Israel.

In der UN und beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag steht Israel wegen angeblichen „Völkermords“ am Pranger; Der Chefankläger des Gerichts stellte mit dem gleichzeitigen Antrag auf Haftbefehle für Netanjahu, Israels Verteidigungsminister Joaw Galant und die Hamas-Führer die Vertreter des demokratischen Israel mit den Terroristen der Islamistenorganisation auf die gleiche Stufe.

Nachbau eines Hamas-Tunnels mit Namen und Porträts von Geiseln, Tel Aviv, Mai 2024

Die ständigen Mahnungen auch der Verbündeten und Freunde Israels wegen der Offensive in Rafah wirkt zuweilen lähmend auf die Führung in Jerusalem, die an dem Ziel, die Hamas zu zerschlagen, unbedingt festhalten, aber den wichtigsten Verbündeten, die USA, nicht völlig vergraulen will. International bedrängt von allen Seiten und innenpolitisch wieder zunehmend zerstritten, droht Israel mitten im Krieg eine politische Zerreißprobe.

Die Hamas darf sich als Sieger fühlen

Freuen darüber dürfen sich vor allem die Islamisten und palästinensischen Extremisten, die einen Palästinenserstaat ohnehin mit der Auslöschung Israels verknüpfen: „From the river to the sea“, vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer soll der Palästinenserstaat reichen, den es historisch betrachtet genauso wenig gab wie ein „palästinensisches Volk“.

Bis weit in die 1960er Jahre sprach auch niemand in der arabischen Welt von „Palästinensern“. Die Bezeichnung gilt als eine geniale identitätsstiftende Wortschöpfung des ehemaligen PLO-Chefs Jassir Arafat. Bis dahin ging es um die Araber in der Region, die sich ethnisch, kulturell oder sprachlich in kaum etwas von ihren Landsleuten in Jordanien, Syrien oder im Libanon unterscheiden.

Bei einer nüchternen Betrachtung der Entwicklungen seit dem 7. Oktober 2023 muss man zugestehen, dass die politische Kalkulation der Hamas aufgegangen ist. Die Welt scheint das Blutbad und die Gewaltexzesse im israelischen Grenzgebiet sowie die Geiselnahme von unschuldigen Menschen fast vergessen zu haben – zumindest empfinden viele Israelis das so. Der Zorn und die Empörung der Weltöffentlichkeit richten sich nicht auf die Terroristen, sondern vor allem auf den jüdischen Staat.

Todeskult macht immun gegen Menschlichkeit

Der Blutzoll und das Leid, dass der Terroranschlag mit dem zwangsläufigen Krieg über die Palästinenser im Gazastreifen gebracht hat, kümmert die Hamas kaum. Der Todes- und Märtyrerkult der Islamisten macht sie immun gegenüber humanitären Erwägungen.

Israel kann derzeit nur eine äußerst bittere politische Zwischenbilanz seines Krieges gegen die Terroristen ziehen. Ganz abgesehen von der enormen Zahl ziviler und militärischer Opfer und den gigantischen Zerstörungen im Gazastreifen, ist keines der beiden Kriegsziele erreicht: Weder sind die Geiseln befreit noch die Hamas zerschlagen.

Der Hamas war klar, dass Israel nach dem schlimmsten Massenmord an Juden seit dem Holocaust mit einem verheerenden militärischen Schlag reagieren würde. Die Anwesenheit von 2,3 Millionen Palästinensern im schmalen, dicht besiedelten Gazastreifen war dabei, politisch betrachtet, ein optimales Faustpfand für die Islamisten.

Tote Kinder und Frauen nützen den Terrororganisationen

Hemmungslos nutzen sie ihre Landsleute als Schutzschild für ihre bewaffneten Einheiten, für ihr gigantisches Tunnelsystem und Tausende von Raketen-Abschussrampen. Vor allem aber dienen die vielen tausend zivilen Opfer und die Zerstörung von Krankenhäusern, Wohnhäusern und Schulen dazu, die weltweite Empörung gegen Israel immer wieder aufs Neue anzufachen.

Inzwischen sind nach palästinensischen Angaben mehr als 35.000 Menschen im Gazastreifen dem Krieg zum Opfer gefallen, die meisten von ihnen wohl Zivilisten. Zigtausende wurden verwundet. Israels Militär spricht von etwa 14.000 getöteten Hamas-Kämpfern. Die Zahl der gefallenen israelischen Soldaten beträgt laut Verteidigungsministerium etwa 650.

Eine Zweistaatenlösung soll nun den gordischen Knoten des unerbittlichen, hasserfüllten Konflikts zwischen Israel und der arabisch-islamischen Welt durchschlagen. Die Vorstellung in europäischen Hauptstädten, die Anerkennung eines fiktiven Staates Palästina bringe den Frieden näher, könnte weltfremder kaum sein.

Palästinenser wollen keinen jüdischen Staat akzeptieren

Die Geschichte des Nahostkonflikts seit mehr als einem Jahrhundert ist voller Belege dafür, dass es unter den Palästinensern keine nennenswerte Kraft für einen Friedensschluss mit Israel gibt, keine Bereitschaft, Israel anzuerkennen oder auf Terrorismus zu verzichten. PLO und Hamas haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten im Westjordanland und im Gazastreifen zudem aller Welt demonstriert, wie unfähig sie sogar untereinander zu Kompromissen und der Einhaltung demokratischer Spielregeln sind.

In den palästinensischen Autonomiegebieten, seit Jahrzehnten massiv finanziert auch von der EU und von Deutschland, wuchern Korruption und Vetternwirtschaft, dominieren Willkür, Grausamkeit gegenüber Andersdenkenden oder sexuellen Minderheiten sowie eine tiefe Feindseligkeit gegenüber allen westlichen Werten.

Schwammige Formulierungen für naive Europäer

Vor allem aber gibt es keine palästinensische Organisation, die sich wirklich für ein friedliches Nebeneinander eines israelischen und eines palästinensischen Staates einsetzt. Führer der Palästinenserorganisationen, auch der als gemäßigt angesehene PLO-Chef und Präsident der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, erkennen kaum das Existenzrecht Israels an. Im besten Fall nutzen sie schwammige Formulierungen, die gutgläubige Europäer als Zeichen eines Friedenswillens interpretieren.

„Eine Zweistaatenlösung für den Nahostkonflikt ist auch deshalb illusionär, weil ein Palästinenserstaat nur unter der Vormundschaft arabischer Führungsmächte möglich wäre“, schrieb der Publizist Richard Herzinger im Februar für die ukrainische Zeitschrift Ukrajinskyj Tyzhden (hier deutsch). Die arabischen Mächte sieht Herzinger mit „Groß-, wenn nicht gar Weltmachtambitionen“ beschäftigt, mit „megalomanen Prestigeprojekten“, im Inneren seien sie „rückständig und unberechenbar“.

Letztendlich wird im Westen die Radikalität von PLO, Hamas, islamischem Dschihad und fast aller anderen Palästinenserorganisationen unterschätzt: Sie alle fordern mehr oder minder deutlich und lautstark den „Heiligen Krieg“ gegen Israel und ein „Palästina vom Fluss bis zum Meer“. Ein jüdischer Staat würde dann nicht mehr existieren. Ob Juden in einem solchen Palästina überhaupt leben dürften, muss angesichts der oft gewaltsamen Vertreibung der Juden aus den allermeisten arabischen Ländern bezweifelt werden.

Man sollte den arabischen Führern zuhören

Es ist wichtig, den Palästinensern zuzuhören, denn sie machen aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Die Islamisten betonen immer wieder, dass sie Wiederholungen der „Operation Al-Aqsa-Flut“ anstreben, wie die Hamas ihr Massaker am 7. Oktober titulierte.

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Genau das sagte beispielsweise das Hamas-Politbüromitglied Ghazi Hamad in einer Sendung des libanesischen Fernsehsenders LBC am 24. Oktober. Der „Befreiungskampf“ werde weitergehen, bis Israel vernichtet sei, so Hamad laut The Times of Israel. Auch wenn bei diesen Aktionen viele Palästinenser getötet wurden, sei er „stolz darauf, Märtyrer zu opfern“.

Auch Hamas-Führer Khaled Maschal hat ein entspanntes Verhältnis zum Tod seiner Landsleute. „Nationen sind nicht leicht zu befreien“, sagte er dem israelischen Bericht zufolge. Das algerische Volk habe sechs Millionen Märtyrer geopfert, die Hamas werde diesem Beispiel gerne folgen.

Warnung vor Doppelzüngigkeit und Verlogenheit

Der ehemalige israelische Geheimdienstler Yigal Carmon, der mit seinem Middle East Media Research Institute (Memri) seit 25 Jahren Reden und Interviews arabischer Politiker und Funktionäre auswertet, warnt nachdrücklich vor ihrer Doppelzüngigkeit und Verlogenheit. So habe Arafat 1993 vor westlichen Kameras Frieden und Versöhnung versprochen, um dann in Reden an die Palästinenser den Kampf gegen Israel und die Vernichtung des jüdischen Staates zu beschwören.

Doppelzüngig, verlogen, terroristisch: Der erste Präsident der Palästinensischen Autonomiegebiete, Jassir Arafat, mit dem Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, im Moskauer Kreml, 29. Mai 2001

Der ehemalige Oberst der israelischen Streitkräfte stützt sich bei seiner Arbeit mit rund achtzig Übersetzern ausschließlich auf öffentlich zugängliche Texte. Carmon warnt den Westen davor, die Aufrufe zum Dschihad nicht ernst zu nehmen.

„Kalifat in Jerusalem“

Carmons Institut hatte im Dezember berichtet, wie Hamas-Führer im Al-Aqsa-TV-Sender vom weltweiten Kalifat schwärmten. „Das palästinensische Volk bereitet sich darauf vor, ein Kalifat zu errichten, mit Jerusalem als Hauptstadt, inschallah. Jerusalem wird nicht nur die Hauptstadt Palästinas als unabhängiger Staat sein – es wird die Hauptstadt des islamischen Kalifats sein.“

Während im Westen die Drohungen von Islamisten und der Ayatollahs im Iran, Israel auszulöschen, oft nicht ernst genug genommen werden, gibt es in Israel deutlich mehr Realismus. Deshalb glauben hier nur wenige Politiker an eine realistische Zweistaatenlösung in naher Zukunft.

Netanjahu lehnt sie schon lange offen ab und betont, ein Palästinenserstaat würde eine enorme Bedrohung der Existenz Israels bedeuten. Der Likud-Führer, dem laut Umfragen sehr viele Israelis die politische Verantwortung zuschreiben, dass der 7. Oktober überhaupt geschehen konnte, wird dennoch von seinen Landsleuten sehr viel mehr akzeptiert, als man im Westen denkt.

Der 7. Oktober hat die Israelis auch geeint

Die Israelis, die vor dem 7. Oktober zu einem großen Teil Netanjahu und seine Koalition mit Rechtsradikalen ablehnten, haben sich nach dem Grauen des Hamas-Überfalls um die Regierung geschart. „Der 7. Oktober hat die Israelis zutiefst geschockt und verunsichert, aber sie auch geeint“, resümiert Zionisten-Mann Roby Spiegel. „Netanjahu muss letztendlich die politische Verantwortung für den Anschlag der Hamas übernehmen, aber er trägt keine Schuld“, differenziert er.

Netanjahus Entscheidung zum Krieg und das Vorgehen der Streitkräfte werden laut Demoskopen von den meisten Israelis nach wie vor unterstützt. Eine repräsentative Umfrage des Pew Research Center (Washington DC) von April zeigt, dass 73 Prozent der Israelis den Krieg befürworten; 34 Prozent meinen, das Militär wäre noch viel zu zurückhaltend.

68 Prozent der Israelis glauben an einen langen Krieg

Nur 19 Prozent der Israelis denken demnach, dass Israel im Gazastreifen „zu weit gegangen“ sei. Allerdings machen sich auch 61 Prozent „große“ oder „sehr große“ Sorgen über eine drohende Ausweitung des Krieges in der Region. 68 Prozent fürchten, dass der Krieg noch lange andauern könnte.

Zustimmung für irgendeine Form eines palästinensischen Staates lässt sich aus der Umfrage nicht herauslesen. Heute können sich gerade einmal 26 Prozent der Israelis vorstellen, dass es einen Weg zu einem friedlichen Miteinander von Israelis und Palästinensern geben könnte. Vor einem Jahr hatten noch 35 Prozent diese Fantasie. 2013, als die Frage zum ersten Mal gestellt wurde, waren es noch 70 Prozent.

In der näheren Zukunft, also nach Kriegsende, befürworten nur 20 Prozent eine Selbstbestimmung der Palästinenser im Gazastreifen oder eine Regierung der nationalen Einheit der Palästinensischen Autonomiebehörde, die derzeit im Westjordanland herrscht. 40 Prozent denken, Israel sollte den Gazastreifen regieren.

Hinsichtlich der ungelösten Fragen in der Kriegsführung, aber auch für die Zeit nach dem Ende des Krieges wachsen die innenpolitischen Spannungen in Israel deutlich an. Benny Gantz, Mitglied im israelischen Kriegskabinett, drohte sogar mit dem Austritt aus der Regierung, falls der Regierungschef nicht bis zum 8. Juni seine konkreten Vorstellungen für die Nachkriegsordnung im Gazastreifen vorlegt.

Gantz unterstützt einen kühnen, weil schwierig umzusetzenden Sechs-Punkte-Plan, der eine befristete Verwaltung des Gazastreifens unter Führung und Aufsicht der Vereinigten Staaten von Amerika, europäischer und arabischer Staaten sowie der Palästinenser selbst vorsieht. Israel solle aber die Kontrolle über die Sicherheit behalten.

Das Alte Rathaus von Jerusalem von 1930 am Safra-Platz, zum 76. Unabhängigkeitstag Israels am 14. Mai eingehüllt in die Staatsflagge

Netanjahu wies die Forderungen von Gantz brüsk zurück, weil eine Beendigung des Krieges derzeit eine Niederlage für Israel bedeuten würde, bei der die Hamas weiter existiere und die Geiseln keineswegs automatisch freikämen. Ähnliche Bedenken hat Netanjahu auch gegen den jüngsten Plan Joe Bidens, der eine Beendigung der Kampfhandlungen und die Freilassung der Geiseln beinhaltet.

Offene Fragen über die Zukunft des Gazastreifens

Zudem würde derzeit ein Rückzug Israels aus dem Gazastreifen die rechts-nationalistische Koalition Netanjahus zu Fall bringen; die Ultra-Rechten würden die Aufgabe der Kriegsziele nicht hinnehmen. Ohnehin bringen sie Netanjahu mit der Forderung nach einer Annexion und der jüdischen Besiedlung des Gazastreifens zusätzlich in die Bredouille – dieses Konzept würde mit Sicherheit heftige Unruhen, neue Kämpfe und vor allem Terrorismus provozieren.

Auch wenn die innenpolitischen Konflikte angesichts des Krieges nicht mit der für Israel normalen Schärfe geführt werden, gibt es vor allem bei der politischen Linken und bei vielen Intellektuellen viel Ablehnung für die rechteste Regierung, die Israel je hatte.

Die radikale Linke sieht „Faschisten“ am Werk

„Das ist eine faschistische Regierung, rechtsradikale Minister rufen offen zur Vertreibung der Palästinenser auf, Netanjahu will nur an der Macht bleiben“, wetterte ein angesehener Judaist der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seinen Namen möchte er nicht in den Medien lesen, zu sehr hätten ihn schon staatliche Institutionen wegen seiner angeblichen Nähe zu palästinensischen Extremisten bedrängt.

Der Wissenschaftler repräsentiert eine Schicht linker Intellektueller im Land, die das zionistische Projekt mehr oder minder als gescheitert ansehen und den bedingungslosen Rückzug Israels aus allen besetzten Gebieten fordern. Dabei bestreiten sie nicht einmal, dass ohne ein verlässliches Friedensabkommen die Zeichen wieder auf Krieg und Terror gestellt wären. „Ich weiß, dass Frieden jetzt unrealistisch ist, aber ich glaube an die pazifistischen Ideen Ghandis.“
 

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Kommentare

Kommentar
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Andreas Graf
Vor 5 Monate 2 Wochen

Kann der Überfall ausgerechnet am 7. Oktober 2023 denn ein Zufall sein? Das lässt mich erschaudern. Am 7. Oktober 1571 besiegte die Heilige Liga die Osmanen vernichtend in der berühmten Seeschlacht bei Lepanto. Aus Dankbarkeit feiern die Katholiken an diesem Tag das Rosenkranzfest. Der Sieg wird der Rosenkranzkönigin zugeschrieben. Die Heilige Liga war zahlenmäßig weit unterlegen. Papst Pius V. rief damals die ganze Christenheit zum Rosenkranzgebet auf. Das scheint wohl in Vergessenheit geraten zu sein. Die Muslime haben nicht vergessen. Für sie ist die Zeit der Abrechnung und der Rache für die schändliche Niederlage gekommen. Ich halte das Datum als geheimen Code an alle Muslime weltweit. Wer weiß denn, was in den Moscheen wirklich gepredigt wird? Was hat das dekadente Christentum unter dem Usurpator Franziskus und das dekadente zionistische Judentum dem aggressiven Islam noch entgegenzusetzen? Am 14. August 2021 sagte das Prager Jesulein der Seherin Manuela Strack bei einer Erscheinung in Sievernich: „Der Stein wird gegen das Kreuz gehen. Höre Meine Worte. Es ist wichtig, dass ihr Meine Worte befolgt. Gebet, Buße, Opfer, Wiedergutmachung! Mit dem Ruf zum Ewigen Vater werdet ihr den Stein aufhalten können.“ Der Stein ist übrigens der Stein der Kaaba von Mekka. Heute wie damals kann nur der Rosenkranz, das geistliche Schwert, eine Rettung herbeiführen. Waffen allein können es nicht bewirken.

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Andreas Graf
Vor 5 Monate 2 Wochen

Kann der Überfall ausgerechnet am 7. Oktober 2023 denn ein Zufall sein? Das lässt mich erschaudern. Am 7. Oktober 1571 besiegte die Heilige Liga die Osmanen vernichtend in der berühmten Seeschlacht bei Lepanto. Aus Dankbarkeit feiern die Katholiken an diesem Tag das Rosenkranzfest. Der Sieg wird der Rosenkranzkönigin zugeschrieben. Die Heilige Liga war zahlenmäßig weit unterlegen. Papst Pius V. rief damals die ganze Christenheit zum Rosenkranzgebet auf. Das scheint wohl in Vergessenheit geraten zu sein. Die Muslime haben nicht vergessen. Für sie ist die Zeit der Abrechnung und der Rache für die schändliche Niederlage gekommen. Ich halte das Datum als geheimen Code an alle Muslime weltweit. Wer weiß denn, was in den Moscheen wirklich gepredigt wird? Was hat das dekadente Christentum unter dem Usurpator Franziskus und das dekadente zionistische Judentum dem aggressiven Islam noch entgegenzusetzen? Am 14. August 2021 sagte das Prager Jesulein der Seherin Manuela Strack bei einer Erscheinung in Sievernich: „Der Stein wird gegen das Kreuz gehen. Höre Meine Worte. Es ist wichtig, dass ihr Meine Worte befolgt. Gebet, Buße, Opfer, Wiedergutmachung! Mit dem Ruf zum Ewigen Vater werdet ihr den Stein aufhalten können.“ Der Stein ist übrigens der Stein der Kaaba von Mekka. Heute wie damals kann nur der Rosenkranz, das geistliche Schwert, eine Rettung herbeiführen. Waffen allein können es nicht bewirken.