AfD, CDU oder BSW: Welche Partei steht für Ehe und Familie?
Wer dieser Tage im Land zwischen Nordhausen und Hildburghausen unterwegs ist und nicht gerade durch die märchenhaften Wälder stapft, der kann es nicht übersehen: Am Sonntag wird im Freistaat Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Von den Wahlplakaten blicken Noch- und vielleicht Bald-wieder-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei), die Herausforderer Mario Voigt (CDU), Björn Höcke (AfD) oder auch Sahra Wagenknecht (BSW), für die hier gar nicht gestimmt werden kann.
Mal blicken die Protagonisten lässig-cool, mal betont freundlich, mal entschlossen von den Pappflächen. Mal machen die Parteien auf mit Sachthemen wie Remigration, Rente und Bildung, mal mit Emotionen („Zuversicht“). Fest steht: Diese Wahl wird besonders. Die AfD wird aller Voraussicht nach mit deutlichem Abstand als stärkste Kraft in den neugewählten Landtag einziehen. Doch niemand will mit ihr regieren. In Umfragen steht die Partei von Landeschef Björn Höcke bei 30 Prozent. Dahinter folgt die CDU mit 21 bis 23 Prozent vor dem BSW mit Spitzenkandidatin Katja Wolf (zwischen 17 und 20 Prozent).
Auffällig wenig geht es in den Wahlkampfreden und Fernsehdebatten um Kinder – und schon gar nicht um ungeborene. Dabei sind Kinder das, was Thüringen mit am meisten fehlt. Die zusammengefasste Geburtenziffer der Thüringer betrug 2023 gerade einmal 1,28 Kinder je Frau. Bei ausländischen Frauen lag der Wert bei 1,62 Kinder, wie das Landesamt für Statistik gegenüber Corrigenda mitteilte, veröffentlicht wird dieser Wert von den Behörden nicht. Die Zahl der Abtreibungen ging wie im bundesweiten Trend auch nach oben, auf 3.150 Fälle. Die Abtreibungsquote pro 1.000 Geburten liegt mit 213,6 im Jahr 2022 auch deutlich über dem bundesweiten Schnitt (139,2) und nochmals deutlich höher als die im niedrigsten Bundesland Bayern (99).
Die Zahl der Sterbefälle (rund 31.000) überragte jene der Geburten (13.000) um Längen. Und dieser demografische Wandel, dieser Niedergang betrifft alle Lebensbereiche.
Corrigenda hat AfD, CDU und BSW konkret dazu befragt, was sie im Falle einer Regierungsbeteiligung unternehmen würden, um Bürger zur Familiengründung mit mehr als zwei Kindern zu ermuntern; um Schwangeren im Konflikt und ihren Partnern ein Ja zum Kind zu ermöglichen; was sie tun wollen, um das Image von (Groß-)Familien zu verbessern.
Familienpolitik
In der Familienpolitik geht die Thüringer AfD am weitesten. „Es ist unsere Überzeugung, dass ein politisches Umsteuern zugunsten der Familien und ihrer Belange zuallererst den Willen zur familienpolitischen Kehrtwende voraussetzt“, betont Torben Braga, stellvertretender Landessprecher der AfD Thüringen. Die Familien müssten endlich in den Fokus der Politik gerückt werden und ihre Situation durch konkrete Maßnahmen verbessert werden.
Einer dieser Maßnahmen, die der AfD vorschwebt, ist das „Thüringer Kinderbegrüßungsgeld“. Steuerpflichtige Eltern sollen demnach „für jedes neugeborene Kind insgesamt 10.000 Euro – über fünf Jahre gestreckt – steuerfrei erhalten“. Neben einem Immobiliendarlehen, dessen Rückzahlung abhängig von der Kinderzahl teilweise erlassen werden soll, schwebt den Thüringer Blauen auch eine reduzierte Grunderwerbssteuer „beim Ersterwerb von Wohneigentum“ vor.
Ein Novum in der deutschen Politik wäre zudem die von der AfD in Aussicht gestellte „Familienverträglichkeitsprüfung“. Jedes neue Gesetz, jede neue Verordnung in Thüringen solle vor Inkrafttreten einer solchen Prüfung unterzogen werden. Ferner wolle sich die AfD – auch wenn es außerhalb der Zuständigkeit eines Bundeslandes liegt – für eine geringere Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Babybedarfsartikel einsetzen.
Bei der Kinderzahl sind sich AfD, CDU und BSW einig: Die Entscheidung, wie viele Kinder ein Paar bekommen möchte, gehe den Staat nichts an. Auch sprach sich keine der Parteien für „Nudging“ aus, also ein sanftes Drängen hin zu einem bestimmten Verhalten, in diesem Fall das Kinderkriegen.
Auch die CDU hat konkrete Pläne, die vor allem auf die Besserung der Rahmenbedingungen für Familien abzielen. Zum einen wollen die Thüringer Christdemokraten ein „Wohnungsbauprogramm 2030“ auflegen, um bezahlbare Mietwohnungen zu schaffen. Zum anderen will die CDU die Einkommensteuer „familienfreundlich reformieren und ein Familliensplitting einführen“. Die Kinderbetreuung solle steuerlich angerechnet und ein „Familienzeit-Konto“ eingerichtet werden.
Die CDU verknüpft das Thema Familie und Kinder eng mit dem Thema Bildung. „Mit einer guten frühkindlichen Bildung wollen wir den Grundstein für den bestmöglichen Start ins Leben legen. Wir wollen den Betreuungsschlüssel in den Kindergärten senken und die Zahl der Fachkräfte erhöhen“, sagte ein Sprecher gegenüber Corrigenda. „Kurze Beine brauchen kurze Wege. Deshalb setzen wir uns für den Erhalt kleiner Grundschulen im ländlichen Raum ein. Regelschulen wollen wir aufwerten, Gymnasien stärken und den Unterricht schülerorientiert ausbauen. Unser Anspruch ist es, jedem Kind die bestmögliche Chance auf Bildung und Betreuung zu ermöglichen.“
Das BSW betont auf Nachfrage dieses Magazins:
„Wir glauben an die Freiheit der Menschen, ihre Familienplanung selbstbestimmt zu gestalten. Eine von uns geführte Landesregierung würde Paare nicht zu einer bestimmten Anzahl von Kindern ermutigen, sondern dafür sorgen, dass sie sich bei ihrer Entscheidung unterstützt fühlen, unabhängig davon, wie viele Kinder sie haben möchten.“
Familienpolitik solle die „Vielfalt der Lebensentwürfe“ respektieren. „Durch den Ausbau von Betreuungsangeboten, faire Löhne und eine soziale Absicherung möchten wir ein Umfeld schaffen, in dem sich Menschen aus freien Stücken für Kinder entscheiden können – wenn das ihr Wunsch ist.“
Lebensschutz
Hinsichtlich des Lebensschutzes unterscheiden sich die drei befragten Parteien am meisten. Während das BSW auf ein „Recht jeder Frau auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper und ihre Lebensentscheidungen“ verweist, spricht sich die AfD „für eine Kultur des Lebens“ aus und verweist darauf, dass der Lebensschutz bereits beim Embryo beginne. Torben Braga verweist auf das AfD-Grundsatzprogramm: „Die AfD wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären.“
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Die CDU ging auf unsere konkrete Frage zu Abtreibung und Lebensschutz nur ausweichend ein. „Die Familie begleitet uns ein Leben lang, von klein auf bis ins hohe Alter.“ Und: „Unsere Kinder müssen jederzeit und überall sicher sein.“ Überall sicher sein: Ob das auch für ungeborene Kinder im Mutterleib gilt, das ließ der CDU-Sprecher offen. Immerhin: „Die Entscheidung für Kinder darf weder am Geld noch an der Betreuung scheitern.“
Image und Wertschätzung der Familie
Weil familienpolitische Maßnahmen allein nicht helfen, hat Corrigenda AfD, CDU und BSW konkret danach befragt, wie der gesellschaftliche Ruf von Familien verbessert werden könne. Wie könnte eine „Willkommenskultur für Kinder“ aussehen? Die AfD antwortet: „Unsere Kinder sind unsere Zukunft. Diese Überzeugung ist leitend für die Politik der Thüringer AfD in Wort und Tat. Indem wir hieran festhalten, versuchen wir unseren Teil dazu beizutragen, ‘das Image von Familien und Elternschaft zu verbessern’.“
Auch hier geben sich die Christdemokraten schmallippig. „Kinder sind unsere Zukunft“, erklärt der Sprecher. Nicht mehr, nicht weniger. Das BSW erklärte: „Eine Willkommenskultur für Kinder bedeutet für uns, dass jede Form von Familie in unserer Gesellschaft respektiert und unterstützt wird. Wir wollen Familien und Elternschaft fördern, indem wir Rahmenbedingungen schaffen, die es Eltern ermöglichen, ihre Kinder in einem sicheren und unterstützenden Umfeld großzuziehen.“
Sind Ehe und Familie cool?
Viele Worte im Wahlkampf, viel Interpretationsspielraum, also gilt es, die Politiker und Parteien festzunageln. Wie stehen sie zu der Aussage: Es muss wieder cool sein, zu heiraten und eine große Familie zu gründen?
AfD: „Ob ‘cool’ der richtige Ausdruck ist, um die Freude und Schönheit zu kennzeichnen, welche Ehe und Familie für zahllose Menschen mit sich bringen, kann man diskutieren. Eine verklärende Romantisierung jedenfalls dürfte auch im Falle von Ehe und Familie nicht realitätsangemessen sein. Jedoch ist es für viele, viele Menschen gültige Lebenserfahrung, dass Ehe und Familie sie stärken, für ihr persönliches Glück unentbehrlich sind, immer wieder zur Erweiterung des Erfahrungshorizontes beitragen, Geborgenheit und Freiheit vermitteln. Diese Einsichten, die epochen- und kulturübergreifend immer wieder Bestätigung finden, gehören für die Thüringer AfD zu der Normalität, die wir politisch verteidigen.“
CDU: „Dem schließen wir uns an.“
BSW: „Wir respektieren jede Lebensform und jeden Lebensentwurf, sei es das Single-Dasein, das Leben in einer Partnerschaft ohne Kinder oder die Entscheidung für eine große Familie. ‘Cool’ sollte es sein, in einer Gesellschaft zu leben, in der jede und jeder die Freiheit hat, den eigenen Lebensweg zu wählen, ohne Druck oder gesellschaftliche Normen, die vorschreiben, wie das Leben auszusehen hat. Unser Ziel ist es, eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Entscheidungen gleichermaßen respektiert werden und in der die Vielfalt der Lebensentwürfe als Bereicherung anerkannt wird.“
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Vielen Dank für diese wichtige Analyse, die Transparenz für Wahlentscheidungen schafft!
Eine Trendwende sehe ich hier nicht, selbst wenn die AfD gewinnen würde. Das werden die Altparteien zu verhindern wissen. Eine Lösung würde ich nur darin sehen, wenn nur deutsche Eltern und deutsche Kinder gefördert und bevorzugt würden. Das ist, wie die Vergangenheit gezeigt hat, nicht gewollt und erwünscht. So sind wir jetzt da, wo wir jetzt sind und jammern und klagen. Wir hätten es längst lösen können, wenn ein Wille da wäre. Vor den Deutschen Bundestag steht: "Dem Deutschen Volke". Das gilt schon lange nicht mehr. Da muss man sehr weit zurückgehen.
Vielen Dank für diese wichtige Analyse, die Transparenz für Wahlentscheidungen schafft!
Eine Trendwende sehe ich hier nicht, selbst wenn die AfD gewinnen würde. Das werden die Altparteien zu verhindern wissen. Eine Lösung würde ich nur darin sehen, wenn nur deutsche Eltern und deutsche Kinder gefördert und bevorzugt würden. Das ist, wie die Vergangenheit gezeigt hat, nicht gewollt und erwünscht. So sind wir jetzt da, wo wir jetzt sind und jammern und klagen. Wir hätten es längst lösen können, wenn ein Wille da wäre. Vor den Deutschen Bundestag steht: "Dem Deutschen Volke". Das gilt schon lange nicht mehr. Da muss man sehr weit zurückgehen.