Schweiz, hör die Signale!
Der Kapitalismus wird abgeschafft. Die Arbeiter holen sich die Macht zurück. Die herrschende Scheindemokratie, die in Wahrheit nur ein Instrument der Superreichen ist, fällt zugunsten einer kommunistischen Planwirtschaft.
Wir sind nicht etwa in einer Zeitmaschine gelandet. Die geschilderten Hoffnungen und Absichten stammen aus diesen Tagen. Es handelt sich um die Visionen der Gründer der „Revolutionären Kommunistischen Partei“, kurz RKP, die an diesem Wochenende in der Schweiz aus der Taufe gehoben wurden.
Die Kommunisten sind also zurück in der reichen Schweiz. Im Herbst hat das letzte Überbleibsel dieser Art, die „Partei der Arbeit“, ihren letzten Sitz im nationalen Parlament verloren. Aber Wahlen interessieren die RKP ohnehin nicht. In der Politik gehe es nur darum, das System zu verwalten, doch dieses sei das Problem schlechthin. Es muss also nicht ein bisschen verändert, sondern gestürzt werden. Den Anfang sollen 500 Mitglieder und 70.000 Franken Spenden – das sind die ersten Etappenziele – machen.
Rund um die ganze Aktion ist einiges schleierhaft. Eine Partei gründen, die sich aber nicht an der Mitgestaltung der Demokratie beteiligen will? Mit derzeit 300 Mitgliedern die Revolution anstreben? 5.000 Leser für das neu geschaffene gedruckte Magazin Der Kommunist gewinnen?
Revolution der Stellvertreter
Das klingt nach einer Mischung aus Monty Python und Dada, ist aber völlig ernst gemeint. Auch in der Schweiz werde „die Arbeiterklasse die Macht ergreifen, daran arbeiten wir“, sagen die Jungkommunisten im Zürcher Tages-Anzeiger. Was sie immerhin bereits geschafft haben: Sie erhalten derzeit viel Medienpräsenz. Das interpretieren sie vielleicht als eine Form der Zustimmung zu ihren Plänen. Aber selbst für die tendenziell mehrheitlich linken Journalisten dürfte eher die Faszination am Absurden der Auslöser für das Interesse sein. Bei einem Unfall muss man bekanntlich auch hinschauen, auch wenn man gar nicht will.
Was der RKP vorschwebt, ist eine Stellvertreter-Revolution. Der durchschnittliche Bauarbeiter oder Dachdecker dürfte staunen, wer sich da für seine Interessen einsetzen will. Denn nach Arbeiterklasse sehen die kommunistischen Wortführer in der Schweiz nicht aus. Es sind fast ausschließlich Akademiker, und sie lassen sich gerne vor Laptops der Marke Apple ablichten. Die Befreiung des Proletariats führt offenbar über die Errungenschaften der Marktwirtschaft, und nur das Beste ist dabei gut genug.
Vorbei die Zeiten, als Veränderung von links subtil und in Watte verpackt angestrebt wurde. Die Umverteilung von Geld, das Lahmlegen der Wirtschaft aufgrund der „Klimakrise“, immer mehr Verbote und die Beschneidung der Freiheit des Individuums: Es läuft ja auch in der Schweiz schon sehr viel in die Richtung, die kommunistischen Nostalgikern vorschwebt. Aber wer noch mehr will, muss eben zur Brechstange greifen.
Keine Revolution ohne Gewalt
Deshalb druckt die Bewegung „Der Funke“, aus der die Parteigründung hervorgeht, ganz schonungslos Lenin in Rednerpose auf Transparente, damit erst gar keine Missverständnisse auftauchen. Hier geht es nicht um Soft-Sozialismus oder gar Sozialdemokratie, das sind ja ohnehin alles nur Feigenblätter der Macht. Bei der „Revolutionären Kommunistischen Partei“ führt der Weg direkt zurück in den tiefen Osten vor über 100 Jahren. Weil im einstigen Zarenreich Russland die Revolution ja bekanntlich für alle im Schlaraffenland gemündet hat.
Der erwähnte „Funke“ hat in den letzten Monaten viele Schlagzeilen generiert, weil sich seine Aktivisten nach dem Überfall der Hamas in Israel unmissverständlich auf die Seite der Palästinenser geschlagen hatten. Das ist nur konsequent. Denn wer in der Schweiz einen kommunistischen Umsturz plant, der darf nicht vor Gewalt und ein bisschen Blut zurückschrecken – ohne das wird es nämlich nicht gehen.
Die historischen Vorbilder der neuen Partei haben in erster Linie für Elend, Hunger, Korruption und Massenmord gesorgt. Aber die Gründer sind überzeugt, dass das längst vergessen ist. Denn, so erfahren wir, 35 Prozent aller Schweizer seien bereit, den Kapitalismus zu überwinden. Wer da genau gefragt wurde und wie es zu dieser Zahl kommt, bleibt unklar. Wenn ein paar arbeitsscheue Studenten in einem Kellerraum ganz unter sich ihre Träume austauschen, kann es eben zu Wahrnehmungsstörungen kommen. Eine kurze Straßenumfrage würde vermutlich schon reichen, um die Illusion zu zerstören.
Die Geschichte wiederholt sich wirklich
Die Kommunisten sind jedenfalls geduldig und bereit, jahrelange Aufbauarbeit zu leisten. Man will „Kader ausbilden“ und diese „in revolutionärer Theorie und Praxis stählen“, man werde „kommunistische Zellen“ errichten, und vermutlich seien „Massenunruhen“ nötig.
Auch in der Schweiz gehen derzeit Menschen auf die Straße, um vor der Gefahr von rechts zu warnen. Sie fordern, die Geschichte dürfe sich nicht wiederholen. Eine neue Partei darf hingegen ohne öffentlichen Aufschrei ankündigen, die Demokratie abschaffen zu wollen, inspiriert von einigen der schlimmsten Schlächter des letzten Jahrhunderts. Wenn sich die Geschichte irgendwo wiederholt, dann hier. Vielleicht ist es aber ja wirklich nur ein satirisches Kunstprojekt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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